Der "BND" - Ausschuss im Parlament: eine (längere) Chronologie

Wie irgendwann die Abgeordneten reagieren (mussten)

Dezember 2005:

Seit den Ereignissen des 11. September 2001 werden elementare Menschenrechte teilweise zum Spielball politischer Macht und des von George W. BUSH initiierten "Krieges gegen den Terror": Die USA verschleppen weltweit Personen, die ihnen verdächtig erscheinen und kerkern sie entweder in dem rechtsfreien Raum Guantanamo ein oder in anderen ausländischen Gefängnissen, wo man nicht so genau hinschaut. Dazu gehören Länder in Osteuropa, aber auch Afghanistan und teilweise auch so genannte Schurkenstaaten. "Rendition Flights" werden die CIA-Praktiken genannt.

Aus Deutschland wurde Ende 2003 der Deutsch-Libanese Khaled EL MASRI während eines Urlaubs in Mazedonien verschleppt. Angeblich ein Irrtum. Er kommt erst 1 ½ Jahre später, im Juni 2004, wieder in Deutschland an. Sein Schicksal haben wir unter Der Fall EL MASRI dokumentiert.

Sehr viel länger "unterwegs" ist der 19-jährige Türke Murat KURNAZ aus Bremen: er war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort: Anfang Oktober 2001 in Pakistan. Von US-Häschern brutal gepackt wird er nach Guantanamo verbracht – ein Anwalt darf nach 2 ½ Jahren erstmals mit ihm sprechen. Frei - und zurück nach Deutschland - kommt er erst im August 2006 – nach 4 ½ Jahren Folterhaft in Guantanamo: Murat KURNAZ.

Zuvor, im Herbst 2005 hatte in Berlin die Regierung gewechselt: Die Große Koalition löst Rot-Grün ab und der ehemalige Chef des Kanzleramts, der die Rückkehr von KURNAZ intensiv hintertrieben hatte und zuständig für die Geheimdienste war, ist jetzt Außenminister: Frank-Walter STEINMEIER, SPD.

Sein Innenministerkollege Wolfgang SCHÄUBLE, ausgewiesener Hardliner innerhalb der CDU, gibt zu, was DER SPIEGEL bereits 2 Jahre zuvor enthüllt hatte: Auch deutsche "Dienste" haben Gefangene in Guantanamo verhört. Z.B. Murat KURNAZ.

Im Dezember 2005 will deshalb die "liberal" orientierte FDP in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung wissen, inwieweit und durch wen sie Kenntnis von dieser Entführung hat, welche Rolle der BND dabei spielt und was sie konkret zu tun gedenke. Jetzt räumt die Bundesregierung auch offiziell ein, dass KURNAZ durch deutsche Beamte verhört worden war. Kanzlerin Angela MERKEL meint noch dazu, dass eine Institution wie Guantanamo nicht auf Dauer existieren dürfe.

Zu dieser Zeit - Januar 2006 - sind es zwei Vorgänge, die das weitere Geschehen bestimmen:

  • Die Linkspartei will einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um die Rolle des BND zu klären.

  • Abends geht panorama mit den Rechercheergebnissen des Freien Journalisten John GOETZ auf Sendung: Der BND hatte 2003 den Amerikanern in Bagdad bei Luftangriffen geholfen -


Ab hier setzt die Rekonstruktion der Ereignisse in der nachfolgenden Chronologie ein:

11.01.2006

Wie u.a. DER SPIEGEL vorab berichtet, soll der deutsche Geheimdienst BND Informationen des TV-Magazins panorama zufolge, die USA beim Irak-Krieg unterstützt haben. Laut panorama sollen zwei BND-Agenten nach Schließung der deutschen Botschaft und Abzug der Diplomaten im Irak geblieben sein. Sie seien in die französische Botschaft eingezogen und hätten von dort, als Diplomaten getarnt, weiter an ihre Zentrale in Pullach berichtet. 
Der BND hatte panorama gegenüber den Verbleib seiner beiden Agenten im Irak bestätigt. Aber nicht mehr.


12.01.2006

Am Morgen veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung einen großen Bericht, in dem u.a. auf eine Sendung des Politmagazins vonpanorama (NDR) hingewiesen wird: 
"BND half Amerikanern im Irak-Krieg"
Da auch SPIEGEL ONLINE über diesen Vorgang berichtet, geht die panorama-Enthüllung schnell durch alle Medien: 
"BND soll USA im Irak-Krieg unterstützt haben"

Der BND dementiert diese Vorgänge sofort. Gegen 14 Uhr indes gibt die Pressestelle des BND zu, bei der Identifizierung von "Non-Targets" mit den Amerikanern in Bagdad zusammengearbeitet zu haben. "Non-Targets" sind zivile Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser usw.
Der jetzige Außenminister und ehemalige Kanzleramtsminister, Frank-Walter STEINMEIER, bestätigt auf Nachfrage seitens der Medien die Anwesenheit von BND-Agenten im Irak. Sie sollten Informationen über den Verlauf des Irak-Krieges und die Entwicklung des Iraks liefern. Eine "aktive Unterstützung von Kampfhandlungen" wäre dabei ausgeschlossen gewesen. Auch da der BND und seine Mitarbeiter an die Entscheidung der Bundesregierung, den Krieg im Irak nicht zu unterstützen, gebunden seien.

Der ehemalige Außenminister, Joschka FISCHER von den Grünen, zeigt sich entsetzt über die Berichte: "Der Sachverhalt sagt mir nichts." Er fordert eine Aufklärung der Vorwürfe. DER SPIEGEL berichtet, aus Fraktionskreisen hätte es geheißen, FISCHER hätte nur gewusst, dass nach dem Ausbruch des Irak-Krieges zwei BND-Mitarbeiter im Irak gewesen sind. "Dies sei auch allgemein bekannt gewesen."

Die Linkspartei beschließt auf einer Klausur in der Nähe von Magdeburg, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Klärung der Rolle des Bundesnachrichtendienstes bei den US-Militäraktionen im Irak im Jahre 2003 zu beantragen. Der Parteivorsitzende Oskar LAFONTAINE bezweifelt, dass der derzeitige Außenminister Franz-Walter STEINMEIER – damals Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt – nichts von den Vorfällen wusste.

Am Abend geht panorama dann mit dem enthüllenden Bericht "Bomben auf Bagdad - Deutsche Agenten am Irakkrieg beteiligt"auf Sendung. Autor: John GOETZ. 
Der Bericht rekonstruiert die Tätigkeiten der BND-Agenten im Irak, die vor Ort in Bagdad Informationen und Koordinaten an die Amerikaner weitergegeben haben sollen. Konkret wird über das Geschehen am 7. April 2003 berichtet. An diesem Tag sollen die beiden Agenten US-Hinweise, die auf die Anwesenheit von Saddam HUSSEIN in einem Bagdader Restaurant hindeuteten, bestätigt haben. Kurz darauf bombten die Amerikaner einen ganzen Häuserblock in Schutt und Asche. Ergebnis dieser Aktion: viele Verletzte, mindestens 12 Tote. Saddam HUSSEIN war nicht darunter


13.01.2006

Da der BND vehement dementiert, wird John GOETZ von tagesschau.de zu seinen Recherchen und weiteren Hintergrundinformationen interviewt. Der Journalist betont den Umstand, dass die USA seit Anfang der 90er Jahre keine Botschaftsvertreter im Irak mehr haben und schon deshalb auf Leute angewiesen sind, die sich dort auskennen und mit den Amerikanern "gut können". Dazu gehörten eben mal nun die Deutschen, die noch in Bagdad waren bzw. dort bleiben sollten. Das Interview können Sie an dieser Stelle nachlesen.

Am selben Tag tagt das parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Deutschen Bundestages, das die Tätigkeit der Geheimdienste kontrollieren soll und dies jeweils unter Ausschluss der Öffentlichkeit macht. Die wenigen Bundestagsabgeordneten lassen sich über einen möglichen Einsatz des BND in Bagdad informieren: von der Bundesregierung.


16.01.2006

DER SPIEGEL berichtet in seiner neuen Ausgabe Nr. 3, dass der BND bereits im Oktober 2002 ein Konzept für den Einsatz in Bagdad entwickelt habe: man wollte "eine kleine Nachhut in Bagdad platzieren." Er kennt auch die Namen der beiden Geheimdienstler: "Volker H." und "Reiner M." Der Plan wurde dem BND-Chef August HANNING vorgelegt, der holte sich das "ok" vom Chef des Bundeskanzleramts, Frank-Walter STEINMEIER (SPD). DER SPIEGEL hat eine weitere Geschichte: einen kleinen Bericht seines Korrespondenten vor Ort, der die beiden BND-Leute dort sogar persönlich getroffen hat.


17.01.2006

Nach der Linkspartei sprechen sich auch die FDP und die Grünen mehrheitlich für den Untersuchungsausschuss aus. Bei den Grünen lehnt einzig und allein der damalige Außenminister Joschka FISCHER, zu dieser Zeit Mitglied der grünen Bundestagsfraktion, den Ausschuss ab. Der Untersuchungsausschuss soll neben den BND-Aktivitäten im Irak auch die umstrittenen CIA-Flüge, die so genannten "renditions flights", und die Vorgänge um die Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled EL MASRI behandeln.


