Der AWO-Skandal in Hessen: Frankfurt/Main und Wiesbaden

Eine Chronologie: Wie alles öffentlich wurde. Und was. Und warum. Und wie unverzichtbar Whistleblower bzw. Informanten für die Medien sind.

Selbstbedienung ohne Ende und allerorten. Hier ist die Rede von Frankfurt am Main und Wiesbaden. Was sich in Mecklenburg-Vorpommern abgespielt hat und zeitlich etwas später in Erfurt (Thüringen), haben wir in einem gesonderten Kapitel beschrieben: AWO-Skandal in Thüringen. Darauf nehmen wir hier nur punktuell Bezug.

Die Vorfälle in Frankfurt/M. und Wiesbaden lassen sich auch direkt aufrufen unter dem kurzen Link: www.ansTageslicht.de/AWO-Hessen.

Frühjahr 2019

Ein anonymes Schreiben

Auf dem Schreibtisch des Redakteurs Daniel GRÄBER bei der Frankfurter Neuen Presse, eine der führenden Tageszeitungen im Frankfurter Raum, landet ein dicker Briefumschlag. Anonym. Er enthält brisante Dokumente und eine ausführlich begründete Strafanzeige.

Der Absender, ein Whistleblower bzw. Informant, weiß offenbar, dass man einer Staatsanwaltschaft dann Beine machen kann, wenn die Anzeige gleichzeitig an einen Journalisten geht, der daraus etwas macht: Öffentichkeit.

Die Anzeige und die beigelegten Dokumente drehen sich um eine Gemeinnützige Institution, der Arbeiterwohlfahrt, kurz AWO, die zu den 6 Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland zählt: "um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und um den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen." So steht es auf der Website der AWO.

Der Inhalt des Briefes spricht eine andere Sprache: Untreue. In jedem Fall undurchsichtige Geschäfte, Intransparenz, merkwürdige Verquickungen auf der Ebene der Führungselite.

Erste Recherchen

Daniel GRÄBER fängt an, die Unterlagen zu verifizieren und zu recherchieren.

Als erstes ruft er bei der AWO und der Stadt Frankfurt/Main an, will wissen, ob es stimme, dass die AWO vor kurzem ihre beiden Flüchtlingsheime aufgegeben habe, die sie seit der großen Fluchtbewegung 2015 im Auftrag der Frankfurter Stadtverwaltung - gegen gutes Geld - betrieben hatte?

Antwort der AWO: Richtig, die Kooperation sei beendet worden, weil sich die AWO "auf ihr Kerngeschäft konzentrieren" wolle.

Antwort der Stadt Frankfurt: Die Kooperation sei beendet worden, weil sich die AWO "auf ihr Kerngeschäft konzentrieren" wolle.

Wenn zwei Geschäftspartner, die sich 'verkracht' haben, wortgleich die gleiche Antwort geben, schöpft ein Journalist, der sein Handwerk versteht, automatisch Verdacht. Erst recht, wenn in dem anonymen Brief genau diese Formulierung intern als "offizielle Sprachregelung" nach außen hin genannt worden war.

GRAEBER's weitere Recherchen ergeben dies:

  • Es waren finanzielle Unregelmäßigkeiten auf Seiten der AWO, weshalb die Frankfurter Stadtverwaltung die Zusammenarbeit mehr oder weniger abrupt beendet hatte. So hatte die AWO entgegen den Absprachen einen externen Essenslieferanten für die untergebrachten Flüchtlinge eingeschaltet und wollte wohl die dadurch eingesparten Kosten selbst behalten.
  • Die Beauftragung einer externen Sicherheitsfirma sollte offenbar einem ähnlichen Zweck dienen. Chef der 100%-igen "Awo Protect gGmbh" ist der ehrenamtliche Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt e.V. in Frankfurt, der gleichzeitig als Rechtsberater der Arbeiterwohlfahrt in Wiesbaden fungiert.
    Mit einer eigenen Tochterfirma kann auch eine gemeinnützige Institution genau das mühelos machen, was große Konzerne - betriebswirtschaftlich gesehen - "konzerninterne Verrechnungspreisgestaltung" nennen. Anders gesagt: Man kann damit Gewinne verschieben und auch aus offiziellen 'Büchern' verschwinden lassen, die von anderen geprüft werden.

Grund genug für Daniel GRÄBER, am Ball zu bleiben.

kleine Rückblende ins Jahr 2016

Reise nach Tel Aviv

Und noch ein merkwürdiger Vorgang stößt Daniel GRÄBER auf. Drei Jahre zuvor war eine 20-köpfige Runde für 11 Tage nach Tel Aviv geflogen, hatte dort im Nobelhotel Metropolitan logiert, war mit einem extra gecharterten Bus inklusive Sicherheitsreisebegleitung durchs Land gefahren. Nur rund 35.000 Euro soll die Unternehmung gekostet haben.

Später wird sich herausstellen: Der Tripp hatte mit 63.000 Euro zu Buche geschlagen.

Die Teilnehmer dieser exklusiven AWO-Delegation: die Führungsriege der AWO Frankfurt sowie zwei SPD-Abgeordnete der Frankfurter Ratsfraktion.

Daniel GRÄBER will wissen, was der Zweck der Reise war. Antwort: keine. Die Befragten reagieren nicht.

15. Juni 2019

Der erste größere Bericht

"201 461 Euro - wofür eigentlich?" lautet die Überschrift eines ersten großen Artikels, der in der Frankfurter Neuen Presse (FNP) erscheint:

Im Mittelpunkt des Berichts: Ein (einziger) Geschäftsvorfall bei der AWO im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbetreuung nach 2015.

In zwei internen Verträgen hatte die AWO "das Angebot physiotherapeutischer Betreuung und Sportangebote für Geflüchtete" geregelt. Diverse Maßnahmen sind darin aufgeführt, die mit der Stadt Frankfurt abgerechnet wurden.

Aber, so heißt es im Protokoll einer Team-Besprechung vom 30.1.2018: "Bei der Erstelliung der Übersicht ist mir aufgefallen, dass es nur sehr wenig interne Angebote gibt, insbesondere im Bereich Sport." Außerdem: Der eingerichtete Fitnessraum könne  "seit Sommer letzten Jahres nicht benutzt werden." Angehängte Fotos ergänzen diese Aussage (siehe die Fotos in dem hier oben anklickbaren FNP-Artikel). 201.461 Euro - wofür also?

