Im Gespräch mit Ulrich GASSDORF über seine Recherchen im Fall Poggendorf

"Generationen von Journalisten haben versucht, diesem Mann an den Kragen zu kommen"


Frage: 
Herr GAßDORF, Wolfgang POGGENDORF hat jahrelang Hand in Hand mit dem Hamburger Abendblatt zusammengearbeitet. Wie haben Sie ihn vor der Affäre erlebt? Wie war Ihre Zusammenarbeit mit ihm?

GAßDORF: Das Abendblatt konnte mit ihm immer sehr gute Geschichten machen. Er war unheimlich gerne in der Öffentlichkeit, natürlich nur positiv. Oft hat Herr POGGENDORF angerufen und selbst Geschichten angeboten, es ging meistens um Kampfhunde, weil man das natürlich aufbauschen konnte. Es gibt dazu auch eine witzige Geschichte. Als ich vor, ich glaube 5 oder 6 Jahren, Silvester auf Sylt feierte, klingelte am Neujahrsmorgen um 9 Uhr mein Handy. POGGENDORF erzählte irgendwas von einem entlaufenen Strauß, und dass man doch daraus was machen könnte.

Anfänglich war die Zusammenarbeit also gut, doch mit der Zeit habe ich auch seine Schattenseiten erlebt. Oft ging es um finanzielle Probleme mit der Stadt, schnell war mir klar wie ausgebufft POGGENDORF ist. Ich weiß auch, dass viele Kollegen von mir versucht haben, ihm an den Kragen zu kommen, aber er schaffte es immer irgendwie, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Und dann kam es ja irgendwann zu dem Moment, als ich ein Fax von einer älteren Dame bekam, das alles ins Rollen gebracht hatte…

Sie meinen Renate BECKENDORF?

Ja genau. Frau BECKENDORF, eine Leserin von uns, hat mir ein Fax geschrieben, indem sie sich über POGGENDORF's Unverschämtheit beschwerte. Ihr alter Freund hatte dem HTV eine Wohnung auf Sylt vererbt und BECKENDORF wollte nur ein paar Andenken. Doch POGGENDORF weigerte sich ihr irgendetwas aus der Wohnung zu geben. „Typisch Poggendorf“ dachte ich mir, spektakulär war das erst einmal nicht. Doch dann schrieb sie im letzten Satz, dass POGGENDORF übrigens selbst scharf auf die Wohnung sei. In diesem Moment habe ich dann gestutzt und gedacht, dass es doch eine interessante Geschichte sein könnte. So nahm das Ganze seinen Lauf.

Wie sind Sie dann bei Ihrer Recherche vorgegangen?

Zu aller erst habe ich Kontakt zu der Frau aufgenommen, um rauszufinden, um welche Immobilie es sich genau handelt. Dann habe ich den zuständigen Immobilienmakler und die ansässige Hausverwaltung rausgefunden. Auf meinen Anruf bei der Verwaltung hat der Sachbearbeiter glücklicherweise einfach doof reagiert. „Der dem die Wohnung gehörte, der ist doch verstorben? Wer hat die Wohnung denn jetzt gekauft? Etwa der vom Tierschutzverein“, fragte ich. Er sagte: Ja.

Ich vergewisserte mich dann noch, ob er auch wirklich Herrn POGGENDORF meinte und so kam die ganze Lawine ins Rollen.

Haben Sie sich bei der Hausverwaltung als Ulrich GAßDORF vom Hamburger Abendblatt gemeldet?

Ja! Ich habe mich gleich zu erkennen gegeben. Leute die im Umgang mit Presse nicht so geschult sind, wie unter anderem Sachbearbeiter, sagen entweder gar nichts oder ganz viel. In meinem Fall erfreulicherweise das Letztere und so hatte ich alle Informationen. Anschließend recherchierte ich, was so eine Wohnung im Durchschnitt kostet. POGGENDORF's Kaufpreis war mir bekannt, da ich diesen nämlich auch schon parallel bei POGGENDORF selbst anfragte. Er war sich keiner Schuld bewusst und antwortete, dass er die Wohnung für 130.000 gekriegt hat. POGGENDORF dachte in diesem Moment wirklich, er habe alle überlistet, da er alles belegen konnte und sogar seine eigene Gutachterin hatte, die den Kaufpreis bestätigte. Nachher stellte sich heraus, dass diese Dame alles für den HTV begutachtete.

Von Anfang an war ja schon klar, dass die Wohnung niemals nur 130.000 Euro wert sein konnte, deshalb habe ich die Immobilienpreise auf Sylt verglichen. POGGENDORF habe ich etliche Fragenkataloge geschickt, der wurde dann natürlich auch immer wütender und immer ungehaltener. So kam es dann zehn bis vierzehn Tage später zum ersten großen Artikel, dann ist ja auch diese Lawine losgebrochen.

Infolgedessen hat POGGENDORF das Hamburger Abendblatt mit unzähligen Gegendarstellungen und Unterlassung bombardiert. Das LKA kam ins Spiel und ermittelte. Das Abendblatt hatte fast jeden Tag eine Geschichte zum Thema, es meldeten sich einfach immer mehr Opfer des damaligen HTV-Chefs. Erst tauchte eine Wohnung dort auf, dann eine andere Wohnung hier und so kam es, für Hamburger Verhältnisse, zu einer Mega-Razzia ­- die Beamten waren gleichzeitig an 9 verschiedenen Orten, und ich war live bei POGGENDORF vor Ort.

Bei der Razzia stellten die Beamten 179.000 Euro auf POGGENDORF's privaten Konten sicher. Es kam nach und nach immer mehr raus. Bei dem Prozess wurde er in - ich glaube 10 Fällen - wegen Untreue verurteilt.

Wie haben Sie den Prozess erlebt?

Es waren unheimlich viele Zuschauer da, was bei dieser Art Prozess nicht so häufig ist. POGGENDORF hat im Endeffekt alles gestanden und sich schlussendlich auch mit brüchiger Stimme entschuldigt. Die Richter sind nicht zimperlich mit Ihm umgegangen, da er stets mit voller krimineller Energie gehandelt hatte.

Verfolgen Sie den Fall auch weiter, wissen Sie was er jetzt macht?

Natürlich, gerade gibt es eine neue Anzeige von der jetzigen Vorsitzenden. POGGENDORF soll Kampfhunde aus Hamburg nach Brandenburg verkauft haben, die in dort ja genau so schwer zu vermitteln sind. Diese sind dann weitergegangen nach Tschechien und dort wahrscheinlich für Hundekämpfe missbraucht worden. Ich bin auf jeden Fall dran, aber habe dazu noch keine neuen Erkenntnisse. Herr POGGENDORF wurde natürlich auch zu dem Thema angefragt, er schweigt aber dazu. Er ist jetzt Privatier, Rentner. Ich meine der Mann ist jetzt 74 Jahre alt, ich glaube wenn er 50 gewesen wäre, als der Fall passierte, würde er sicher wieder etwas versuchen. In seinem Alter will man wahrscheinlich nur noch die eigene Ruhe.

Wie ist die aktuelle Zusammenarbeit mit dem HTV-Vorstand?

Inzwischen klappt das ganz gut. Der aktuelle Vorstand ist sehr bemüht aber es gibt auch dort, und das ist kein Geheimnis, Dauerknatsch. Sie geben sich wirklich Mühe und wir geben uns auch Mühe. Dennoch ist es ganz offensichtlich, dass die Ägide POGGENDORF immer noch über dem Tierschutzverein schwebt.

 

(Interview: AP/JO
Foto: Michael RAUHE)