18.01.2006

Die panorama-Redaktion entschließt sich, den Wortlaut der Aussagen des Informanten in einer Pressemitteilung vollständig bekannt zu geben. Gleichzeitig weist panorama darauf hin, dass die diversen Dementi des BND an diesen Aussagen völlig vorbeigehen. Mit anderen Worten: der BND dementiert Dinge, die gar nicht behauptet wurden. Eine solche Strategie praktiziert man üblicherweise als Ablenkungsmanöver. 
Mehrere Journalisten und Medien zweifeln dann auch an der panorama-Story, behaupten sogar, dass sich die Redaktion seitens der USA habe instrumentalisieren lassen. Das Nachrichtenmagazin Focus (Ausgabe 16.1.) spricht von "Gerüchte-Enthüllern" und einer "TV-Ente". Das RTL-Nachtjournal meinte bereits am 12.1.: "Hier fallen Journalisten darauf rein und helfen gleichzeitig der US-Regierung dieses Rot-Grüne Nein noch nachträglich zu entwerten, gleichzeitig Schröders damaligem, engsten Mitarbeiter und heutigen Außenminister Steinmeier zu diskreditieren und schließlich auch der neuen Regierung zu bedeuten, wo Barthel den Most holt".
Auch das NDR-Magazin Zapp meldet sich mit einem Beitrag zu Wort: Der Redaktionsleiter von panorama, Stefan WELS, muss allerdings zugeben, dass es in dem fraglichen Bericht eine nicht wirklich bestätigte Lücke hinsichtlich des Ereignisses am 7. April, als die beiden BND-Agenten angeblich für die US-Amerikaner den Aufenthaltsort von Saddam Hussein verifiziert haben, gibt: "Was nicht bestätigt ist, ist der Hergang des 7. April. Und da steht die Schilderung des Mannes gegen ein klares Dementi. Uns hat aber die Gesamtschau dazu bewogen, dass wir gesagt haben: der Mann ist in vielen Teilen so klar bestätigt, dass wir gesagt haben: auch die Gesamtaussage erscheint uns so relevant, dass wir sie publizieren können." Insgesamt steht panorama aber zu seiner Enthüllung.


19.01.2006

Die Oppositionsparteien können sich auf keinen gemeinsamen Auftrag einigen. Die Grünen haben die Sorge, dass die beiden Oppositionsparteien LINKE und FDP mit der rot-grünen Regierungspolitik abrechnen wollen. Hintergrund ist ein von der FDP verfasster Antragsentwurf, in dem sie Aufklärung zu den politischen Vorgaben der rot-grünen Bundesregierung für das Handeln deutscher Sicherheitsbehörden verlangt. Damit ist noch unklar, ob es tatsächlich zu einem Parlamentarischen Ausschuss (PUA) kommt, denn für die Einsetzung eines solchen Gremiums wären mindestens 154 der insgesamt 166 Oppositionsstimmen im Bundestag erforderlich. Das wären 25% aller im Bundestag vertretenen Abgeordneten – die für einen PUA notwendige "Mehrheit".


20.01.2006

Außenminister STEINMEIER warnt in einer Rede vor dem Bundestag die Oppositionsparteien davor, den auf der Kippe stehenden Untersuchungsausschuss einzuberufen. In seiner Rede fordert er die beiden Parteien Grüne und FDP zum Nachdenken über die Folgeschäden auf, die für den Bundesnachrichtendienst entstehen könnten. Ferner weist er darauf hin, dass das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) dem BND im Irak "keine Fehler" nachweisen konnte. Bei der Unterstellung, dass der BND sich aktiv am Irak-Krieg beteiligt hat, handele es sich um einen durchsichtigen Versuch, "das eindeutige Nein der Bundesregierung zum Irak-Krieg nachträglich ins Zwielicht zu stellen", sagt STEINMEIER. Er räumt in seiner Rede aber ein, dass Deutschland durch die Erlaubnis von Überflug- sowie Start- und Landerechte, durch den Schutz militärischer Objekte und durch die Bereitstellung logistischer Basen den USA geholfen hätte. "Und wir haben selbstverständlich auch die Zusammenarbeit unserer Dienste nicht suspendiert", so STEINMEIER.


24.01.2006

Nachdem bekannt wird, dass die Grünen in Wartestellung gehen, verständigen sich die FDP zusammen mit der Linkspartei - ohne Einbeziehung der Grünen - darauf, allen Bundestagsabgeordneten einen Gruppenantrag vorzulegen, um auch ohne die Stimmen der Grünen den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss durchzusetzen. Der Knackpunkt ist aber, dass mindestens 39 Abgeordnete von der SPD und/oder der CDU zustimmen müssten. Dies gilt als unwahrscheinlich. Mit dem Gruppenauftrag wollen die beiden Oppositionsparteien aber auch ein klares Signal setzen, dass der Ausschuss möglicherweise an den Grünen scheitern könnte – parlamentarische und politische Ränkespiele.


25.01.2006

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) setzt seine Untersuchungen zu den Aktivitäten des BND im Irak fort. Das Gremium fordert die Bundesregierung auf, einen umfassenden schriftlichen Bericht zu den aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz zweier BND-Mitarbeiter in Bagdad im Jahre 2003 vorzulegen. Die Bundesregierung sagt zu, den Mitgliedern des Gremiums diesen Bericht rechtzeitig vor der nächsten Sitzung des Gremiums am 22. Februar 2006 zur Verfügung zu stellen.


Anfang Februar 2006

DER SPIEGEL meldet sich in Sachen Murat KURNAZ zu Wort: "Falsche Zeit, falscher Ort" 
Aus dem Artikel geht hervor, dass KURNAZ schon kurz nach seiner Einlieferung in dem US-Foltergefängnis Guantanamo als unschuldig gegolten hat. Darüber hinaus wird der Fall "Kurnaz" von seiner Gefangennahme an bis zum aktuellen Zeitpunkt rekonstruiert und die Beteiligung der deutschen Bundesregierung kritisch untersucht:


  • KURNAZ wurde im September 2002 von Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und dem BND auf Guantanamo verhört. In ihrem abschließenden Bericht wurde KURNAZ als unschuldig beschrieben

  • Während eines Treffens einiger Staatssekretäre mit den Chefs von BND, BKA und Bfv am 29. Oktober 2002 wurde beschlossen, ein Angebot der USA zur Freilassung von KURNAZ abzulehnen: aus Sicherheitsgründen

  • Um KURNAZs weitere Haft in Guantanamo zu rechfertigen, erheben die USA schwere Vorwürfe gegen ihn. Eine als "Top-Secret" eingestufte Gefährdungseinschätzung wird präsentiert, die ihn als Terroristen darstellt.

  • Zum Zeitpunkt des Erscheinens des SPIEGEL-Artikels verhandeln deutsche Diplomaten und Sicherheitsexperten erneut mit der US-Regierung über eine mögliche Freilassung von KURNAZ.

15.02.2006

Die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE stellen in einer kleinen Anfrage der Bundesregierung insgesamt 29 kritische Fragen zu dem BND-Einsatz im Irak. Die Fragen sollen klären, ob der BND während des Irak-Krieges amerikanischen Streitkräften geholfen hat. Die LINKE bezieht sich dabei auf die Berichterstattungen von panorama, der Süddeutschen Zeitung und dem SPIEGEL. Hier einige zentrale Fragen daraus:

"19. Welche genauen Informationen sollten gesammelt und weitergeleitet werden, damit sich die Bundesregierung ein getreues Bild über den Kriegsverlauf bilden konnte?"
"21. Wohin sollten diese Informationen ggf. geleitet werden, und wohin sind sie tatsächlich geleitet worden?" 
"24. Trifft es zu, dass es – wie die "Süddeutsche Zeitung" vom 12. Januar 2006 berichtete – ein Gespräch zwischen Mitarbeitern des BND und Mitarbeitern der DIA gab, und wenn ja, was war Gegenstand dieses Gespräches, und welche Vereinbarungen wurden dort ggf. getroffen?"


17.02.2006

Nachdem im Fall KURNAZ durch Kanzlerin MERKEL endlich Bewegung gekommen ist, wird in der so genannten "Präsidentenrunde" entschieden, "dass eine mögliche Einreise (KURNAZS) akzeptiert wird". Die Präsidentenrunde ist ein wichtiges Gremium zur nachrichtendienstlichen Lage, das sich aus den Spitzen von BND und Bundesverfassungsschutz sowie aus den Staatssekretären von Kanzleramt, Bundesinnenministerium und Auswärtigem Amt zusammensetzt. Die Kanzlerin hat sich zuvor, nachdem eine US-Bundesrichterin festgestellt hatte, dass KURNAZ zu unrecht in Guantanamo festsitzt, für den in Bremen aufgewachsenen Türken eingesetzt. Am 13.01.2006 hatte sie den Fall KURNAZ bei ihrem Antrittsbesuch in den USA bei Präsident BUSH angesprochen.


20.02.2006

Die Staatsanwaltschaft Neu-Ulm beginnt (erneute) Untersuchungen darüber anzustellen, inwiefern Deutschland als stiller Partner der USA im Falle EL MASRI fungierte. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob "Sam" – jener, der El MASRI in Afghanistan verhört hatte - ein Deutscher ist. Die Bundesregierung, legt wie am 25.01.2006 vom Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) gefordert, ihren Bericht zu den "Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" vor.


22.02.2006

Das parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), in dem auch die Vertreter der Regierungsfraktion im Bundestag die Mehrheit haben, legt seine 39seitige Bewertung zu diesem Bericht der Bundesregierung vom 20.02.2006 vor:

Darin heißt es u.a. gleich auf Seite 4.: „6. Das Kontrollgremium ist zu der Überzeugung gelangt, dass der in der Presse erhobene Vorwurf einer Beteiligung von BND-Mitarbeitern an operativen Kriegshandlungen im Irak – vor allem an der Bombardierung eines Restaurants im Stadtteil Mansour in Bagdad am 7.April 2003 – jeglicher Grundlage entbehren. Die anders lautende Medienberichterstattung ist widerlegt.“

Die Bundesregierung wird ihren eigenen Bericht einen Tag später der Öffentlichkeit zugänglich machen. Allerdings nur teilweise.

Christian STRÖBELE, Stellvertretener Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion im PKGr, sagt in der Mitteldeutschen Zeitung, dass er mit Sicherheit ein Minderheitenvotum abgeben werde, denn mit dem Bericht der Bundesregierung sei er nicht einverstanden. Die Bundesregierung habe zwar in den Fällen Khaled EL MASRI und in den BND-Verhören des in Syrien inhaftierten Mohammed ZAMMAR weitestgehend zur Aufklärung beitragen können, doch dies gilt nicht für die Arbeit der beiden BND-Agenten im Irak. STRÖBELE sagt weiter, dass es für eine Unterstützung der US-Luftkriegsführung durch den BND eindeutige Belege in den bisher bekannt gewordenen Dokumenten gebe, von der weder die Bundesregierung noch der BND gewusst hätten. Damit sei gegen eine "eindeutige Weisungsbefugnis der Bundesregierung" verstoßen worden, so STRÖBELE. Trotzdem wolle er sich noch nicht festlegen, ob eine Vorentscheidung zu der Haltung seiner Partei hinsichtlich des Untersuchungsausschusses nun endgültig gefallen ist. Indes lässt die grüne Fraktion verlauten, dass alle Fakten auf den Tisch müssen, sonst sei ein Untersuchungsausschuss unvermeidlich. Grüne und Linkspartei fordern zudem weitere Aufklärung im Fall Khaled EL MASRI.