Merkwürdig dabei: Es gibt dazu zwei verschiedene Monitoring-Berichte, die die Leistungen der AWO belegen (sollen):

  • In der offiziellen Version ist von 22 Angeboten die Rede - für bis zu 50 Asylbewohner.
  • In einer anderen, internen Version fehlen diese 22 Angebotseinträge. Dort sind nur 3 Positionen aufgeführt - für 15, 7 und 4 Teilnehmer.

Der letztere dieser beiden Berichte wurde von den Mitarbeitern der AWO zusammengestellt. Der erste ist jener, den die Geschäftsführung an die Stadt Frankfurt weitergereicht hat. Und dafür 201.461 Euro in Rechnung gestellt hatte.

danach

Zu dieser Zeit hat die FNP einen neuen Chefredakteur: Matthias THIEME. Er kennt sich mit investigativen Rercherchen aus, hat selbst zwei Male einen Wächterpreis gewonnen: 2009 für seine Recherchen über den Spendenskandal beim Kinderhilfswerk der UNICEF, 2011 im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über die hessische Steuerfahnderaffäre und die Rolle der CDU dabei. Er weiß. wie aufwendig solche Ermittlungen sind, weiß auch, dass investigativ arbeitende Redakteure Rückendeckung brauchen. Matthias THIEME steht hinter Daniel GRÄBER. Und der kann weitermachen.

24. August 2019

Ein zweiter großer Bericht

GRÄBER's Recherchen, Telefonate hier, da und dort, Gespräche mit diesem und jenem, darunter ehemaligen AWO-Mitarbeitern, sowie die Analyse der AWO-Organisation(en) zahlen sich aus. Es sind zwei AWO-Vereine, die ihm auffallen:

  • die AWO in Frankfurt/Main
  • die AWO Wiesbaden.

In beiden taucht der Name RICHTER auf. Insgesamt 4 Mal bei 2 selbstständigen Vereinen:

  • Jürgen RICHTER ist hauptamtlicher Geschäftsführer der AWO Frankfurt. Und gleichzeitig ehrenamtlich stellvertretender Vorsitzender der AWO Wiesbaden.
  • Seine Frau Gemahlin, Hannelore RICHTER, ist hauptberuflich Geschäftsführerin der AWO Wiesbaden und arbeitet auf Honorarbasis als "Sonderbeauftragte" für die AWO Frankfurt.

Aber nicht nur das: Weitere Führungsleute sind in beiden Vereinen bzw. Wohlfahrtsorganisationen sowohl entgeltlich als auch ehrenamtlich unterwegs. So sieht der AWO-Komplex der 5 wichtigsten AWO-Figuren aus:

Parallel zu diesen Verquickungen kann GRÄBER undurchsichtige Geldbewegungen ausmachen: Gelder, die von der einen zur anderen AWO verschoben werden.

  • Beispiel 1, das aus einer Email hervorgeht, die der Whistleblower bzw. Informant der FNP mit auf den Weg gegeben hatte:
    Der Rechtsanwalt Ansgar DITTMAR (in der Grafik grün markiert), der auf Honorarbasis für die AWO Wiesbaden arbeitet, hat noch Geld zu bekommen: 25.704 Euro. Die aber jetzt von der AWO Frankfurt, wo er als ehrenamtlicher Vorsitzender agiert. Wofür genau? Das will der smarte Anwalt dem Journalisten GRÄBER nicht beantworten. Auch die beiden AWO's nicht.  
  • Beispiel 2: Rechtsanwalt Panagiotis TRIANTAFILLIDIS (rot markiert).
    Er ist bei der AWO Wiesbaden ehrenamtlicher Kassenprüfer. Bei der AWO Frankfurt stand er erst auf der Honorarliste bis ihn Geschäftsführer RICHTER zu seinem Stellvertreter machte. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen der Frankfurter AWO und der Stadt über die Zukunft der Asylbewerberheime hatte er der AWO Frankfurt vor seiner offiziellen stellvertretenden Geschäftsführerfunktion noch schnell eine Rechnung übergeben: 195.402,52 Euro.

Die beiden AWO's: ein Selbstbedienungsladen? Details sind in dem obigen ganzseitigen Artikel von Daniel GRÄBER beschrieben, der sich durch Anklicken der Grafik als PDF lesen lässt.

September 2019

Stabswechsel

Daniel GRÄBER wechselt kurz darauf auf eine Redakteursstelle bei den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) in Karlsruhe, arbeitet aber von dort mit einem Kollegen vom Hessischen Rundfunk (hr), Volker SIEFERT, zusammen. Parallel dazu übergibt GRÄBER seine Dokumente und Informationen an eine Kollegin in Wiesbaden, Birgit EMNET vom Wiesbadener Kurier (WK). Diese Zeitung der hessischen Landeshauptstadt hat bereits in kleinerem Umfang über die Recherchen der FNP bzw. von Daniel GRÄBER berichtet. Jetzt wird sie die führende Rolle bei der weiteren Aufklärung des Skandals übernehmen.

18. September 2019 und danach

Der erste Bericht des WK

Rechtzeitig vor der Sitzung des Wiesbadener Kreisvorstands der AWO tischt die Redakteurin des Wiesbadener Kurier (WK), Birgit EMNET, einen Artikel auf: "Wiesbadener AWO in Turbulenzen" und spricht die vielen bisher ungeklärten Merkwürdigkeiten an.

  • Zum Beispiel, wieso die Israel-Reise von 20 Personen drei Jahre zuvor, zu der der FNP-Redakteur keine Antworten erhalten hatte, jetzt mit dieser Begründung gerechtfertigt wird: "Cannabisanwendung in der Altenpflege"?
  • Oder ob es normal sei, dass die AWO ein Altenhilfezentrum an den Luxenburger Immobilienfonds "Swiss Life" erst für 16,3 MIllionen Euro verkauft und dann wieder für 750.000 Euro im Jahr zurückgemietet habe?
  • Und ob es sinnvoll sei, dass wegen der personellen Verquickung der Eheleute RICHTER bei gegenseitigen Rechnungen von Wiesbaden an Frankfurt oder umgekehrt jeweils der andere die entsprechenden Geldüberweisungen unterschreibe?

