10minütiger Geisterflug über Spanien 2024

Lufthansaflug LH 1140: Frankfurt - Sevilla am 17. Februar 2024

Bekannt wurde der Vorfall erst ein Jahr später, am 22. Mai 2025. Da hatte die spanische Flugunfallbehörde CIAIAC ihren Technical Report “IN-001/2024” über den Vorfall veröffentlicht:

Rund 10 Minuten war der Airbus 321 mit seinen 199 Passagieren und 4 Flugbegleitern führerlos in der Luft über spanischem Boden. Der Captain war auf die Toilette gegangen, der Copilot hatte übernommen. Und dann geschah es: Der Copilot kollabierte ganz plötzlich. 

In der Sprache des spanischen Untersuchungsberichts (übersetzt): 

  • Der Copilot erlitt eine plötzliche und schwere Handlungsunfähigkeit, als er sich allein im Cockpit befand, und war nicht in der Lage, die übrige Besatzung auf seinen Zustand aufmerksam zu machen”
  • "Während seiner Handlungsunfähigkeit betätigte der Copilot versehentlich Schalter und nahm Einfluss auf die Flugsteuerung."

Zum Glück hatte er nicht versehentlich die Schalter für den Autopiloten und/oder das Autoschubsystem berührt. Bzw. umgelegt.

Niemand in der Kabine hatte davon etwas bemerkt. 

Rekonstruktion des "incapacitation"-Vorgangs

Wie sich der Copilot während des Anfalls unbewusst verhalten hatte, konnte die CIAIAC anhand der Blackbox rekonstruieren. Er muss ersteinmal wild um sich geschlagen haben. Die folgende Darstellung ist dem Technical Report, S. 14 entnommen:

 

Prof. Dieter SCHOLZ, der an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Flugzeugbau und Flugzeugsysteme lehrt, weiß, was das im schlechtesten Fall hätte bedeuten können:

  • Die unkontrollierten Bewegungen waren ganz nah am Schalter, um die Cockpittüre zu verriegeln (Position 3).
  • Und nur “mit viel Glück” hat der Co nicht aus Versehen den Autopiloten ausgeschaltet.

So gesehen grenzt der Vorfall schon an ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist.

Die Cockpit-Tür: verschlossen

Als der Captain nach rund 8 Minuten wieder ins Cockpit wollte, machte er das, was man üblicherweise macht: Derjenige, der wieder hineinwill, ‘klingelt’, konkret: gibt den Zugangscode ein. Der im Cockpit verbliebene Pilot überprüft mittels einer kleinen Kamera, wer “anläutet" (Fachsprache) und öffnet dann die Türe. Macht er das nicht, dann muss jener, der hineinwill, den Notfallcode in das Tastenfeld eingeben. Dann öffnet sich die Türe nach spätestens einer halben Minute automatisch. 

Im konkreten Fall blieb die Cockpittür - ersteinmal - verschlossen. Insgesamt 5 Mal hatte der Kapitän dern Zugangscode eingetippt. Dann erst mit dem Notfallcode versucht. Und wieder Sekunden warten. Sekunden, die zum Albtraum werden können. 

Doch bevor der Timer abgelaufen war, hatte sich der Copilot weitgehend wieder so ‘berappelt’, dass er den  “Cockpit Door”-Schalter auf “unlock” stellen konnte.

Ein zufällig anwesender Arzt unter den Passagieren konnte erste Hilfe leisten. Da der “Co” völlig blass im Gesicht war, stark schwitzte und sich seltsam verhielt, entschied sich der Captain, sofort den nächsten Flughafen anzusteuern, konkret: umzukehren und in Madrid zu landen. 

In der Abbildung des spanischen CIAIAC-Reports “IN-001/2024”, Seite 11, markiert Position 1 (10:24 Uhr) die letzte Kontaktaufnahme mit dem Fluglotsen, Position 2 den Zeitpunkt der “incapaciation” des Copiloten, Position 3 die vergeblichen Versuche der Flugsicherung, Kontakt mit dem Flugzeug aufzunehmen (10:34 Uhr) und Position 5, als der Captain wieder im Cockpit war und die Flugsicherung wegen eines “medical emergency” um Landeerlaubnis bat (10:43 Uhr).

Am Zielflughafen Sevilla landete die Maschine dann mit fünfeinhalb-stündiger Verspätung. 

 

Was mit dem Copiloten passiert war, liest sich im CIAIAC-Report zum Lufthansaflug LH 1140 vom 17. Februar 2024 so:

Assoziationen zum Absturz der Germanwings-Maschine 4 U 9252 im Jahr 2015?

Was dem Captain durch den Kopf geschossen kam, als er nach fünfmaligem “Anläuten” immer noch keinen Zutritt ins Cockpit bekam, und dies erst beim Eingeben des Notfallcodes möglich wurde, weil sich der im Cockpit verbliebene “Co” inzwischen wieder etwas berappelt hatte, können wir nur erahnen. Es müssen Sekunden gefühlter Unendlichkeit gewesen sein.

Beim tragischen Absturz der Germanwingsmaschine im Jahr 2015 war es ähnlich: Auf das “Anläuten” des Captain draußen in der Kabine hatte der “Co” im Cockpit nicht reagiert. Vielleicht nicht (mehr) reagieren können. Wir wissen es nicht.

Und: Der Captain hatte und/oder konnte nicht den Notfallcode eingeben. Warum, das wissen wir ebenfalls nicht. Wir können niemanden mehr befragen. 

Im Abschlussbericht der französischen Flugunfallbehörde BEA steht dazu dies auf S. 36:

"Die Möglichkeit, dass es sich um die Eingabe des Notfallcodes handelt, der nach 980 ms durch eine Bewegung des Kippschalters im Cockpit beendet wird, als höchst unwahrscheinlich betrachtet.

Bedeutet: der Notfallcode wurde ganz offensichtlich nicht benutzt. 

Bis heute stützen sich selbst kritische Medien auf das im Jahr 2015 nach 48 Stunden offiziell ausgegebene Narrativ, dass der damalige Copilot Andreas LUBITZ dies absichtlich gemacht hätte, um den Kapitän auszusperren und sich und alle anderen 145 Passagiere bewusst mit in den Tod zu reißen. So z.B. auch das Nachrichtenmagazin SPIEGEL-ONLINE, bei dessen Redakteuren der Vorfall vom Februar 2024 “böse Erinnerungen” auslöst.

Wir haben die vielen Ungereimtheiten und Widersprüche im Zusammenhang mit dem Absturz der Germanwings-Maschine 4 U 9525 im Jahr 2015 detailliert zusammengetragen und unter www.ansTageslicht.de/Absturz dokumentiert: Es sind immer noch viele Fragen offen!

Und eine neue tut sich auf:

Hat die Lufthansa aus dem tragischen Unglück von 2015 eigentlich gelernt, als sie von der anschließend für eine Weile praktizierten Regel, dass immer 2 Personen im Cockpit sein müssen, inzwischen wieder abgewichen ist? Dass also, wenn einer der Piloten das Cockpit verlässt, dafür ein Mitglied der Crew ins Cockpit muss? Um eben solche Vorkommnisse besser abfedern zu können?

Der jetztige Vorfall ist aufrufbar unter www.ansTageslicht.de/Lufthansa-Geisterflug.

(JL)