Menschenrechte & Islam - die Kairoer Erklärung

Menschenrechte im Vergleich: Islam vs. UN-Menschenrechtscharta - eine Gegenüberstellung


Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 umfasst 30 Artikel, in denen die Rechte eines jeden Menschen festgelegt sind. Der dritte Artikel besagt, dass jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit hat. Doch gerade wenn immer wieder Medienberichte erscheinen, in denen Menschen die Steinigung wegen Ehebruchs droht (beispielsweise der Fall Sakineh MOHAMMADI-ASHTIANI) oder Drogendealer im Iran zu einer Hinrichtung verurteilt werden, stellt sich die Frage, inwiefern sich der Islam und die von den meisten Ländern anerkannten Menschenrechte vereinbaren lassen.

Am 4. August 1990 beschloss eine Konferenz von 45 Außenministern islamischer Staaten, in denen der Islam Staatsreligion, Religion der Bevölkerungsmehrheit oder Religion einer großen Minderheit ist, die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam. Diese Erklärung sieht die Scharia als Grundlage der Menschenrechte.

Diese Scharia taucht namentlich nur ein einziges Mal im Koran auf und bedeutet „Pfad“. Erst im Laufe der Zeit nahm dieses Wort die Bedeutung „Gesetz“ an und so wird das islamische Gesetz als Scharia bezeichnet. Die Scharia enthält rituelle Vorschriften, z.B. über

  • Waschungen (um rituelle Reinheit vor einem Gebet zu erlangen. Hierbei werden die Hände, der Mund, die Nase, das gesamte Gesicht, die Unterarme und die Füße mit reinem Wasser jeweils dreimal gewaschen und die Ohren und das Kopfhaar einmal mit nassen Händen befeuchtet)
  • Gebete
  • Regelungen (z.B. im Familienrecht)
  • Gesetze
  • Staatsrecht und Strafrecht

und gilt als göttliches Recht. 

Im Folgenden werden einzelne Artikel der UN-Menschenrechtserklärung mit Artikeln der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam verglichen und gegenübergestellt. Beide Erklärungen können in voller Länge hier nachgelesen werden:http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger

 Hier nochmals eine synoptische Übersicht:

UN-MenschenrechtserklärungKairoer ErklärungZusammenfassung

Artikel 1

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.

Artikel 1

a) Alle Menschen bilden eine Familie, deren Mitglieder durch die Unterwerfung unter Gott vereint sind und alle von Adam abstammen. (…) Der wahrhafte Glaube ist die Garantie für das Erlangen solcher Würde auf dem Pfad zur menschlichen Vollkommenheit.

KE fordert Unterwerfung vor Gott

-die Scharia gilt als göttliches Gesetz: die Menschen sollen sich Gott und der Scharia unterwerfen

-spricht bei „wahrhaftem Glauben“ vom Islam als einzig wahre und richtige Religion

Artikel 3

Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.






und




Artikel 5

Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

Artikel 2
a) Das Leben ist ein Geschenk Gottes, und das Recht auf Leben wird jedem Menschen garantiert. Es ist die Pflicht des einzelnen, der Gesellschaft und der Staaten, dieses Recht vor Verletzung zu schützen, und es ist verboten, einem anderen das Leben zu nehmen, außer wenn die Scharia es verlangt.

c) Solange Gott dem Menschen das Leben gewährt, muß es nach der Scharia geschützt werden.

d) Das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird garantiert. Jeder Staat ist verpflichtet, dieses Recht zu schützen, und es ist verboten, dieses Recht zu verletzen,

-UN spricht sich für das Recht auf Leben aus und gegen Folter und grausame, unmenschliche oder Erniedrigende Strafe

-KE spricht sich nur im Rahmen der Scharia für ein Recht auf Leben aus

-KE erlaubt es, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, wenn die Scharia es verlangt

-Laut KE gewährt Gott dem Menschen das Leben = die göttlichen Regeln müssen befolgt werden = Scharia

-KE gewährt Recht auf körperliche Unversehrtheit nur im Rahmen der Scharia, d.h., dass einem Dieb laut Koran (Sure 5, Vers 38) auch die Hand amputiert werden darf

Artikel 7

b) Eltern und Personen, die Elternsteile vertreten, haben das Recht, für ihre Erziehung zu wählen, die sie wollen, vorausgesetzt, daß sie dabei das Interesse und die Zukunft der Kinder mitberücksichtigen und daß die Erziehung mit den ethischen Werten und Grundsätzen der Scharia übereinstimmt.