"Fragen über Fragen, die nach Aufklärung verlangen", schreibt Birgit EMNET.

Der ehrenamtliche Kreisvorstand der AWO Wiesbaden lässt sich von öffentlicher Kritik oder Fragen nicht beirren. Trotz der öffentlichen Kritik spricht der ehrenamtliche Kreisvorstand beiden Eheleuten RICHTER "einstimmig das Vertrauen aus" - trotz der offenen Fragen.

Oktober 2019

"Die Awo-Familie als Geschäftsmodell?"

So lautet die Überschrift eines zweiten Artikels des WK. Birgit EMNET veröffentlicht Ergebnisse ihrer Recherche. Sie zitiert aus einer Excel-Tabelle namens "Mitarbeiter-Pool". Aus der geht hervor, dass die hauptamtlichen AWO-Beschäftigten beim jeweils anderen AWO-Verband für ihre "ehrenamtlichen" Funktionen sogenannte Ehrenamtspauschalen "zugeschustert" bekommen. Teilweise bis zu 8.900 Euro pro Jahr. Steuerfrei. Zusätzlich zum regulären Gehalt. Aber immer bei der jeweils anderen AWO, weil Gehalt plus Ehrenamtspauschale parallel bei ein- und derselben Institution verboten ist. Eigentlich.

Aus der internen Tabelle "Mitarbeiter-Pool" geht z.B. auch hervor, dass Hannelore RICHTER im Jahr 2014 einmal 141.000 aus Frankfurt und 95.000 aus Wiesbaden erhielt. Zusammen 236.000 Euro im Jahr. Monatlich knappe 20.000 €. Für eine Institution der "Wohlfahrt" kein schlechtes Einkommen.

28. Oktober

Olaf STREUBIG, der Leiter der Lokalredaktion des WK und Kollege von Birgit EMNET berichtet über die Kreiskonferenz der AWO, die stattgefunden hat: "Opferrolle statt Selbstkritik" lautet die Überschrift seines Artikels. Die Argumente der AWO:

  • Die Wirtschaftsprüfer hätten bei den Jahresberichten "nichts zu beanstanden".
  • Und die Presseberichterstattung beruhe auf "widerrechtlich entwendeten Dokumenten der AWO Frankfurt."

Die praktizierte Wagenburgmentalität geht soweit, dass es für Hannelore RICHTER, die sich eigentlich in den Vor-Ruhestand verabschieden wollte, standing ovations gab.

Was allerdings keiner der anwesenden Awo-Funktionäre wissen wollte: Wie sich die scheidende Geschäftsführerin ihre Vorruhestandspension finanziell arrangiert hatte.

2. November 2019

Und nochmals greift OLaf STREUBIG zur Feder, kritisiert, dass die Chance der Aufklärung vertan worden sei. Stattdessen nur Vorwürfe gegen die Journalist*innen:

  • Daniel GRÄBER wurde als "Linkenjäger" bezeichnet
  • Das Ganze sei eine "Kampagne, um die Awo zu diskreditieren"
  • Der Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes sprach gar von einer "Schlammschlacht"
  • "Heckenschützen" hätten dem Ehepaar RICHTER "in die Beine geschossen."
  • Und: "Wer sich gegen die AWo äußert, ist für die AfD". Und: "Bei alledem soll auch immer die SPD mit verprügelt werden", so der ehrenamtliche Vorsitzende der Frankfurter Awo, Ansgar DITTMAR, der parallel dazu als bezahlter Rechtsberater der AWo Wiesbaden agiert.

20. November 2019

Die Bürgermeister-Gattin

Jetzt taucht im Personengeflecht der Awo zum ersten Mal auch die Gattin des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter FELDMANN (SPD) auf: Zübeyde FELDMANN. Sie war vormals bei der Awo angestellt. Und gehörte bereits nach 2 Jahren als Leiterin einer Kita zu den Angestellten der höchsten Gehaltsstufe. Im Normalfall gelangt man in diese Gehaltskategorie erst nach 17 Jahren.

Consowell GmbH

Außerdem haben Birgit EMNET und ihr Kollege Andre DOMES eine weitere Firma ausgemacht: Consowell GmbH. Sie hat ihren Sitz an der selben Adresse wie die AWo-eigene Sicherheitsfirma Awo Protect.

Eigene Tochterfirmen sind immer praktisch: man kann die Höhe von Rechnungen selbst bestimmen. Was auf der einen Seite als "Kosten" deklariert wird (die beispielsweise jemand bezahlt/bezahlen muss), stellt auf der Empfängerseite des Geldflusses eine Einnahme bzw. einen Gewinn dar.

Die Homepage von Consowell verrät den Unternehmenszweck: "Dienstleistungs- und Unternehmensberatung für die Sozialwirtschaft und das Gesundheitswesen".

Die Website und das Foto (siehe unten), das die Führungsriege präsentiert, werden - kaum dass die Wiesbadener Journalist*innen dort zwecks Verifikation ihrer Recherchen angerufen haben - vom Netz genommen und sind seither offline:

27. November 2019

Wer einmal anfängt zu recherchieren, merkt schnell, dass da in der Regel noch mehr (heraus)kommt. Wenn Journalist*innen über ein bestimmtes Thema schreiben, weiß jeder Leser, woran die arbeiten. Es ist dies dann gleichzeitig ein Signal an andere: Wir schreiben gerne noch mehr, brauchen aber (noch mehr) Informationen.

Auf diese Weise kommen auch Hinweise zusammen, dass eine ganze Reihe von Angestellten in der Frankfurter Stadtverwaltung und einige Ratsmitglieder ebenfalls Connections zur Awo haben: Sie haben dort früher selbst gearbeitet. Das Netzwerk der Awo entpuppt sich daher als immer größer. Und praktischer, wenn ehemalige MItarbeiter nunmehr etwa im Sozialreferat arbeiten, die dort über Aufträge, sprich Geldzuweisungen zu entscheiden haben. Letzteres betrifft den amtierenden "Sozialdezernenten" Christoph MANJURA (SPD) in Wiesbaden. Er war seinerzeit Referent der Awo-Geschäftsführerin Hannelore RICHTER.