23.02.2006

Veröffentlichung des Berichtes der Bundesregierung (öffentlicher Teil)
Für die Öffentlichkeit zugänglich ist dabei jener Teil, der sich im Wesentlichen mit den Vorgängen im Irak und den mutmaßlichen Kenntnissen der Bundesregierung über angebliche Flüge von Nachrichtendiensten und Geheimgefängnisse befasst.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen sind Teile, die sich mit Einzelfällen befassen, für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Dies betrifft die Darstellung von angeblichen Verschleppungen Einzelner durch ausländische Nachrichtendienste sowie die Befragung von einzelnen Personen durch deutsche Sicherheitsbehörden.

Der Abgeordnete Max STADLER von der FDP nimmt im ersten Abschnitt Anmerkungen zum Schlussbericht der Bundesregierung zu dem Aufklärungswillen der Bundesregierung Stellung. Er kommt zu dem Schluss, dass die Bundesregierung und die Koalitionsparteien zu den Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden und zu Fragen der politischen Vorgaben, zumindest in der Anfangsphase versucht haben, eine öffentliche Auseinandersetzung zu verhindern. Erst als u.a. die FDP mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses drohte, sei laut STADLER die Informationspolitik seitens der Bundesregierung im Kontrollgremium offensiver geworden. Im zweiten Abschnitt des Berichts weist er zu dem BND-Einsatz in Bagdad, den CIA-Flügen und CIA-Gefängnissen, der Person EL MASRI und den Vernehmungen im Ausland auf noch ungeklärte Fragen hin. Dabei nennt er auch einige Kritikpunkte.

Christian STRÖBELE, Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen weist in seiner abweichenden Bewertung zu dem Bericht der Bundesregierung ebenfalls darauf hin, dass einige Fragen ungeklärt geblieben sind oder nicht ausreichend genug beantwortet wurden. Z.B. führt er Zweifel an der Bewertung folgender Fragepunkte an:


  • Einheit der Auftrags- und Weisungslage

  • Zum Erhalt der tatsächlichen Meldungen aus Bagdad

  • Zu den Kommunikationswegen

  • Zur Zusammenarbeit mit den US-Stellen


Insgesamt kommt er zu folgendem Ergebnis:
"Die Informationen aus Bagdad waren – anders als die Mehrheit des Gremiums annimmt - für die alliierten Streitkräfte für konkrete Kampfhandlungen ganz offensichtlich von Belang und dazu geeignet, die Streitkräfte in der taktischen operativen Kriegführung zu unterstützen."

Wolfgang NESKOVIC (Linkspartei), der wie STADLER und STRÖBELE dem Parlamentarischen Kontrollgremium angehört, wirft in seiner abweichenden Bewertung der Bundesregierung Rechtsbruch und Täuschung der Öffentlichkeit vor und betont dabei die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses. Hier ein Auszug aus seiner abweichender Bewertung:

"1. Die Strategie der Bundesregierung, einen Untersuchungsausschuss dadurch zu vermeiden, dass dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) an gesonnen wird, den von der Bundesregierung angefertigten Bericht im Lichte der vorgenommenen Beratungen des Gremiums zu bewerten, läuft auf einen glatten Rechtsbruch durch das Gremium und auf Täuschung der Öffentlichkeit hinaus. Nach der eindeutigen Gesetzeslage ist es dem PKGr nicht gestattet, die gewünschte Bewertung öffentlich vorzunehmen. Außerdem fehlen dem Gremium die für eine verlässliche Sachverhaltsfeststellung erforderlichen Aufklärungsinstrumente. Über diese verfügt allein ein Untersuchungsausschuss."

Die Pressestelle des Deutschen Bundestages gibt die Meldung 061/2006 heraus: "Kontrollgremium: BND-Mitarbeiter nicht an Kriegshandlungen im Irak beteiligt". Dass sich BND-Leute dort aufgehalten haben – im Gegensatz zur offiziellen Verlautbarung – wird allerdings nicht (mehr) bestritten. Zitat: 
"Der in der Presse erhobene Vorwurf, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) seien an operativen Kriegshandlungen im Irak beteiligt gewesen, entbehrt nach Überzeugung des Parlamentarischen Kontrollgremiums jeglicher Grundlage"

Hier können Sie die Bewertung des parlamentarischen Kontrollgremiums zum Bericht der Bundesregierung nachlesen.


02.03.2006

Der BND bestätigt die Anwesenheit eines seiner Mitarbeiter im Hauptquartier der US-Streitkräfte in Quatar. Während des Irakkrieges war der BND-Mitarbeiter dort unter dem Decknamen "Gardist" stationiert und soll Informationen der BND-Agenten an die USA weitergegeben haben. Laut BND sollen sich darunter jedoch keine kriegsrelevanten Informationen befunden haben.


07.03.2006

Die Grünen, Linkspartei und FDP halten an der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zur BND-Affäre fest, sehr zum Unwillen der Bundesregierung

Die Bundesregierung antwortet mit "Der BND-Einsatz im Irak im Jahr 2003 während des Krieges" auf die "kleine Anfrage" der Oppositionsparteien vom 15. Februar. Sie weist auf ihren bereits am 23. Februar veröffentlichten Bericht hin, um die seinerzeit gestellten Fragen zu beantworten. Lediglich auf 3 der insgesamt 29 Fragen geht sie gesondert ein. Während sie bei den Fragen 1 und 8 darauf hinweist, dass sie bei Fragen bzgl. der BND-Aktivitäten zur Geheimhaltung verpflichtet ist und nur dem dafür zuständigen Gremium des Deutschen Bundestages antworten wird, gibt sie auf die Frage, ob Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) einen Nachhut-Auftrag im Irak hatten, um wichtige Informationen zum Schutz der Bundeswehrkräfte in Kuwait zu sammeln, folgende Antwort: "Die Aufgaben und Befugnisse des MAD während besonderer Auslandsverwendungen der Bundeswehr sind gemäß § 14 Abs. 5 MADG zeitlich und räumlich auch durch die Auslandsverwendung der Bundeswehr begrenzt"


08.03.2006

Grundsatzdiskussionen der Oppositionsparteien zum geplanten Untersuchungsausschuss und dessen konkreten Zielen. Die Bundesregierung hingegen fürchtet um die Beeinträchtigung der Zusammenarbeit der verschiedenen Geheimdienste und appelliert an die Diskretion des Untersuchungsausschusses.


09.03.2006

In der Presseerklärung "Sicherheitsexperte bewertet BND-Einsatz als hilfreich für die US-Kriegsführung" der panorama-Redaktion, beschreibt Prof. Hans-Joachim GIESSMANN vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, dass die gelieferten Informationen von BND-Agenten an die USA von großer militärischer Bedeutung waren und damit der US-Armee bei ihren militärischen Interventionen im Irak unterstützt haben.
Weitere Kritik übt der Sicherheitsexperte an den Behauptungen, dass die Informationen zeitverzögert weitergeben worden sind und dass auf Grundlage von deutschen Informationen keine Bombardierungen stattgefunden haben sollen.
panorama sendet an diesem Tag einen zweiten Bericht zum umstrittenen Thema: "Operation Nebelkerze - Der BND und die Bomben auf Bagdad"
Der Bericht zeigt eine Abfolge verschiedener Erklärungsversuche zu den Aktivitäten des BND im Irakkrieg und lässt verschiedene Abgeordnete und Politikexperten beider Seiten zu Wort kommen. Folgende offizielle "Feststellungen" aus dem Bericht der Bundesregierung werden angesprochen:

1. Der BND lieferte keine Koordinaten
Dazu Hans-Christian STRÖBELE, Mitglied im PKGr: "Zu meiner Überraschung sind Koordinaten geliefert worden. Aber es sind welche geliefert worden, eine ganze Reihe von Objekten aus Bagdad, und bei mindestens acht Objekten sind die Koordinaten auch an US-Stellen weitergeleitet worden."
2. Die weitergegebenen BND-Meldungen waren veraltet
Prof. Hans-Joachim GIESSMANN, Institut f. Friedensforschung und Sicherheitspolitik: "Aus dem Bericht ist ersichtlich, dass eine Reihe von Informationen sehr kurzfristig weitergegeben worden sind. Insofern stimmt nicht, dass alle Informationen nur mit erheblicher Verzögerung weitergegeben wurden. Und selbst Informationen, die miterheblicher Verzögerung weitergegeben worden sind, können auch militärisch interessant sein, weil sie, im Verbund mit anderen Informationen, sich zu einem Puzzle zusammenfügen, das letztlich für die militärischen Planer sehr wohl von Bedeutung sein kann."


15.03.2006

Nachdem

  • am 12. Januar das öffentlich-rechtliche Fernsehmagazin panorama (NDR) einen Bericht mit dem Titel Bomben auf Bagdad - Deutsche am Irakkrieg beteiligt gesendet hatte und die aktuelle Bundesregierung (Große Koalition) in Erklärungsnot geraten ist

  • und seit Anfang Januar erst die NewYork Times und dann in dichter zeitlicher Folge die Süddeutsche Zeitung sowie das ZDF-Magazin Frontal21 über den Fall des entführten Deutsch-Libanesen El MASRI berichten und

  • die Bundesregierung, insbesondere auch Kanzlerin Angela MERKEL um das Schicksal des auf Guantanamo eingekerkerten Murat KURNAZ wissen

  • außerdem durch den Journalisten John GOETZ die Existenz des irakischen BND-Informanten mit dem Decknamen "Curveball" enthüllt wurde,

werden die Aktivitäten in der Hauptstadt Berlin immer hektischer: Die Parlamentarier wollen wissen, ob das alles stimmt und wie das alles zusammenhängt.
Über die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Vorfällen und die mediale Berichterstattung, die letztlich die öffentliche Diskussion vorantreibt und den Druck auf die Politik erhöht hat, gibt die nachfolgende Grafik einen kleinen Überblick:

Die 157 Abgeordneten der drei Oppositionsparteien unterschreiben den Antrag zur Einberufung des Untersuchungsausschusses. Damit ist die dafür benötigte Anzahl von 154 Abgeordneten sogar übertroffen worden. Während die Linkspartei geschlossen für den Antrag stimmt, lehnt bei den Grünen genau 1 Abgeordneter den Untersuchungsausschuss ab. Joschka FISCHER, der grüne Ex-Außenminister von Rot-Grün, hatte sich bisher stets gegen einen solchen Ausschuss ausgesprochen. Bei der FDP stimmen 58 der 61 Mitglieder für den Ausschuss.