-KE sagt zwar, dass Eltern die Erziehung ihrer Kinder frei wählen dürfen, schreibt im selben Atemzug jedoch vor, dass die Erziehung den ethischen Werten und Grundsätzen der Schariaentsprechen muss

Artikel 27

2. Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.

Artikel 16

Jeder hat das Recht, den Erfolg seiner wissenschaftlichen, literarischen, künstlerischen oder technischen Arbeit zu genießen und die sich daraus herleitenden moralischen und materiellen Interessen zu schützen, vorausgesetzt, daß die Werke nicht den Grundsätzen der Scharia widersprechen.

-KE besagt, dass eigene Werke nur dann legitim sind und geschützt werden dürfen, wenn sie nicht den Grundsätzen der Scharia widersprechen

Artikel 10

Jeder hat bei der Feststellung seiner Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.

Artikel 19

Über Verbrechen oder Strafen wird ausschließlich nach den Bestimmungen der Scharia entschieden.

-UN spricht bei strafrechtlichen Beschuldigungen durch Konsequenzen durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht

-KE entscheidet über Verbrechen und Strafen hingegen nur nach den Bestimmungen der Scharia

Artikel 19

Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Artikel 22

a) Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, soweit er damit nicht die Grundsätze der Scharia verletzt.

-KE tritt nur so lange für das Recht auf freie Meinungsäußerung ein, so lange damit nicht die Grundsätze der Scharia verletzt werden

Artikel 23

Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.

Artikel 23

b) Jeder Mensch hat das Recht, sich direkt oder indirekt an der Verwaltung der Staatsangelegenheiten in

seinem Land zu beteiligen. Er hat auch das Recht, in Einklang mit den Bestimmungen der Scharia ein öffentliches Amt zu bekleiden.

-freie Berufswahl (bei Bekleidung eines öffentlichen Amtes) ist in der KE nur in Einklang mit den Bestimmungen der Scharia erlaubt

Artikel 24

Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt wurden, unterstehen der islamischen Scharia.

-KE beruft sich in seiner Gesamtheit auf die islamische Scharia

Aus der Gegenüberstellung beider Menschenrechts-Erklärungen geht hervor, dass in der islamischen Menschenrechts-Erklärung keine Trennung zwischen Staat und Religion erfolgt. Die Scharia spielt eine übergeordnete Rolle und soll als göttliche und nicht zu hinterfragende Offenbarung Gottes gelten, die über jedem menschlichen Gesetz stehen muss. Ein Kernproblem stellt dabei die Vieldeutigkeit der Formulierungen dar, die sich in keinen offiziell festgelegten und eindeutig definierten Gesetzen niederschlagen.

Obwohl viele Länder nach den Prinzipien der Scharia leben und richten, ist sie nirgendwo auffindbar. Der Grund dafür ist, dass sie keine Rechtssammlung im westlichen Sinne ist, sondern ein Prozess der permanenten Interpretation. Aus einzelnen Passagen des Korans und der Sunna entnehmen Rechtsgelehrte Prinzipien und bilden daraus Urteile, welche sich „Fatwa“ nennen. Daraus folgt, dass sich die Scharia nicht nachlesen lässt, da die Fatwas (Rechtsgutachten) von Fall zu Fall interpretiert werden und ein Scharia-Gericht dann aufgrund dieses Gutachtens sein Urteil fällt. Deshalb kann sich die Scharia in einzelnen Ländern unterscheiden.