Weil nicht nur die Frau Gemahlin des Frankfurter OB Peter FELDMANN vormals bei der Awo war, sondern auch der OB höchstselbst und beide 'ausreichend prominent' sind, greift jetzt auch DER SPIEGEL dieses Thema auf: "Frankfurts OB wehrt sich gegen Vorwürfe der Vetternwirtschaft."

Andere Medien, die FAZ, die Frankfurter BILD-Zeitung und die Frankfurter Rundschau, halten sich vornehm zurück. Auch freie Journalisten steigen nicht in das Thema ein. Das mag damit zusammenhängen, dass die AWO seit langem für solche Fälle über eine Art Geheimwaffe verfügt. Mit insgesamt 130 Minijob-Verträgen hält sie sich einige Leute gewogen. Darunter befinden sich auch einige Journalisten. Das allerdings wird erst sehr viel später ans Licht der Öffentlichkeit geraten.

7. Dezember 2019

Erste Konsequenzen bei der Awo

"Der Druck im Kessel steigt", kommentiert Birgit EMNET an diesem Tag. Und legt weitere Details der Selbstbedienung offen, die jetzt nicht mehr wegzudiskutieren sind: "Wohlfahrt in eigener Sache":

Inzwischen hat nämlich die Kölner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, die früher alle Jahresberichte abgewunken hatte, sich den der Wiesbadener Awo von 2018 etwas näher angeschaut - unter Berücksichtigung der Informationen, die die Medien öffentlich gemacht hatten. Und "Sachverhalte" angesprochen, die "mögliche Auswirkungen auf die Gemeinnützigkeit des Vereins" haben könnten.

  • Einer dieser Sachverhalte: das Gehalt von Hannelore RICHTER. Waren die Journalist*innen bisher von 236.000 Euro jährlich ausgegangen, so spricht Die BDO von einem "Jahresbrutto in Höhe von 344.000 Euro."
  • Für ihren Stellvertreter Murat BURCU: 256.000 €.
    BURCU hat darüber hinaus weitere Nebeneinnahmen: einen Beratervertrag in Höhe von 72.000 € mit der Wiesbadener Awo, der aber 2017 beispielsweise über die Awo Frankfurt abgerechnet wurde.
  • Dazu für beide: jährliche Bonuszahlungen in Höhe von 10.000 €.
  • Obendrauf: Dienstwagen. Auch für die private Nutzung. Inklusive "Tankkarte" auf Rechnung der Awo.

Dass die Awo bei der Hochzeit des Sohnes Gereon RICHTER (der natürlich ebenfalls bei der Awo abgestellt ist) die Kosten für das Musikprogramm übernommen hatte, waren vergleichsweise "peanuts": 2.500 €.

Der "Druck im Kessel" hat jetzt ein Niveau erreicht, dass der Awo-Kreisverband eine Pressemeldung herausgeben muss: Jürgen RICHTER und sein Sohn Gereon lassen ersteinmal ihre Ämter "ruhen".

9. Dezember 2019

"Vorwürfe größtenteils berechtigt"

muss der 78jährige und ehrenamtlich tätige Vorsitzende der Awo Wiesbaden, Wolfgang STACHE, unumwunden gegenüber dem WK zugestehen. Er und seine Kolleg*innen haben offenbar die "Kontrollfunktion gegenüber der Geschäftsführung nicht ausreichend wahrgenommen." Grund genug für ihn, seine Funktion mit sofortiger Wirkung nieder zu legen.

Was Birgit EMNET zu dieser Zeit noch nicht weiß: Das ehrenamtliche Vorstandsmitglied STACHE, das sich hier so einsichtig zeigt, fährt - auf Kosten der Awo - mit einem Dienstwagen durchs Land. Und seine Frau Gemahlin steht auf der Pay-roll der Awo - ohne dafür irgendetwas zu tun. Aber das kommt erst später heraus.

Inzwischen macht sich der Bürgermeister von Wiesbaden Sorgen um das Image der Awo in seiner Stadt. Denn jetzt ist auch der Bundesverband der Awo wach geworden. Man will verhindern, dass der hessische Skandal die gesamte Awo in Misskredit bringen könnte. Denn die Awo mit ihren bundesweit 230.000 Beschäftigten leistet unverzichtbare Arbeit. Und das Gros der Angestellten arbeitet redlich - ohne sich hier, da und dort persönlich zu bereichern.

Das erklärt auch, weshalb die vielen Angestellten sauer sind. Die Stimmung an den Arbeitsplätzen in Frankfurt und Wiesbaden ist "katastrophal", wie der WK konstatiert.

danach

Weitere Rücktritte. Und Prüfungen.

Inzwischen kümmern sich mehrere Institutionen um das, was da in Frankfurt und Wiesbaden läuft. Bzw. bisher gelaufen ist:

  • Der Bundesverband der Awo will ein eigenes Prüfteam nach Hessen schicken.
  • Das Finanzamt prüft die Geschäftsvorgänge im Rahmen einer Betriebsprüfung
  • Die Staatsanwaltschaft hat bereits seit einigen Wochen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet: wegen der Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den Flüchtlingsgeldern

Derweil hat jetzt auch Hannelore RICHTER ihren Rücktritt erklärt und will auch nicht - wie ursprünglich vorgesehen - weiterhin als Projektbetreuerin - gegen gutes Honorar, versteht sich - zur Verfügung stehen. Sohn Gereon verzichtet ebenfalls auf sein Amt als Geschäftsführer, will aber in jedem Fall die pädagogischen Einrichtungen der Awo Wiesbaden leiten.

12. Dezember 2019

Flucht nach vorn

Die Awo lädt zur Pressekonferenz. Es bleibt ihr nichts anderes mehr übrig. Dazu holt sie sich einen bekannten PR-Profi: Klaus KOCKS, ehemals im Vorstand von VW und inwischen als PR-Berater unterwegs. Immer für viel Geld. 23.000 Euro will er später dafür von der AWO Wiesbaden haben.