17.03.2006

FDP, Grüne und Links-Fraktion einigen sich auf einen gemeinsamen Auftrag. Dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) sollen insgesamt sieben Mitglieder angehören. Union und SPD stellen jeweils 2 Mitglieder, die Oppositionsparteien sind mit je einem Mitglied vertreten: Damit stehen 4 Mitgliedern der Regierungsfraktionen CDU und SPD nur 3 Mitglieder aus den Oppositionsparteien FDP, LINKE, Grüne gegenüber. Der Arbeitsauftrag umfasst 29 Fragestellungen, die in mehrere Themenkomplexe unterteilt sind:


  • Einsatz der BND-Agenten in Bagdad

  • die geheimen CIA-Flüge und Gefängnisse

  • die geheimnisvolle Verschleppung des Deutsch-Libanesen EL MASRI

  • die Frage, ob die deutsche Sicherheitsbehörden Reisedaten u.a. im Fall KURNAZ an US-amerikanische Behörden weitergegeben haben

20.03.2006

Die Bundesregierung erklärt, dass eine Zustimmung des Parlaments zum Aufenthalt der BND-Agenten im Irak nicht nötig gewesen sei, da es sich um keinen militärischen Einsatz gehandelt habe.


März 2006

Die US-Behörden wollen KURNAZ nur aus der Haft entlassen, wenn er in Deutschland ständig überwacht werden würde, so dieSüddeutsche Zeitung. Kanzlerin MERKEL ist damit jedoch nicht einverstanden. KURNAZ werde in Deutschland nichts vorgeworfen, er könne sich frei bewegen, außerdem sei der Aufwand einer ständigen Überwachung zu groß.


10.05.2006

Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof (BGH) a.D., Dr. Gerhard SCHÄFER, der vom PKGr zwischenzeitlich als Sachverständiger beauftragt worden war, die Überwachung von Journalisten durch den BND zu untersuchen, legt dem Kontrollgremium seinen Abschlussbericht - den sogenannten Schäfer-Bericht - vor. Ein Teil des Berichts wird nicht für die Öffentlichkeit freigegeben, da sich ein Journalist des Magazin Focus dagegen wehrt.


11.05.2006

Der BND-Untersuchungsausschuss nimmt seine Arbeit auf – sechs Wochen nach seiner Einsetzung durch den Deutschen Bundestag

Die Süddeutsche Zeitung hat – etwa zwei Wochen vor der offiziellen Veröffentlichung des Schäfer-Berichts - Einblick in das Dokument. Sie weiß zu berichten, dass der BND im großen Maße Journalisten bespitzelte und sie bis ins Privatleben hinein beschattet hat. Dem Bericht zufolge wurde auch ein Journalist des sterns beschattet. Zur Praxis des BND gehörte es, Journalisten gezielt auf Kollegen anzusetzen, um in Erfahrung zu bringen, an welchen Themen der jeweilige Journalist gerade arbeitete. In seinem Bericht nennt SCHÄFER namentlich fünf Journalisten, die entweder selbst Informationen über Journalisten anboten oder aber vom BND befragt worden seien. Besonders interessiert soll der BND an Journalisten des SPIEGEL gewesen sein.

Die Untersuchungen des ehemaligen Richters zeigen, dass auch Geld für Informationen geflossen ist. So soll ein ehemaligerFocus-Journalist zwischen 1982-1998 insgesamt 600.000 DM vom BND erhalten haben. SCHÄFER kommt in seinem Bericht zu der Schlussfolgerung, dass die Praktiken des BND "unverhältnismäßig" und "rechtswidrig" sind und einen eklatanten "Eingriff in die Pressefreiheit" darstellen. Die oberen BND-Bürokraten hatten offensichtlich das Ziel verfolgt, undichte Stellen im eigenen Geheimdienst aufzuspüren – als ob (untere) Geheimdienstler nicht wüssten, wie man das macht: geheim zu bleiben.


26.05.2006

Der sogenannte Schäfer-Bericht (9 MB) wird in einer etwas abgespeckten Version veröffentlicht. Auf 179 Seiten dokumentiert der Bericht sehr detailliert, wie der Bundesnachrichtendienst illegal über Jahre hinweg im Inland Journalisten bespitzelte.


31.05.2006

Die Vertreter des BND-Untersuchungsausschusses sprechen sich übereinstimmend dafür aus, den bestehenden Auftrag um die BND-Bespitzelungsaffäre zu erweitern. Am selben Tag gibt es eine geheime Sitzung des Innenausschusses, bei der Geheimdienst-Koordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter FRITSCHE gemeinsam mit BND-Chef Ernst UHRLAU, über die Affäre und ihre Konsequenzen berichten (müssen). Nach der Sitzung sagt Max STADLER von der FDP, dass die Sitzung zu keiner Klarheit über die Verantwortung für die jahrelange rechtswidrige Praxis der BND geführt habe. Daher greife jetzt ein von seiner Fraktion am Abend zuvor gefasster einstimmiger Beschluss, bei unzureichender Aufklärung mit den Fraktionen von Grünen und Linkspartei über die Erweiterung des Auftrags für den BND-Untersuchungsausschuss zu verhandeln. Nur dort habe man die Möglichkeit, Zeugen unter Wahrheitspflicht zu vernehmen, erklärt STADLER. Der GRÜNEN-Abgeordnete Wolfgang WIELAND und die stellvertretene Vorsitzende der Linkspartei, Petra PAU, schließen sich der Forderung STADLERs an.


02.06.2006

Die Süddeutsche Zeitung meldet, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) entgegen bisheriger Darstellung bereits unmittelbar nach der Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled EL MASRI durch den US-Geheimdienst CIA hiervon erfahren hat – durch einen "kleinen Angestellten" vor Ort

Nach mehreren Verhandlungsgesprächen zwischen Deutschland und den USA, legt die US-Seite ein Papier (Draft Transfer Language) vor, in dem die Bedingungen zur Freilassung KURNAZ aus dem exterritorialen US-Folterlager Guantanamo auf der Insel Kuba festgehalten werden. Es bieten sich der Bundesregierung zwei Möglichkeiten: entweder per US-Gefangenentransport über die US-Flugbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz oder die Beförderung KURNAZ durch eine deutsche Maschine, die ihn abholt. Die deutsche Regierung besteht auf einer Überführung durch die USA.


14.06.2006

STEINMEIER teilt mit, Verhandlungen um die Freilassung von KURNAZ mit den USA seien erfolgreich gewesen. KURNAZ wird auf dem US-Flughafen Ramstein an deutsche Behörden übergeben. Sein Anwalt, Bernhard DOCKE aus Bremen, beanstandet bei einer von Amnesty International organisierten Pressekonferenz, KURNAZ sei sogar bei der Auslieferung im Flugzeug gefesselt gewesen.


25.08.2006

DOCKE erhebt Vorwürfe gegen die frühere Bundesregierung, sie habe Mitschuld an der viereinhalbjährigen Haft von KURNAZ. Die Staatsanwaltschaft Bremen kündigt an, ein bereits 2001 eingeleitetes Verfahren gegen KURNAZ wegen angeblicher Gründung einer terroristischen Vereinigung wieder aufzunehmen. Sechs Wochen später, am 05.10.2006, wird das Verfahren jedoch aufgrund mangelnden Tatverdachts wieder eingestellt.


05.10.2006

Die Bundesregierung lehnt es ab, eine Stellungnahme zu den Misshandlungsvorwürfen abzugeben und auch die laut KURNAZ stattgefundene zweite Befragung (2004) bleibt weiter unklar. "Über Isolationshaft, Folter, Demütigung und Angst": Im ersten Interview KURNAZ´s nach seiner Freilassung im August 2006 mit den stern-Redakteuren Uli RAUSS und Peter MEROTH, treten viele neue Erkenntnisse über seine Gefangenschaft und das Erlebte auf Guantanamo zutage. Das Magazin stern (41/2006) bringt das Schicksal von KURNAZ und die Qualen auf Guantanamo groß heraus: auf insgesamt 22 Seiten, u.a. mit vielen authentischen Fotos. Hier geht’s zum Interview mit Murat KURNAZ aus dem stern.


18.10.2006

Der Auftrag des "BND" - PUA wird um die BND-Bespitzelungsaffäre ergänzt. Hier soll der Ausschuss auf Grundlage des Schäfer-Berichts klären, inwieweit das Bundeskanzleramt, der Bundesnachrichtendienst sowie weitere Sicherheitsbehörden des Bundes davon wussten, dass der Bundesnachrichtendienst und evtl. weitere Sicherheitsbehörden des Bundes

  • Journalisten überwacht und ausgeforscht haben bzw. überwachen und ausforschen ließen,

  • hierzu mit Journalisten zusammengearbeitet und diese für die Lieferung von Informationen finanziell oder auf andere Weise vergütet haben sowie entsprechende Journalistenberichte initiiert und entgegen- genommen haben,

  • Einfluss auf die Medienberichterstattung genommen haben, indem sie beispielsweise Berichte initiiert oder inhaltlich beeinflusst haben, oder warum gegebenenfalls keine zeitnahe Kenntnis erlangt wurde.