Die Scharia gibt es also nicht. Zusammengefasst ist das islamische Rechtssystem also zurückzuführen auf

  • den Koran
  • die Sunna
  • die persönliche Argumentation des Rechtsgelehrten (Fatwa)
  • die Zustimmung des Scharia-Gerichtes.

Als Sunna werden die Handlungsweisen des Propheten Muhammed bezeichnet. Der Begriff stammt aus der arabischen Sprache und bezieht sich auf die Aussagen des Propheten, seine aktiven Handlungen und seine passiven Handlungen. So gelten laut Sunna diejenigen Dinge im Islam als erlaubt, die Muhammed auch getan oder gesagt hat, oder Dinge, denen er still zugestimmt oder nicht widersprochen hat. (vgl. http://www.fragenzumislam.de/?p=102)

Eine Fatwa ist ein Rechtsgutachten eines islamischen Rechtsgelehrten. Der Rechtsgelehrte gibt zu einer bestimmten Frage des islamischen Rechts sein persönliches Urteil, bzw. seine Einschätzung ab. Diese Beurteilung erfolgt schriftlich und im Auftrag eines Herrschers oder einer Institution. (vgl. http://www.islaminstitut.de/fatawa-gutachten.10.0.html)

Doch nicht nur in westlichen Ländern, sondern auch bei einem Großteil der muslimischen Bevölkerung stoßen die islamischen Menschenrechte auf Unverständnis. Eine, die gegen die Ungleichheit kämpft, ist die iranische Juristin Shirin EBADI. Sie nahm als erste Muslimin am 10. Dezember 2003 für ihre „Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte“ den Friedensnobelpreis entgegen. Fünfundzwanzigtausend Menschen versammelten sich und jubelten, als sie die Nachricht hörten. (http://www.dieterwunderlich.de/Shirin_Ebadi.htm) Nach ihrer Ansicht ist allerdings nicht der Islam als Religion das Problem, sondern die Interpretation. Es seien menschenrechtsfeindliche Regierungen, die für eine Unterdrückung von Minderheiten, Frauen und Oppositionellen verantwortlich sind und nicht die Religion selbst. EBADI ist der Meinung, dass die Religion zu Zwecken der politischen Instrumentalisierung falsch interpretiert wird und es so zum gesellschaftlichen Rückstand kommt. In einer Unterschriftenaktion setzte sie sich mit 133 Schriftstellern gegen die Zensur ein und ließ sich trotz der Drohungen der herrschenden Mullahs nicht von ihrer Meinung und ihrem Vorhaben abbringen. Ihr Ziel ist es, die Lage der Menschenrechte im Iran und anderen islamischen Staaten zu verbessern. 

Auch Gudrun KRÄMER, Professorin für Islamwissenschaften an der Freien Universität Berlin, sieht das Problem nicht in der Religion, sondern in der Interpretation des Korans. Der wesentliche Unterschied liege darin, dass die Grundvorstellung von Muslimen in Bezug auf die Religion anders sei. Viele Muslime sehen sich als Stellvertreter Gottes und verfolgen den Auftrag, sein Gebot zu erfüllen und ihm zu dienen. Der Koran, so KRÄMER, beinhalte durchaus einige positive Aussagen und Ansätze von Gerechtigkeit und Gleichheit, jedoch müssten diese noch weiterentwickelt werden. Letztendlich sei es Auslegungssache, wie die Aussagen des Korans verstanden und angewandt werden und dies gelte sowohl für die Menschenrechte, als auch für andere Bereiche.

Die Professorin sieht das Problem in der unterschiedlichen Bewertung des Gleichheitsgrundsatzes: Mann und Frau oder Muslim und Nichtmuslim, seien vor Gott zwar gleichwertig, allerdings gelte diese Gleichheit nicht auch zwangsweise vor dem irdischen Richter und dem Gesetz – obwohl es in solchen Staaten (eigentlich) keine Trennung von Religion und Staat gibt. So zählt die Aussage einer Frau in muslimischen Ländern vor Gericht beispielsweise nur halb so viel, wie die eines Mannes. Diese und viele andere Punkte, die nicht mit den Artikeln der UN-Menschenrechtserklärung einhergehen, würden in muslimischen Ländern nicht als Verletzung des grundsätzlichen Gleichheitsgebotes verstanden.