Die Awo muss Reaktionen bzw. Neuerungen kommunizieren. Ihr Image ist auf dem absoluten Tiefpunkt:

Auf detaillierte Fragen der vielen Journalisten geht die Awo nicht ein, insbesondere nicht zu den Gehältern, obwohl dies Birgit EMNET im WK bereits teilweise veröffentlich hat. Abwiegeln heißt die Strategie. Sie gipfelt in der Antwort des PR-Profi KOCKS: "Das ist eine sehr gute Frage, die wir jetzt nicht beantworten!"

Eine Antwort von sich aus gibt aber Hannelore RICHTER's Stellvertreter Murat BURCU. Auf der Tribüne antworten darf er nicht, die verbliebene Awo-Vorständin, hier rechts im Bild, fährt ihm über den Mund. Aber BURCU hält nach der offiziellen Pressekonferenz seine eigene ab und antwortet auf Fragen der Journalisten. Frank und frei redet er über sein Gehalt: 12.500 Euro im Monat. Zuzüglich 6.000 Euro monatlich als Berater. Weil er für das letztere Geld vor allem an Wochenenden gearbeitet habe und dann auch auf dem Fussballplatz, wenn er seinen Sohn begleiten wollte, hätte man ihm den Spitznamen "Laptop-Papa" verpasst.

Jetzt meldet sich auch DER SPIEGEL wieder zu Wort. Nicht sehr aktuell, aber immerhin mit einer leicht veralteten Meldung: "Frankfurter Awo-Chef tritt zurück".

Inzwischen hat die AWO eine Detektei eingeschaltet. Sie soll den oder die Maulwürfe ausfindig machen.

Das Detektivunternehmen geht professionell vor. Sie setzt einen Forensiker an die bei der Staatsanwaltschaft eingegangene Strafanzeige ran. Der AWO-Rechtsanwalt hat Akteneinsicht.

Der Forensiker soll die anonyme Anzeige anhand

  • den Formulierungen,
  • dem Sprachduktus,
  • den Zeilenabständen und
  • der Schrifttype

im Vergleich mit anderen internen AWO-Dokumenten den Maulwurf ausfindig machen.

Der Maulwurf war clever. Der Plan der Detektei funktioniert nicht.

13. Dezember

Unternehmen "Somacon"

Nur 1 Tag später wartet der langjährige Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Bernd GÜNTHER, der seit 35 Jahren lokale und kommunale Themen für die Regionalausgabe der FAZ recherchiert, mit einem ganzseitigen Artikel über die Awo auf. Er schreibt über das, was schon lange auf seinem Schreibtisch liegt:

"Social Management Consult Ltd." heißt das Unternehmen, eingetragen im Handelsregister in Großbritannien. "Ltd" steht für "Limited", eine Billig-GmbH. Stammkapital: statt 25.000 Euro Mindesteinlage wie in Deutschland vorgeschrieben hier nur schlappe 100 Britische Pfund. Umgerechnet etwa 120 Euro. 

Anteilseigner zu je 50%: die Awo Frankfurt und die Awo Wiesbaden. Direktorin: Hannelore RICHTER. Regelmäßig beschäftigter und finanziell entlohnter Berater der Somacon: Jürgen RICHTER.

Jürgen RICHTER sitzt gleichzeitig auch im Aufsichtsrat des Unternehmens. Ein Aufsichtsrat, der "Aufsicht" führen soll und parallel dazu eine Art Minijob für das zu kontrollierende Unternehmen ausüben soll? Eigentlich undenkbar. Bei der Awo offenbar selbstverständlich, vor allem dann, wenn es gelingt, das alles geheim zu halten.

Ebenfalls im Somacon-Aufsichtsrat: Wolfgang STACHE, das sich so reuemütig gebende Vorstandsmitglied, dessen Ehefrau wiederum bei der Awo auf der Pay-roll steht, was zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht bekannt ist. Aber Informationen kommen oft immer nur stückchenweise ans Licht. Da haben Tageszeitungen einen klaren Vorteil gegenüber wöchentlich erscheinenden Medien. Sie können - und müssen - täglich mit Informationen herüberkommen.

So wie bei der Tochterfirma Consowell so ist es auch bei der Somacon. Die Stadt Wiesbaden hatte 2006 der dortigen Awo den Zuschlag für ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt mit dem Titel "Alltagsengel" erteilt. Arbeitslose sollen von der Awo geschult und sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, um dann gegen Stundenlohn in Privathaushalten eingesetzt werden zu können. Die Beratung hatte dafür die Somacon übernommen - bzw. Aufsichtsratmitglied Jürgen RICHTER für 4.000 €. Mit einem Aufschlag von 25%, sprich 1.000 € hatte die Somacon-Direktorin namens Hannelore RICHTER diese Rechnung an die Awo-Wiesbaden-Geschäftsführerin namens Hannelore RICHTER weitergereicht, und die dann an die Stadt Wiesbaden. So ging das schon seit Jahren. Über die Jahre kamen da mehrere Hunderttausende an 600.000 Euro zusammen.

Aber nicht nur die Familie Richter hatte sich an der Somacon finanziell gütlich getan, wie Bernd GÜNTHER herausgefunden hatte (mehr im Artikel "Aufsichtsrat als Minijobber").

2020: das Spiel ist aus

Razzia, Sonderprüfung, neue Geschäftsführer

Irgendwann explodiert der Kessel, wenn der Druck innen drin immer stärker wird. Dies ist ab Januar des neuen Jahres der Fall.

Mit 85 Mann rücken Staatsanwaltschaft und Kripo-Beamte an, durchsuchen die Awo-Büros in Frankfurt und Wiesbaden sowie diverse Wohnungen der wichtigsten Akteure, nachdem eine anonyme Anzeige eingegangen war. Die Beamten stellen Akten und Dokumente sicher. Über die Brisanz der Vorgänge war die Staatsanwaltschaft bereits informiert - auch Staatsanwälte lesen Zeitung.