Außerdem sollen die Untersuchungen im Fall KURNAZ ausgeweitet werden. Zusätzlich soll geklärt werden, welche Bemühungen die Bundesregierung angestellt hat, um seine Freilassung zu erreichen und ob es von den US-amerikanischen Stellen Angebote zur Freilassung KURNAZ gegeben hat


25.10.2006

Das Verteidigungsministerium korrigiert im Verteidigungsausschuss des Bundestages frühere Angaben darüber, wann deutsche Stellen zum ersten Mal von der Inhaftierung KURNAZ’ erfahren haben. Laut Informationen der Berliner Zeitung v. 26.10.06 hat ein deutscher Verbindungsoffizier von Centcom, einem US-Einsatzführungskommando, schon am 29. Dezember 2001 vorgesetzte Stellen in Berlin informiert, dass in Kandahar (Südafghanistan) ein Deutscher festgehalten werde.


Oktober 2006

Der stern (Heft 44/2006) berichtet, die Bundesregierung räume ein, dass es doch schon 2002 Kontakt zwischen deutschen Soldaten und KURNAZ gegeben habe.


Murat KURNAZ sagt vor dem BND-Untersuchungsausschuss aus. Dort schildert er seine fünfjährige Haft im US-Gefangenenlager Guantanamo. Zu seinem Aufenthalt in Pakistan erklärt KURNAZ während der Sitzung, dass er lediglich einige Wochen an der Koranschule der islamistischen Missionsbewegung "Tablighi Jamaat" in Lahore studieren wollte. Dort sei er aber abgelehnt worden, weil man ihn möglicherweise für einen getarnten Journalisten hielt. Anschließend ist er ziellos durch Pakistan gereist, bis ihn pakistanische Polizisten verhafteten, verhörten und an die US-Amerikaner weitergaben. KURNAZ berichtet auch von dem Besuch deutscher Beamten in Guantanamo. Es handelte sich dabei um Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes. Er habe sie darauf aufmerksam gemacht, unter welchen Bedingungen er dort leben musste. Davon hätten die Beamten KURNAZ zufolge nichts wissen wollen. Sie unterbreiteten ihm stattdessen den Vorschlag, als V-Mann in Deutschland zu arbeiten. Er willigte sofort ein, um aus Guantanamo herauszukommen. Doch daraus wurde nichts, denn die Amerikaner würden entscheiden, ob und wann er gehen könne, teilten sie ihm schließlich mit.


20.01.2007

Die SZ beginnt mit ihrer regelmäßigen Berichterstattung über die parlamentarische Aufarbeitung des Falls: "Wie die rot-grüne Bundesregierung im Fall des Guantanamo-Häftlings jahrelang falsch gespielt hat"


25.01.2007

Der Obmann der SPD-Fraktion im BND-Untersuchungsausschuss, Thomas OPPERMANN, nimmt den Außenminister vor den Vorwürfen, in seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramtes habe die rot-grüne Regierung eine Freilassung von Murat KURNAZ verhindert, "unerschütterlich in Schutz", wie die SZ schreibt.


01.02.2007

Der SPD-Obmann im BND-Ausschuss, Thomas OPPERMANN, wirft im BND-PUA den Geheimdienstlern vor, KURNAZ 2002 nicht kritisch genug befragt zu haben. Er erwähnt beispielsweise das Telefonat aus Pakistan zwischen KURNAZ und dem Bremer "Hassprediger" der "Abu Bakr" Moschee, in dem er seinen unmittelbar bevorstehenden Einsatz mit den Taliban ankündigt. Der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Walter WILHELM, soll nach einem Artikel des Online Magazins stern, dem Bremer Innensenator Thomas RÖWEKAMP (CDU) im Januar 2006 schriftlich über dieses Telefonat berichtet haben. Es gibt jedoch keinerlei Belege für dieses Telefonat, obwohl der Imam Ali Miri abgehört worden ist.


22.02.2007

Der Chef des Bremer Verfassungsschutzes, Walter WILHELM, räumt ein, dass die Informationen zur Einschätzung von KURNAZ als "gefährlich"

  • auf Hörensagen beruhten und

  • aus einer als unzuverlässig eingestuften Quelle stammen

Februar 2007

Geheimdienstmitarbeiter werden im BND-PUA befragt, ob der Bundesregierung im Herbst 2002 ein Angebot der USA zur Freilassung von KURNAZ vorlag. Wie die SZ und der stern berichten, sei das Pentagon in die Überlegungen mit eingebunden gewesen.


Mitte Februar 2007

US-Vernehmungsprotokolle beim Bundesnachrichtendienst sind spurlos verschwunden, sie hätten KURNAZ entlasten können.


01.03.2007

Der Untersuchungsausschuss setzt seine geplante Zeugenvernehmung aus, da dem PUA zugesicherte Akten des Bremer Verfassungsschutzes nach 4 Wochen immer noch nicht eingetroffen sind. Zur Befragung des ehemaligen BND-Präsidenten August HANNING und dessen Nachfolger Ernst UHRLAU sind diese aber vonnöten, daher wird die Befragung um eine Woche verschoben. Die Akten sind so wichtig, da sich in ihnen eine Einschätzung der Gefährlichkeit von Murat KURNAz befinden soll, die vom Bremener Verfassungsschutz erstellt wurde.
Am Abend werden die Akten dem Ausschuss dann aber endlich zugestellt, so wird es zumindest am nächsten Tag der Vize-Regierungssprecher Thomas STEG mitteilen.


08.03.2007

Der ehemalige BND-Präsident August HANNING und sein Nachfolger Ernst UHRLAU werden vor dem Untersuchungsausschuss befragt.
Der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes und heutige Innenstaatssekretär August HANNING sagt vor dem BND-PUA aus, dass STEINMEIER von Beginn an mit allen relevanten Fakten zum Fall KURNAZ vertraut gewesen sei. Es hätte Hinweise auf die Gefährlichkeit von KURNAZ gegeben, daher entschied man sich, die Rückkehr von KURNAZ nach Deutschland zu verhindern. Im Falle einer Freilassung von KURNAZ sollte eine Einreise in die Türkei bevorzugt werden. KURNAZ wäre zwar kein Terrorist gewesen, aber aufgrund der Einschätzung von Fachleuten hätte es Anlass zu der Annahme gegeben, dass KURNAZ in terroristische Aktivitäten hätte verstrickt werden können. Schuld an KURNAZs vier Jahre währenden Gefangenschaft in Guantanamo sei allerdings nicht die Einreiseverweigerung gewesen. Das amerikanische Verteidigungsministerium habe sich in seinen Entscheidungen nicht von ausländischen Sicherheitsdiensten beieinflussen lassen, betont HANNING.
Auch UHRLAU weist auf zahlreiche Verdachtsmomente hin, die es gegenüber KURNAZ gegeben haben soll. Daher kam es zu der Entscheidung KURNAZ die Einreise nach Deutschland im Falle einer eventuellen Freilassung zu verweigern.


26.03.2007

Die SPD greift am Rande des BND-PUA Ex-Guantanamo-Häftling Murat KURNAZ scharf an. "KURNAZ war und ist kein harmloser Zeitgenosse", meint SPD-Obmann Thomas OPPERMANN, hierfür gäbe es eine Fülle von Indizien.


28.03.2007

Anlässlich der Vernehmung STEINMEIERS am darauf folgenden Tag erklärt der SPD-Obmann im PUA, Thomas OPPERMANN, dass sämtliche Vorwürfe der ehemaligen Regierung und insbesondere dem ehemaligen Kanzleramtsminister STEINMEIER gegenüber, die den Fall "Murat KURNAZ" betreffen, vollständig entkräftet sind. Insgesamt trifft OPPERMANN auf Grundlage der dem Ausschuss vorliegenden Akten und aller Zeugenaussagen 20 Feststellungen.

So sagt OPPERMANN wortwörtlich:
"Die Bundesregierung hat sich von Anfang an - aus humanitären Gründen und auf verschiedenen diplomatischen Ebenen - kontinuierlich für Murat Kurnaz eingesetzt. Sie ist allein an der bis weit ins Jahr 2005 hinein bestehenden starren Haltung der US-Regierung gescheitert. Diese gestand konsularische Betreuung nur der Türkei zu und lehnte die Freilassung von Murat Kurnaz auf Grund seiner Einstufung als "feindlicher Kämpfer" ("enemy combatant") durchgängig ab." 

Weiter heißt es von OPPERMANN:
"Auch die Befragung von Murat Kurnaz durch Mitarbeiter deutscher Sicherheitsdienste in Guantanamo im September 2002 war unter dem Gesichtspunkt vertretbar, Informationen über eine mögliche "Bremer Zelle" und Aufschluss über mögliche Rekrutierungshintergründe zu erhalten."
Murat KURNAZ habe "nach einhelliger Auffassung aller Sicherheitsbehörden des Bundes (BKA, BfV und BND)" zum damaligen Zeitpunkt ein Sicherheitsrisiko dargestellt. Diese Auffassung wurde auch gegenüber STEINMEIER vertreten. "Dieser hatte keinen Grund, an der Richtigkeit dieses einhelligen Votums der Fachleute zu zweifeln."

"Die auf der Grundlage fehlender Vorkenntnisse über Murat Kurnaz erstellte Gefährdungseinschätzung der beiden - im Übrigen hierfür nicht zuständigen - BND-Befrager auf Guantanamo spielte hierbei keine Rolle. Sie wurde vom damals verantwortlichen BND-Präsidenten, Dr. August Hanning, als "grob fehlerhaft" erkannt und zu Recht verworfen."
Die gesamten Aussagen OPPERMANNs sind in seiner "Bilanz zum Fall "Murat Kurnaz" nachzulesen.

Im totalen Kontrast zu dieser Erklärung steht ein geheimes Dokument aus dem Regierungsapparat vom 30. Oktober 2002: 
”Wiedereinreise eines türkischen Staatsangehörigen aus terroristischem Umfeld“.

Hier hatte u.a. das Bundeskanzleramt unter seinem Geheimdienstkoordinator STEINMEIER bereits 2002 überlegt und geplant, wie man den auf Guantanamo einsitzenden KURZNAZ auf immer loswerden könne: indem man seinen Pass mit deutscher Aufenthaltsgenehmigung "physikalisch ungültig" macht, konkret: vernichtet.


29.03.2007

Außenminister Frank-Walter STEINMEIER und der frühere Innenminister Otto SCHILY, SPD, werden vom Untersuchungsausschuss zum Fall KURNAZ vernommen. STEINMEIER wie auch SCHILY bekennen sich zu ihrer politischen Verantwortung. Das Einreiseverbot für KURNAZ, dass im Jahre 2002 beschlossen wurde, verteidigen sowohl SCHILY als auch STEINMEIER.