(Quelle: „Der Islam in der Diskussion“ von Christoph Burgmer (Hrsg.) 1996, S. 58 ff.)

Zitate aus dem Koran als Beispiel:

Der Koran besteht aus 124 Suren (erste Zahl) und 6.214 Versen (zweite Zahl). Eine Sure ist also ein Abschnitt des Korans. Alle Suren bestehen aus einer unterschiedlichen Anzahl von Versen.

24:2 Weib und Mann, die des Ehebruchs oder der Hurerei schuldig sind, geißelt sie beide mit einhundert Streichen. Und laßt nicht Mitleid mit den beiden euch überwältigen in (der Ausführung) von Allahs Urteil, wenn ihr an Allah und an den jüngsten Tag glaubt. Und eine Anzahl von Gläubigen soll ihrer Strafe beiwohnen.

24:4 Und diejenigen, die züchtige Frauen verklagen, jedoch nicht vier Zeugen beibringen – geißelt sie mit achtzig Streichen und lasset ihre Aussage niemals gelten, denn sie sind es, die ruchlose Freveler sind.

2:191 Und tötet sie, wo immer ihr sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben. Denn Verführen ist schlimmer als Töten. Kämpft nicht gegen sie bei der heiligen Moschee, bis sie dort gegen euch kämpfen. Wenn sie gegen euch kämpfen, dann tötet sie. So ist die Vergeltung für die Ungläubigen.

4:74 So sollen diejenigen, die das diesseitige Leben gegen das Jenseits verkaufen, auf dem Weg Gottes kämpfen. Und wer auf dem Weg Gottes kämpft und daraufhin getötet wird oder siegt, dem werden Wir einen großartigen Lohn zukommen lassen.

4:89 Sie möchten gern, ihr würdet ungläubig, wie sie ungläubig sind, so daß ihr ihnen gleich würdet. So nehmt euch niemanden von ihnen zum Freund, bis sie auf dem Weg Gottes auswandern. Wenn sie sich abkehren, dann greift sie und tötet sie, wo immer ihr sie findet, und nehmt euch niemanden von ihnen zum Freund oder Helfer,

9:5 Wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Polytheisten, wo immer ihr sie findet, greift sie, belagert sie und lauert ihnen auf jedem Weg auf. Wenn sie umkehren, das Gebet verrichten und die Abgabe entrichten, dann laßt sie ihres Weges ziehen: Gott ist voller Vergebung und barmherzig.

4:15 Gegen diejenigen von euren Frauen, die Schändliches begehen, müßt ihr vier von euch zeugen lassen. Wenn sie es bezeugen, dann haltet sie in den Häusern fest, bis der Tod sie abberuft oder Gott ihnen einen Ausweg verschafft.

5:38 Und hackt dem Dieb und der Diebin die Hände ab zur Vergeltung für das, was sie erworben haben, dies als abschreckende Strafe von Seiten Gottes. Und Gott ist mächtig und weise.

5:33 Die Vergeltung für die, die gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und auf der Erde umherreisen, um Unheil zu stiften, soll dies sein, daß sie getötet oder gekreuzigt werden, oder daß ihnen Hände und Füße wechselseitig abgehackt werden, oder daß sie aus dem Land verbannt werden. Das ist für sie eine Schande im Diesseits, und im Jenseits ist für sie eine gewaltige Pein bestimmt,

5:45 Und wir haben ihnen darin vorgeschrieben: Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr, Zahn um Zahn; und auch für Verwundungen gilt die Wiedervergeltung. Wer aber dies als Almosen erläßt, dem ist es eine Sühne. Diejenigen, die nicht nach dem urteilen, was Gott herabgesandt hat, das sind die, die Unrecht tun.

26:213 So rufe neben Gott keinen anderen Gott an, sonst wirst du zu den Gepeinigten gehören.

 

(SSK)