Als nächstes schickt der Bundesverband der Awo ein eigens zusammengestelltes Prüfungsteam. Ihm geht es um die Einhaltung - bzw. Verletzung - der Compliance-Regeln. Deren Credo - eigentlich: "Keiner, der Aufsicht führt, darf von persönlichen Interessen geleitet sein." Schöne Worte, die der Vorsitzende des Bundesverbandes, Wolfgang STADLER, da von sich gibt. Denn die schließen Honorarjobs für Kreisvorstandsmitglieder eigentlich aus. Aber dass dies in Wiesbaden und Frankfurt anders ist bzw. war, weiß der Bundesverband bereits seit September. Jetzt ist es Januar.

Und noch im selben Monat werden zwei neue Geschäftsführer bei der Awo Wiesbaden eingesetzt, beide pensioniert, weil 77 bzw. 70 Jahre alt, und beide mit der Materie wohl vertraut. Der eine war vormals Sozialdezernent in Wiesbaden, der andere hatte das Sozialamt geleitet und beide kennen sich seit langer Zeit. Und haben gut zusammen gearbeitet. Jetzt geht es ans Aufräumen. Und da gibt es sehr viel zu tun.

Nicht nur, um auf der Ebene des "Feudalsystems" der Führungsriege klar Schiff zu machen, sondern auch, um sich um die verletzten Seelen vieler Beschäftigter zu kümmern. "Mitdenken war nicht erwünscht", berichtet ein ehemaliger Angestellter. Wer Verbesserungsvorschläge machte, galt als "Störenfried" und wurde von der Führung kaltgestellt. So berichtet es der WK am 20. Januar.

"Es war ein autoritäres Regime bei der Awo" fassen zwei andere ehemalige Mitarbeiterinnen, die zum Schluss selbst gekündigt hatten, ihre Erfahrungen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (€ !) zusammen. Sie berichten von "Verhören und Schikanen", von "Arroganz und Abschätzigkeit". Ohne dass der Bundesverband irgendwie eingegriffen hätte.

Ende Januar 2020

Wieso das "Feudalsystem" so lange existieren konnte, dass lässt der Wiesbadener Kuriert (WK) einen Experten erklären: "Mitwisser zu Mittätern" gemacht. Kurz gesagt:

  • Kontrollen aushebeln, sukzessive,
  • und jene, die noch kontrollieren können, ebenfalls in das System mit einbinden.

Zum Beispiel Wolfgang STASCHE, der sich vor kurzem so einsichtig und reuemütig gab. Dass seine Ehefrau 15 Jahre lang als "geringfügig Beschäftigte" von der Awo bezahlt wurde ohne dass sie irgendetwas hätte dafür tun müssen, wird STASCHE erst in einem halben Jahr zugeben, wenn ihm Birgit EMNET auf die Spur gekommen sein wird. Inklusive gewisser "Sonderzahlungen" hat Frau STASCHE runde 100.000 Euro kassiert.

Mitwisser wurden zu Mittätern bei der Awo gemacht, wie der Experte betont.

ständig

Immer neue Details

werden bekannt. Jetzt geht es um die Bezahlung moderner Kücheneinrichtungen in den Privatwohnungen und ebenso um Handwerkerrechnungen. Das Thema "Dienstwagen" stand bereits auf der Tagesordnung, aber noch nicht das Stichwort "Car Allowance". Das sind monatliche Zuschüsse der Awo an ausgewählte Personen der Führungsclique, auf dass die sich ein 'besseres' Auto leisten können, zum Beispiel noch besser als (nur) einen 'dicken Audi' (etwa den "A81"). Konkretes Beispiel: Gereon RICHTER, der Sohn von Hannelore und Jürgen, bekam im Monat 3.500 Euro als "Car Allowance". Damit kann man sich beispielsweise einen Porsche leasen. 

2. April 2020

Es nimmt kein Ende

Das Feudalsystem herrschte nicht nur auf der obersten Führungsebene, sondern auch in der zweiten Reihe gibt es eine ausgeprägte Günstlingswirtschaft. So berichtet es der WK. Murat BURCU, der Jürgen RICHTER als Geschäftsführer abgelöst hatte, hat sozusagen seine gesamte Familie bei der Awo untergebracht - in irgendeiner Form.

Dass dies nicht wirklich zu einer gemeinnützigen Institution im sogenannten Wohlfahrtsbereich passt, hätte er eigentlich wissen müssen. BURCU war, bevor er zur Awo kam, Mitarbeiter einer Wirtschaftsprüfungsgesekkschaft, der KPMG.

Aber die hat in der Branche einen bekannten Spitznamen: KPMG steht da für "keiner prüft mehr genau".

Und jetzt trifft es einen CDU-Abgeordneten im Wiesbadener Stadtrat: die Tochter von Wolfgang GORES. Sie lebt und arbeitet in Berlin, war - angeblich - längere Zeit für die "Sonderbeauftragte" bei der Awo Frankfurt, Hannelore RICHTER, tätig: für 4.000 Euro Monatssalär.

Von irgendwelchen Arbeitsleistungen wissen die Angestellten bei der hessischen Awo nichts. Der CDU-Mann muss zurücktreten. Er hätte es besser wissen müssen. Im Hauptberuf ist Wolfgang GORES Polizeibeamter.

Aber Einsicht ist kein wesentliches Merkmal von Menschen, die sich auf Kosten anderer bereichern. Hannelore RICHTER etwa lässt - auf ihre endgültige Kündigung hin - ausgewählte Awo-Mitglieder dies schriftlich wissen:

"Also ich habe gestohlen und gemordet, sonst geht das nicht. Meine Geduld ist am Ende. Ich bin auch jemand. Ich werde jetzt mal aufklären, da wird man staunen unter den Menschen. Man hat mich getötet."

Im Laufe des Jahres 2020

Nach der Veröffentlichung in den Medien: Aufarbeitung durch die Justiz

Die Mühlen der Justiz arbeiten bekanntlich langsam. Wenn jemand, der gekündigt wurde, sich vorm Arbeitsgericht zu Wehr setzt, also eine sogenannte Kündigungsschutzklage anstrengt, kann das dauern. Der Zugang zu den Gerichten steht hierzulande jedem offen und so ziehen auch alle aus der Awo-Führungsclique, die von der neuen Interims-Vorständlern in Wiesbaden gekündigt wurden, vor den Kadi.