SCHILY gibt an, dass er nicht im Detail über den Fall KURNAZ informiert war. Von der Befragung KURNAZs in Guantanamo durch Beamte des Verfassungsschutzes will er im Vorfeld nichts gewusst haben. An dem Einreiseverbot für KURNAZ kann SCHILY keinen Fehler erkennen, da nach den Anschlägen des 11. Septembers jede Bemühung dem Ziel galt terroristische Anschläge in Deutschland zu verhindern. 

STEINMEIER
 lehnt eine Entschuldigung mangels fehlenden Fehlverhaltens ab. Sämtliche gegen die ehemalige Rot-Grün-Regierung gerichtete Vorwürfe weist er zurück.

Dass Bundeskanzlerin MERKEL beim US-Präsidenten George W. BUSH die Freilassung KURNAZ erreichen konnte, sei einer innenpolitischen Wende innerhalb der US-Innenpolitik in der zweiten Hälfte 2005 geschuldet, so STEINMEIER weiter. Ausgelöst wurde diese 180-Grad-Wende durch die Kritik am Irakkrieg und den Folter-Skandal im Bagdader US-Gefängnis Abu Ghreib.

Bisher wurde angenommen, der Besuch MERKELs in Washington Anfang 2006 und ihr dortiges Engagement hätte zur Freilassung KURNAZs geführt. Laut STEINMEIER habe es bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Signale, offizielle oder inoffizielle, der USA gegeben, die auf eine mögliche Freilassung hindeuteten. Deutschland wäre von den USA noch nicht einmal als Ansprechpartner anerkannt worden sein und auch die Türkei sei mit ihren Versuchen, ihren Staatsbürger freizubekommen, erfolglos geblieben.

Mehrmals betont er die veränderte Sicherheitslage nach den Anschlägen des 11. Septembers und begründet so die Einreiseverweigerung KURNAZs. Eine "unkontrollierte Rückkehr" von KURNAZ hätte verhindert werden müssen.

Anfang März 2007

STEINMEIER gerät nochmals in Bedrängnis: Der frühere Sonderbeauftragte für Guantanamo, Pierre-Richard PROSPER sagt aus, dass die Deutschen KURNAZ schon 2003 hätten freibekommen können, wenn ihre Bemühungen ernsthaft und kontinuierlich genug gewesen wären. Kurz davor schildert Joschka FISCHER, wie dieser sich für KURNAZ bei Collin POWELL verwendet hätte - jedoch vergeblich.
Das ARD-Magazin Monitor hat ein Interview mit dem ehemaligen US-Regierungsbeauftragten für Guantanamo und Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen Pierre-Richard PROSPER veröffentlicht.


03.04.2007

Zur Beschleunigung seiner Arbeit plant der BND-PUA, einen Sonderermittler einzusetzen.


26.04.2007

Vor dem BND-PUA sagen zwei ehemalige Staatssekretäre der früheren Bundesregierung aus, die sich allerdings in ihren Aussagen widersprechen.


  • Der Staatssekretär im Justizministerium, Lutz DIWELL, behauptet, es habe frühestens 2005 ein Angebot der US-Regierung gegeben, KURNAZ freizulassen

  • Der Jurist und Honorarprofessor Hansjörg GEIGER sagt, es habe bereits 2002 ein Angebot gegeben, welches allerdings an zwei Bedingungen geknüpft gewesen sei, die die Regierung so nicht hätte erfüllen können.


Mit seiner Aussage widerspricht der damalige Justiz-Staatssekretär GEIGER nicht nur DIWELL, sondern auch den Darstellungen von Außenminister STEINMEIER, es habe nie ein offizielles Angebot der USA gegeben.
Weiter sagt DIWELL, während der Gefangenschaft von KURNAZ hätte die Türkei keine sichtbare Bereitschaft zur Aufnahme KURNAZs gezeigt. Deshalb hätten das Innenministerium und das auswärtige Amt im Oktober 2005, nachdem Bewegungen der US-Behörden erkennbar gewesen seien, die Vorraussetzungen zur Erteilung eines Visums für die Einreise von KURNAZ prüfen lassen.
Die Äußerungen DIWELLs sorgen im Ausschuss für Überraschung, da sie entgegen den Aussagen STEINMEIERs stehen. 
Laut dem ehemaligen Staatssekretär im Außenamt Jürgen CHROBOG, habe sich die Türkei für KURNAZ prinzipiell als zuständig erklärt. Genaue Handlungen der Türkei seien ihm aber nicht bekannt. Auch SPD-Obmann OPPERMANN verweist auf Akten, aus deren Einträgen hervorgehe, dass sich Berlin und Ankara gegenüber Washington für KURNAZ eingesetzt hätten


April 2007

KURNAZ veröffentlicht ein Buch "Fünf Jahre meines Lebens - Ein Bericht aus Guantanamo", in dem er seine Erlebnisse ausführlich beschreibt.


03.08.2007

Da mehrfach geheime Informationen aus dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss an die Presse und dadurch an die Öffentlichkeit gelangten, strengt der Leiter des Untersuchungsausschusses, Siegfried KAUDER (CDU) ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren an. Zuvor wurde dies in einem Mehrheitsbeschluss des Ausschusses festgelegt. Ermittelt wird daraufhin gegen 17 Journalisten vom SPIEGELsternZEITSüddeutscher ZeitungFrankfurter RundschauTAGESSPIEGELBerliner Zeitungtaz und WELT wegen Verdachts der Beihilfe zum Geheimnisverrat. Die FAZ, die nicht darunter ist, zeigt Verständnislosigkeit und verweist auf das kürzlich eindeutig ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Fall "Cicero": Die Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen in der Presse reicht nicht aus, um Journalisten, die eine "öffentliche Aufgabe" haben, strafrechtlich zu verfolgen: "Siegfried Kauder und die wilde 17".

Aber nicht nur gegen Journalisten wird ermittelt, sondern auch gegen Ausschussmitglieder, da der Verdacht besteht, die Journalisten hätten die entsprechenden Informationen durch Mitglieder erhalten.
Noch am selben Tag bestätigt die Berliner Staatsanwaltschaft ihre Ermächtigung durch den Bundestagspräsidenten Norbert LAMMERT (CDU), auch gegen Geheimnisträger zu ermitteln. 
Da kein konkreter Verdacht gegen einzelne Ausschussmitglieder besteht, richtet sich die Anklage jedoch gegen unbekannt.
Konkret wirft die Staatsanwaltschaft den Journalisten vor, sie hätten aus geheimen Akten des Untersuchungsausschusses zitiert. Auf die Frage wie die Informationen an die Öffentlichkeit gelangen konnten, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Berlin, Simone HERBETH: "Wir wissen noch nicht, auf welche Weise Akten an die Öffentlichkeit gelangten".

In der Presse, den Parteien und der Öffentlichkeit regt sich heftiger Protest gegen das Ermittlungsverfahren. Lautstark wird das Verfahren als Angriff auf die Pressefreiheit bezeichnet. 
Der ehemalige Chefredakteur des SPIEGEL, Stefan AUST, gegen den selber ermittelt wird, kritisiert: "Das scheint mir ein ungezielter Angriff auf die Pressefreiheit zu sein. Wir sehen den Ermittlungen gelassen entgegen". 
Der Chefredakteur der Zeit, Giovanni DI LORENZO, sagt: "Es ist augenscheinlich, dass in diesem Fall nicht so sehr die Ermittlungen gegen Journalisten bedeutend sind. […] Es geht hier eindeutig und zum wiederholten Mal darum, mögliche Informanten in Behörden und Ausschüssen so einzuschüchtern oder zu belästigen, dass sie Journalisten keine Informationen mehr weitergeben. […] Wir würden in unserer Zeitung jederzeit wieder diese Artikel veröffentlichen, um die es jetzt geht".

Die Grünen, die FDP und die Linke kritisieren das Ermittlungsverfahren. So sagt der FDP-Obmann des Ausschusses, Max STADLER, man sei "über das Ziel hinausgeschossen". Der Grünen-Obmann im Ausschuss, Hans-Christian STRÖBELE, sagt bei der Abstimmung sei erklärt worden, die Maßnahmen richteten sich nicht gegen Journalisten.
Beide lehnen die Ermittlungen gegen die Journalisten uneingeschränkt ab. Ebenfalls ermittelt wird von der Staatsanwaltschaft Hamburg, da der sternDIE ZEIT und DER SPIEGEL dort erscheinen. Gegenüber der Deutschen-Presse-Agentur (DPA), sagt der Hamburger Oberstaatsanwalt BAGGER, "nach dem Cicero-Urteil ist ein solches Verfahren Quatsch". Ein möglicher Erfolg des Verfahrens wird von ihm bezweifelt.

Siegfried KAUDER selber will das Ermittlungsverfahren nicht kommentieren. "Das steht mir nicht zu, da eine Beurteilung abzugeben". Weiter betont er, er wüsste "weder etwas über den Stand des Ermittlungsverfahrens, noch gegen wen es sich richtet, noch was bisher ermittelt worden ist". Seine Absicht sei es bloß, "herauszufinden, wo die undichten Stellen sind, und sicherzustellen, dass es in Zukunft so nicht läuft."


10.08.2007

Nachdem eine Woche zuvor die äußerst umstrittenen und von heftigen Protesten begleiteten Ermittlungen gegen 17 Journalisten aufgrund angeblichen Geheimnisverrats begannen, stellt die Münchner Staatsanwaltschaft nach Berichten desSPIEGELS ihre Arbeit ein. Konkret waren es vier Verfahren gegen Journalisten der in München ansässigen Süddeutschen Zeitungdie nun eingestellt wurden. Dazu musste die Staatsanwaltschaft zuvor den Antragssteller, Bundestagspräsident LAMMERT, anhören, der seine Zustimmung gab. "Sollten Staatsanwaltschaften zu dem Schluss kommen, dass die Ermittlungen aus ihrer Sicht eingestellt werden sollen, bestehen aus meiner Sicht keine Einwände gegen die Einstellung der Verfahren", so die Aussage des CDU-Politikers. Als Grund zur Einstellung des Verfahrens wurden fehlende Ansatzpunkte genannt. Hinweise darauf wer die Informationen weitergegeben habe, gebe es nicht. "Für eine Durchsuchung bei Journalisten in den Verlagen sind die Verdachtsmomente zu schwach", so die Begründung des Oberstaatsanwalts Anton STERN.

