Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 22.03.2006

von Ulrich GASSDORF

Kritik an Wahlverfahren

Hamburger Abendblatt , 22.03.2006 

Die rund 7000 Mitglieder des Hamburger Tierschutzvereins (HTV) sind zur Zeit aufgerufen, per Briefwahl bis zum 21. April einen Ersten Vorsitzenden zu wählen - die Qual der Wahl haben sie nicht: Für dieses Amt gibt es nur einen Kandidaten: Wolfgang Poggendorf. Und wer den 69jährigen nicht wählen möchte, also gegen ihn stimmen will, hat ein Problem: Denn auf dem Wahlzettel gibt es nur ein Kästchen mit der Überschrift "hier ankreuzen".

Experten kritisieren das Wahlverfahren: "Ein Verfahren für die Vorstandswahl, das darauf hinausläuft, daß im Extremfall der Vorsitzende nur mit seiner eigenen Stimme gewählt ist, erscheint nicht nur undemokratisch, sondern auch rechtlich bedenklich", sagt Stephan May, Hamburger Rechtsanwalt für Vereinsrecht. Dr. Axel Halfmeier (38) vom Seminar für Bürgerliches Recht an der Uni Hamburg hält das Wahlprozedere für wenig demokratisch. Die Mitglieder müßten wenigstens mit Ja oder Nein stimmen können, um eine etwaige Ablehnung des Kandidaten deutlich machen zu können.

Doch Wolfgang Poggendorf kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Bei der Bundestagswahl kann auch keiner mit Ja oder Nein stimmen. Es gibt eben nur mich als Kandidaten, weil kein anderes Mitglied für dieses Amt zur Verfügung steht."

Poggendorf, der von 1995 bis Ende vergangenen Jahres als HTV-Geschäftsführer arbeitete, ist bereits seit Anfang 2006 übergangsweise Erster Vorsitzender des HTV. Denn bereits im Oktober 2005 hatte der bisherige Erste Vorsitzende Klaus Nahrstedt sein Amt überraschend niedergelegt. Der amtierende sechsköpfige Vorstand wählte Poggendorf daraufhin zum Ersten Vorsitzenden. Für die aktuellen Vorstandswahlen wurde Poggendorf nach eigenen Angaben auf einer Vorschlagsliste von 45 Mitgliedern unterstützt. Einige Mitglieder des HTV sind enttäuscht, daß sie nur eine Wahl haben:

"Wofür machen wir eine Wahl, wenn es nur einen Kandidaten gibt? Eine demokratische Entscheidung kann man so etwas ja wohl nicht mehr nennen", sagt Hannelore H., langjähriges HTV-Mitglied. 

Auch für das Amt des Schatzmeisters steht nur ein Kandidat zur Verfügung: Manfred Elsen, der das Amt seit zehn Jahren bekleidet. Für die Wahl zur Zweiten Vorsitzenden kandidiert Kirsten Weckel, die seit 1998 im Amt ist. Aber immerhin fünf Kandidaten stellen sich als Beisitzer des Vorstands zur Wahl. Darunter die vier bisherigen Beisitzer und eine Tierärztin aus dem Tierheim. Hier haben die Mitglieder dann doch noch die Qual der Wahl: Denn sie müssen sich für vier der fünf Kandidaten entscheiden.