Als erster verliert Jürgen RICHTER seine Berufung vor dem Landesarbeitsgericht. Er wollte die Weiterbezahlung seines Jahresgehaltes in Höhe von 200.000 Euro für die nächsten eineinhalb Jahre durchsetzen zuzüglich 54.000 jährlich als "Car Allowance" zuzüglich Zuschuss zur Krankenversicherung zuzüglich bezahlter, aber nicht in Anspruch genommer Urlaubstage.

Obwohl RICHTER sich einen in Wiesbaden stadtbekannten Anwalt nimmt, den der WK als "schillernde Figur der Skandale und Skandälchen der Wiesbadener Kommunalpolitik" beschreibt (den ehemaligen CDU-Ratsvorsitzenden Bernhard LORENZ), gelingt das nicht. Der Schaden der RICHTER'schen Feudalherrschaft beläuft sich - nach derzeitigem Erkenntnisstand - auf bereits 3,7 Millionen Euro.

Wenig später scheitert auch Jürgen RICHTER's Frau Gemahlin, Hannelore RICHTER, mit einem ähnlichen Ansinnen vor Gericht.

Derweil ist die Staatsanwaltschaft Frankfurt dabei, die Ermittlungen bezüglich des Verdachts der Untreue auszuweiten. Sie hat jetzt auch das Verfahren für Wiesbaden an sich gezogen.

Awo Wiesbaden muss Insolvenz anmelden

Und im November muss die Wiesbadener Awo Insolvenz anmelden. Die liquiden Mittel reichen nicht mehr aus, das Weihnachtsgeld für die Beschäftigten und die Corona-Zulage zu zahlen - die Gewerkschaft hatte den Mitarbeitern empfohlen, auf keinen Fall im Rahmen einer Befragung einem Verzicht zuzustimmen, um die Insolvenz abzuwenden.

Die drohende Aberkennung der Gemeinnützigkeit für einige Jahre, was Steuernachforderungen bedeuten würde, schwebt zusätzlich wie ein Damoklesschwert über der Awo.

Geplanter Neubeginn:

Trotz alledem - oder erst recht deswegen: Die inzwischen neue Geschäftsführung betrachtet die Übernahme ihres Jobs nicht als "Himmelfahrtskommando". Sie sieht zwar nüchtern das, was ist, schaut aber optimistisch in die Zukunft: "Unsere Perspektiven sind gut," wie Birgit EMNET im WK am 10. Dezember 2020 berichtet.

Zur gleichen Zeit im Jahr 2020

Erfurt im Bundesland Thüringen

Während in Frankfurt und Wiesbaden der Skandal langsam zu Ende geht und aus dem Blick der Öffentlichkeit gerät, tischt die "Thüringen Reporterin" der drei Zeitungen "Ostthüringer Zeitung", "Thüringer Allgemeine"" sowie der "Thüringische Landeszeitung", Sibylle GÖBEL aus Weimar, einen Skandal in ihrem Umfeld auf. Wieder geht es um die Awo, konkret

  • den Thüringer Awo-Landesverband
  • und einer seiner Tochtergesellschaften, die Alten, Jugend- und Sozialhilfe gGmbH (gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung), kurz: AJS.

Selbstbedienung und Pfründenwirtschaft sind weit verbreitet. Keine Einzelfälle. Wir haben diese Affäre und wie sie von Sibylle GÖBEL öffentlich gemacht wurde, in einem gesonderten Kapitel dokumentiert: AWO-Skandal in Thüringen.

Dezember 2020

AWO-Bezirksverband Hessen-Süd

Die Vorgänge in den AWO-Kreisverbänden Wiesbaden und Frankfurt haben eine Parallele eine Awo-'Etage' höher: auf der Ebene des AWO-Bezirksverbands Hessen-Süd.

Bekannt, aber erst jetzt und dies durch den Hessischen Rundfunk (hr) wird dies:

Im Bezirksverband regiert - unter anderem - der Schlendrian. Konkret: Eigentlich war er bereits 2005 finanziell am Ende. Die Rettung näherte sich in Gestalt eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Torsten HAMMANN aus Pfungstadt im Odenwald. Er rät zu "Privatisierungen".

Und so verkauft die Führungselite des Wohlfahrtsvereins ein erstes Pflegeheim an eine Firma, an der nicht nur HAMMANN beteiligt ist, sondern auch einige seiner Freunde, denen er zu diesem lohnenden Investment rät. Die AWO Hessen-Süd zahlt jetzt Miete an ihren Berater.

Der AWO-Vorstand, glücklich über den Geldsegen in der Kasse, ernannte HOMMANN zu seinem "Generalbevollmächtigten" - gegen gutes Honorar, versteht sich.

Und so fädeln beide Seiten immer mehr "Deals" ein: Ein zweites AWO-Pflegeheim wird an eines der 7 HAMMANN-Unternehmen verkauft, HAMMANN lässt auf den Dächern Solaranlagen bauen, verkauft den so produzierten Strom dann an die AWO.

Weil die liquiden Mittel immer noch nicht ausreichten, gewährte HAMMANN der AWO einen "Privatkredit". Höhe: 500.000 € auf 5 Jahre, Zinssatz: 6,5%. Zinseinnahme in diesem Zeitraum: 165.000 Euro. Alles in allem hat HAMMANN in sechs Jahren rund 1,8 Millionen - inklusive sonstige Honorare etc - dabei rund 1,8 Millionen verdient.