Von Seiten der Presse und der Politik gibt es ein positives und erleichtertes Echo. Nichtsdestotrotz wird gefordert auch die anderen noch laufenden Ermittlungsverfahren einzustellen. Gleichwohl, dass Bundestagspräsident LAMMERT seine Zustimmung zur Beendigung der Ermittlungen gab, besteht er jedoch auf einer Fortsetzung der Ermittlungen in Berlin, Hamburg und Frankfurt und verweigert ein zurückziehen der Ermittlungsermächtigung. Die Berliner Staatsanwaltschaft möchte sich gegenüber der Presse zu einer möglichen Einstellung der Ermittlungen nicht äußern und teilt lediglich mit, dass die Ermittlungen noch laufen würden. In Hamburg sieht man das Verfahren als "mehr oder weniger aussichtslos" an und will, wie die Frankfurter Staatsanwaltschaft, den Münchner Kollegen folgen.


14.08.2007

Thomas BECHTEL, Sprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft, teilt mit dass auch die Frankfurter Behörden ihre Ermittlungen wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat einstellt. Konkret wurde gegen zwei Journalisten der Frankfurter Rundschau ermittelt. Im ersten Fall hätte es aber überhaupt keinerlei Hinweise auf strafbare Handlungen gegeben, wobei dies im zweiten Falle zwar "denkbar" wäre, jedoch keine Weitergabe von Unterlagen nachgewiesen werden konnte. Die Absicht zur Beendigung des Verfahrens wurde dem Bundestagspräsidenten Norbert LAMMERT mit Bitte um Stellungnahme mitgeteilt.


November 2007

Die beiden Politiker Wolfgang NESCOVIC (Linkspartei) und Thomas OPPERMANN (SPD) verlassen den BND-Untersuchungsausschuss. Neuer Obmann der Linkspartei ist Norman PAECH, während die SPD von diesem Zeitpunkt an von Michael HARTMANN vertreten wird.


19.04.2008

Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL gibt in seiner neusten Ausgabe bekannt, dass der Auslandsgeheimdienst die Spiegel-Mitarbeiterin Susanne KOELBL bespitzelt hat. Wie BND-Chef Ernst UHRLAU der Journalistin vergangenen Freitag mitteilte, wurde ihre elektronische Post vom 7. Juni bis zum 29. November 2006 überwacht. Gleichzeitig bat UHRLAU um Entschuldigung. DieSpiegel-Mitarbeiterin soll zu mehreren afghanischen Politkern über E-Mail in Kontakt gestanden haben.


24.04.2008

Die BERLINER ZEITUNG berichtet von einem zweiten Journalisten, der im Jahr 2007 vom Bundesnachrichtendienst ausspioniert wurde. Der frühere ZDF-Korrespondent Ulrich TILGNER sagte der Zeitung, ein hoher deutscher Diplomat habe ihm im vergangenen Jahr in Kabul erklärt: "Sie müssen verstehen, dass Sie abgehört werden." Grund für die Lauschaktion seien telefonische Kontakte gewesen, die er damals mit dem in Afghanistan entführten deutschen Ingenieur Rudolf BLECHSCHMIDT gehabt habe, sagte TILGNER weiter.


26.06.2008

In der letzten Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor der Sommerpause werden insgesamt 5 Zeugen befragt. Darunter sind Innenminister Wolfgang SCHÄUBLE, Justizministerin Brigitte ZYPRIES, Verfassungsschutzpräsident Heinz FROMM und die Staatssekretäre August HANNING, ehemaliger BND-Präsident, und Christian SCHMIDT. Als erster Zeuge wurde FROMM befragt: Dieser argumentiert, seine Behörde würde keine befreundeten Dienste beobachten. Hinweise auf menschenrechtswidrige Handlungen habe es erst 2005 gegeben als bekannt wurde, dass die USA auch Deutschland für geheime Gefangenenflüge nutzte. Im dem sich darauf anschließenden Dialog auf politischer Ebene habe der Verfassungsschutz mit den USA keine eigenen Gespräche geführt, um diesen Dialog nicht zu stören. Ähnlich äußerte sich auch August HANNING. Nach ihm gibt es keinen Grund den USA und ihren Geheimdiensten zu mißtrauen. Nach wie vor seien die USA ein wichtiger Partner in der Bekämpfung des Terrors: "Ich kann nur davor warnen, den Eindruck zu erwecken, wir könnten unsere Sicherheit ohne eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten gewährleisten".

Nach ZYPRIES und SCHÄUBLE hat die Bundesregierung keine Kenntnisse von Geheimgefängnissen der USA auf deutschen Boden. Auf CIA-Geheimflüge über Deutschland angesprochen, sagt der Innenminister, er vertraue der Zusage der USA, sie würde Souveränitätsrechte respektieren. Er macht deutlich, dass bei dem Kampf gegen Terror die Rechtsstaatlichkeit jeder Zeit gewahrt sein muss. Bei dem Versuch aufgrund eines Verdachts auf Gefangenenflüge, US-Flugzeuge zu kontrollieren, würde man [...]"dabei wohl an Grenzen stoßen". Auch die Justizministerin ZYPRIES verurteilt in ihrer Aussage Gefangenenflüge der CIA, sowie Geheimgefängnisse und die Bildung von Ausnahmegerichten. Angesprochen auf Khaled EL MASRI und die Auslieferung seiner mutmaßlichen Entführer, 13 Agenten des CIA, sagt ZYPRIES, die USA hätten signalisiert, dass sie einer Auslieferung aus Sicherheitsgründen nicht nachkommen würden. Daher hätte man dass gerichtliche Verfahren zur Auslieferung abgebrochen.


16.09.2008

Der Obmann der SPD-Fraktion im BND-Untersuchungsausschuss, Michael HARTMANN, verneint die Existenz von Aktenbelegen, aus denen die Weitergabe kriegsrelevanter Informationen an Amerika durch die BND-Agenten hervor gehen solle.
Ungeachtet dieser Aussage beschuldigt die jetztige Opposition die damalige Rot-Grün-Regierung weiterhin der Unterstützung der amerikanischen Truppen.
HARTMANN lässt verlauten, dass noch vor dem Jahresende der damalige Kanzleramtsminister Frank-Walter STEINMEIER und der damalige Außenminister Joschka FISCHER gehört werden sollen. Auch der ehemalige Bundeskanzler Gerhard SCHRÖDER soll gehört werden.
Der Obmann der Linken, Norman PAECH, erklärte die BND-Agenten hätten wichtige Informationen über kriegsrelevante Ziele an die amerikanischen Truppen geliefert. In den Akten und auch in dem Bericht der Regierung für die parlamentarischen Kontrolleure wären keine Antworten zu finden, weshalb die Agenten überhaupt vor Ort waren.


18.09.2008

Die beiden BND-Agenten werden im Untersuchungsausschuss in einer geheimen Sitzung gehört. Obwohl längst bekannt, werden die Namen der Agenten nicht bekannt gegeben.
Die Opposition sieht es als erwiesen an, dass sich die SPD/Die Grünen-Regierung und der BND durch die Weitergabe von wichtigen Informationen an die USA am Krieg beteiligten.
Vor der Vernehmung der beiden Agenten sagt der Obmann der Grünen, Hans-Christian STRÖBELE, die beiden Agenten hätten dem Hauptquartier kriegsrelevante wichtige Informationen zukommen lassen. Der Meinung sind auch die beiden Obleute der FDP und der Linken. Die ehemalige Regierung könne nicht länger behaupten, nichts mit dem Irakkrieg zu tun gehabt zu haben. 
Der Obmann der Linken Norman PAECH berichtet, in den Akten seien etwa 150 Meldungen der BND-Agenten registriert. Darunter seien jedoch kaum Krankenhäuser oder Schulen gewesen, sondern vorrangig fast ausschließlich wichtige militärische Ziele.
Von der SPD werden die Vorwürfe zurückgewiesen. Zwar seien diese Meldungen wichtig, aber es hätte keine Bombardierungen gegeben. "Bisher ist dieser Nachweis nicht geführt worden", so der SPD-Abgeordnete Michael HARTMANN. "Es sei gut, richtig und notwendig" gewesen, deutsches Personal im Irak gehabt zu haben. Auch die CDU steht seiner Meinung nach hinter STEINMEIER.


19.09.2008

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheint ein weiterer Artikel in dem die Tätigkeit der BND-Agenten im Irak rekonstruiert wird. Dabei werden auch Meldungen der Agenten aus BND-Akten zitiert. So z.B. ein Telefonprotokoll vom 4.04.2003:

"Anruf L13EA (der zuständige Referatsleiter in Pullach, d. Red.) SET wurde gem. Auftrag (geweißt, d.Red.) durch LEA13 mitgeteilt, dass US-Streitkräfte vor der Entscheidung stehen, die Gunst der Stunde zu nutzen und gleich ‚durchzumarschieren‘. Daher sind aktuelle Info‘s zu Gegebenheiten in Bagdad von größter Wichtigkeit".