Wohlfahrt für die eigene Tasche.

und immer wieder

werden neue Details aus dem Selbstbedienungsreich der beiden AWO-Verbände bekannt:

  • "Dr." Jürgen RICHTER sieht sich neuen Ermittlungen ausgesetzt: Jetzt geht es um den Verdacht des Titelmissbrauchs. Konkret um seinen (angeblichen) Doktortitel. Mit dem pflegt er nämlich gerne Unterschriften zu leisten, will aber nicht klar sagen, woher er den hat. Eingetragen, in "Dr. Jürgen Richter"s Personalausweis ist er seit 1993 - zwei Jahre nachdem er bei der AWO als Heimleiter angefangen hatte. In der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/M., wo alle Bücher, inklusive Dissertationen, gelistet und archiviert werden müssen, ist nichts zu finden. Unterlagen über sein Promotionsverfahren will RICHTER ebenfalls nicht mehr haben - derlei sei durch mehrere Umzüge wohl verloren gegangen. Und im übrigen, so lässt es sein Anwalt wissen, RICHTER sei "außerhalb Deutschlands" promoviert worden.
  • Auch die Verkleinerung des Magens von Hannelore RICHTER in einer der "Sana-Kliniken AG" ist jetzt Gegenstand eines Prozesses. RICHTER hatte sich die Kosten unmittelbar von der AWO erstatten lassen, weshalb jetzt die Leiterin der Buchhaltung vor Gericht steht: 11.200 Euro.
    Weil wohl klar war, dass so etwas nicht geht, hatte Hannelore RICHTER darauf gedrungen, die Summe in 17 Einzelbuchungen aufzuteilen und die jeweiligen Beträge unterschiedlichen Kostenträgern aller Bereiche, u.a. auch verschiedenen Kitas, zuzurechnen. Alles wurde, kaum war die Aktion notwendig geworden, innerhalb von 16 Minuten abgewickelt, so der Wiesbadener Kurier am 14. Juni 2021.

2021

Rückzahlungen und Abfindungen

Der Schaden bei der AWO Wiesbaden wird inzwischen auf 6 Millionen Euro taxiert. Darunter 1,9 Millonen an gefälschten Abrechnungen. Zum Beispiel für Schein-Arbeitsverhältnisse.

Die betreffen z.B. die Frau Gemahlin des früheren Geschäftsführers Murat BURCU (95.000 €), die Tochter des Polizeikommissars GORES (105.000 €), die Ehefrau des früheren AWO-Kita-Leiters Klaus ROTH (116.000 plus Range Rover als Dienstwagen) u.a.m.

Umgekehrt will die AWO Frankfurt von der AWO Wiesbaden 3,2 Millionen zurück erstattet bekommen - zusätzlich zu der bereits geltend gemachten Forderung von 881.000 €, die als Spenden getarnt an die AWO Wiesbaden überwiesen worden waren.

Von Murat BURCU will die AWO Wiesbaden gar rund 20 Millionen € haben, und zwar für die Folgen seines wirtschaftlichen Handelns: Scheindarlehen an AWO-Mitarbeiter, um Barauszahlungen an die frühere Geschäftsführung zu generieren; Aberkennung der Gemeinnützungkeit wegen Veruntreuung und deshalb Nachzahlungen ans Finanzamt oder auch die von BURCU durchgewunkene Abrechnung für Hannelore RICHTER's Magen-OP.

Ein Teil der zurück zu erstattenden Gelder hat die Staatsanwaltschaft bereits bei diversen Razzien in den Privatwohnungen sichergestellt: Vermögenswerte in Höhe von 2,2 MIllionen Euro.

Uneinsichtigkeit ist offenbar ein wesentliches Kennzeichen von Menschen, die von Gier getrieben sind. So will Hannelore RICHTER von der AWO 1,8 Millionen Abfindung einklagen. Ihr Gemahl hatte ähnliches bereits in seinem Fall versucht, war aber krachend damit gescheitert.

März 2022

Frankfurt's OB Peter FELDMANN (SPD)

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt, die gegen den OB und dessen Ehefrau bereits ermittelt, weitet ihre Ermittlungen gegen den Oberbürgermeister aus: wegen Vorteilsnahme.

FELDMANN wurde offenbar bei seinem letzten Wahlkampf zum OB von der AWO durch Spenden finanziell unterstützt. Im Gegenzug dann das politische Versprechen, die Interessen der AWO "wohlwollend zu berücksichtigen." Jetzt liegt es am Gericht, ob es die Anklage der Staatsanwaltschaft zulässt.

Ende Mai 2022

Die Strafkammer des Landgerichts Frankfurt/Main lässt die Anklage der Staatsanwaltschaft zu. Peter FELDMANN, der trotz mehrfacher Rücktrittsforderungen nicht zurücktreten will, muss sich jetzt vor Gericht verantworten. Und wohl seine Verbindungen zur AWO offenlegen.

Was man bisher weiß: FELDMANN und Jürgen RICHTER kennen sich seit Jahren, u.a. aus der SPD-Nahen Jugendorganisation "Die Falken". FELDMANN hatte erste Jobs bei der AWO. Zuerst als Leiter einer Altenpflegeeinrichtung, dann in einer Stabsstelle der Frankfurter AWO. Die gab ihm finanzielle und zeitliche Rückendeckung, um seinen Wahlkampf zu organisieren.

Ende 2022

Inzwischen hat das zuständige Arbeitsgericht Wiesbaden Hannelore RICHTER in 1. Instanz zur Rückzahlung von rund 750.000 Euro verdonnert. Frau RICHTER mag das nicht akzeptieren, deswegen geht es jetzt in die nächste Instanz.

Vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt ist die Klage gegen Jürgen RICHTER auf Rückzahlung von rd. 2 Millionen derweil noch im Gange.

8.000 Euro musste "Dr. Richter" aber als Geldstrafe akzeptieren: Sein Doktortitel war ein Fake.

In Wiesbaden ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den dortigen Sozialdezernenten Christoph MANJURA (SPD). Er stand auf einer der rund 130 Mini-Jobber-Listen der AWO, mit denen sich der gemeinnützige Verein viele Leute bei Laune hielt.

November 2022

Seit Oktober läuft der Prozess wegen Vorteilsnahme gegen den OB Peter FELDMANN. Am 6. November gibt es einen Volksentscheid: 95% der Frankfurter sprechen sich für eine Abwahl aus. Seine Amtszeit endet am 11. November 2022

Das Kapitel AWO dürfte noch lange nicht zu Ende sein.

Hinweis:

Diesen Text können Sie auch direkt aufrufen und verlinken unter  www.ansTageslicht.de/AWO-Hessen. Die Schilderung der Vorgänge in Thüeringen unter www.ansTageslicht.de/AWO-Thueringen. Und alle Texte zu den AWO-Skandalen unter www.ansTageslicht.de/AWO .

(JL)