In einem anderen Bericht heißt es, die Agenten seien "zur Ergänzung und Vervollständigung des Lagebildes von hoher Bedeutung" und "im Zusammenhang mit CENTCOM Qatar von existentieller Bedeutung". Bei CENTCOM Qatar handelt es sich um den damaligen Sitz des Hauptquartiers der US-Streitkräfte. Dort war auch der BND-Mitarbeiter mit dem Decknamen "Gardist" stationiert, der Meldungen der BND-Agenten entgegennahm und sie auch an die Amerikaner weitergeleitet haben soll. Viele der Meldungen, die die FAZ zitiert, passen nicht zu den Bekundungen der Regierung, die Agenten sollten nur "Non-Targets" bezeichnen, um so Angriffe auf zivile Einrichtungen zu verhindern. Dem entgegen steht beispielsweise folgende Meldung, die lautFAZ an die Amerikaner weitergeleitet wurde:

"Stellung RG („Republikanische Garden“ von Saddam Hussein) auf 33 Grad, 18 Min. 02 Sek. Nord; 044 Grad, 23 Minuten 28 Sek. Ost."
Neben „Schwärzung wegen Staatswohls" gestrichenen Stellen lassen sich in den Akten weitere Angaben zu Flugabwehrgeschützen, möglichen Bunkern oder Offiziersclubs der irakischen Streitkräfte finden.
Den gesamten Bericht können Sie hier nachlesen: "Schöne Gruesze" aus dem Krieg


25.09.2008

Der Verbindungsmann, der in der BND-Zentrale in Pullach die Informationen der beiden BND-Agenten entgegennahm und weitergeleitet hatte, wird in einer geheimen Sitzung des Ausschusses verhört. Ihm kam die Aufgabe zu, die Informationen entsprechend seinen Weisungen an den BND-Mitarbeiter "Gardist" im US-Hauptquartier weiterzuleiten. Fraglich ist dabei, ob er die Meldungen filterte und durch Zeitverzögerung unbrauchbar machte, wie vom BND behauptet, oder ob diese Informationen dazu dienten, den Krieg der USA zu unterstützen, wie von einigen Oppositionellen vermutet. Bis auf die Bezeichnung "Leiter 38 B" ist über den BND-Verbindungsmann nichts bekannt. Der Berliner Tagesspiegel ist informiert, worum es in dieser geheimen Sitzung gegangen ist. Er titelt: "Der Krieg um den Krieg"


04.12.2008

Der ehemalige BND-Präsident, August HANNING, sagt vor dem PUA aus. Er räumt ein, dass im Grunde ein Referatsleiter darüber entscheiden konnte, welche Informationen der beiden im Irak stationierten BND-Agenten an die US-Streitkräfte weitergegeben wurden. Eine Kontrolle der weitergegebenen Daten habe es nicht gegeben. HANNING sagt, der Referatsleiter für militärische Auswertung wäre "ein Mann meines Vertrauens" gewesen. Anhaltspunkte dafür, "dass die Weisung missachtet wurde", so HANNING auf die Frage nach der fehlenden Kontrolle, hätte es nicht gegeben. Zwar wurde das Verbot der Weitergabe kriegsrelevanter Informationen an die Amerikaner nicht schriftlich festgehalten, wäre aber innerhalb des BND allgemeiner Konsens gewesen. Auf die aktenkundigen Meldungen der beiden BND-Agenten über Stellungen der irakischen republikanischen Garden oder den Standort eines Offiziersklubs der irakischen Luftwaffe wurde zwar hingewiesen, sagt HANNING. Vieles sei auch "militärisch verwertbar". Nur stelle sich die Frage, ob die Meldungen "operativ-taktisch interessant" waren. 
Außer der SPD ist es für alle Parteien im Ausschuss erwiesen, dass den Amerikanern kriegsrelevante Informationen geliefert wurden.


13.12.2008

SPIEGEL ONLINE berichtet DER SPIEGEL hätte Interviews mit mehreren hochrangigen US-Militärs zur Rolle des BND während des Irakkrieges geführt. So sagt US-General a.D., James MARKS, gegenüber dem SPIEGEL, die Informationen der BND-Agenten seien "extrem wichtig und wertvoll", "detailliert und zuverlässig" gewesen. Aufgrund Informationen des BND sei der Kriegsbeginn vorgezogen worden und geplante Militärschläge wurden aufgrund BND-Informationen teilweise kurzfristig zurückgezogen. "Wir haben den Informationen aus Deutschland stärker vertraut als denen des CIA", zitiert DER SPIEGEL MARKS. Als die BND-Agenten die Verbrennung von Ölquellen seitens des irakischen Militärs meldeten, entschlossen sich die US-Streitkräfte und ihre Verbündeten den Irak früher als eigentlich geplant anzugreifen.

Die ebenfalls interviewte Oberst Carol STEWART, eingesetzt beim Aufklärungsstab von US-Oberbefehlshaber Tommy FRANKS, sagt, die Deutschen hätten "exzellente Arbeit" geleistet: "Ich wusste, dass die Deutschen gegen den Krieg waren, deshalb hat es mich gewundert, dass sie während des Krieges eine derart positive und hilfreiche Rolle für uns spielten."
"Wer behauptet, dass diese Meldungen für die Kampfhandlungen keine Rolle gespielt hätten, lebt auf einem anderen Planeten", so STEWART weiter.
Laut SPIEGEL wurden von den BND-Agenten rund 130 Berichte mit Fotos und GPS-Koordinaten an die BND-Zentrale in Pullach gesandt. Stellungen irakischer Truppen, Sandsack- und Maschinengewehrstellungen wurden gemeldet. Scheinbar wussten die BND-Agenten sehr genau, dass ihre Meldungen von Pullach direkt an das US-Hauptquartier geleitet wurden, denn als sie in der Nähe ihrer Unterkunft Truppen ausmachten, baten sie darum "dass man zur Bekämpfung dieser Truppen doch bitte Special Forces einsetzen möge und keine Raketen und erst recht keine Artillerie". Über den Einsatz von Special Forces oder Raketen konnte allerdings nur das amerikanische Hauptquartier in Katar entscheiden.

Der Sprecher des Außenamtes, Jens PLÖTNER, sagt in Berlin angesichts einer bevorstehenden Vernehmung STEINMEIERs vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, es gelte nach wie vor, was STEINMEIER "von Beginn an" zur Arbeit der BND-Agenten gesagt habe: "Deutschland war aus gutem Grund gegen den Irak-Krieg und hat sich deswegen nicht an Kampfhandlungen beteiligt." Dies wäre von allen Zeugen im Untersuchungsausschuss bestätigt worden. STEINMEIER werde bei seiner Vernehmung klarstellen, dass die damalige Bundesregierung eine "kluge und verantwortungsvolle Politik" betrieben habe.
Den Bericht von SPIEGEL ONLINE können sie hier nachlesen: BND versorgte US-Miltärs mit entscheidenden Informationen zur Kriegsführung


15.12.2008

Am Morgen erscheint DER SPIEGEL mit dem vorab angekündigten 6-seitigen Bericht über die Aussagen der US-Militärs und einem abgedruckten Interview mit US-General a. D. James MARKS: "Die Deutschen sind Helden". Autor u.a. John GOETZ.
Noch am selben Tag erfolgen Reaktionen mehrerer Politiker des Untersuchungsausschusses auf den SPIEGEL ONLINE-Bericht vom 13.12.2008 und die aktuelle Ausgabe des SPIEGELs.

  • In einem Gespräch mit der Passauer Neuen Presse (PNP), sagt Norman PAECH, der Obmann der Linken im Ausschuss, über STEINMEIER: "Ich vermute, dass er von allem gewusst hat." Wenn die Angaben der US-Militärs sich als richtig herausstellen sollten, habe STEINMEIER gelogen.

  • Neben PAECH lässt die PNP auch Max STADLER, FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, zu Wort kommen. Sollten sich die Angaben von James MARKS, US-General a.D., als richtig bestätigen, dann stehe fest: "Deutschland hat an diesem Krieg mitgewirkt. Die Aktivitäten der deutschen Agenten waren eine indirekte Beteiligung". Um zu erreichen, dass US-Militärs wie MARKS oder Carol STEWART vor dem Ausschuss aussagen, planen STADLER und die FDP einen Antrag zu stellen.

  • Christian STRÖBELE, Grünen-Obmann, äußert sich noch zurückhaltend und will zunächst einmal die Befragung von STEINMEIER und Joschka FISCHER abwarten. Von STEINMEIER fordert er jedoch aufgrund dessen Amtszeit als Kanzleramtschef und der damit einhergehenden Verantwortung für den BND, eine Erklärung. Um eine stärkere Kontrolle der Geheimdienste zu ermöglichen, fordert er eine Gesetzesänderung. Genau wie STADLER will STRÖBELE "Himmel und Hölle in Bewegung setzen", um James MARKS zu befragen

17.12.2008

Von der Presse erfolgen einige Reaktionen auf die Äußerungen der beiden US-Militärs zur Weitergabe von Informationen durch die BND-Beamten.
Insgesamt widersprechen diese Reaktionen einigen im SPIEGEL berichteten Details und relativieren die Aussagen der US-Militärs. Im Grundtenor heißt es, die an die Amerikaner gelieferten Informationen wären stark abgeschwächt und gefiltert gewesen, wie vertrauliche Akten des BND beweisen, die einigen Zeitungen vorliegen. 
So berichteten die BND-Agenten nach Pullach, sie hätten glaubwürdige Informationen nach denen eine Ölquelle bei Kirkuk zur Sprengung vorbereitet wird. Im Interview mit dem SPIEGEL sagte der General a.D. James MARKS, aufgrund dieser Meldung wäre der Kriegsbeginn vorgezogen worden. Diese Meldung sollen die Amerikaner aber überhaupt nicht erhalten haben, stattdessen meldete Pullach nur eine brennende Ölquelle zu deren Löschung die Iraker Rumänen und Russen um Hilfe gebeten haben, so zumindest WELT ONLINE. Zudem wird festgestellt, dass Kirkuk im Nordirak liegt, die Invasion jedoch im Süden erfolgte. Außerdem sei eine Entsendung einer US-Aufklärungsdrohne erst 14 Tage nachdem die Meldung bei den Amerikanern einging erfolgt. WELT ONLINE sieht den BND und Außenminister STEINMEIER daher als entlastet an.

Ähnlich berichtet auch die Frankfurter Rundschau (FR), die sich ebenfalls auf Papiere des BND beruft. Aufgrund der Unterlagen kommt sie zu dem Schluss, dass die BND-Informationen für die USA nur wenig Nutzen hatten. Laut MARKS ist ein Foto einer Roland-Luftabwehr-Stellung, der Grund dafür gewesen, dass eine Luftlandeoperation auf den Saddam-Flughafen in Bagdad wegen der zu großen Gefahr abgesagt wurde. Doch zeigt das Foto in der Meldung "80-0188", auf das sich die FR bezieht, eine Luftabwehrstellung des ehemaligen Muthanna-Airports. Auch an der angeblichen Sprengung von Ölproduktionsanlagen, über die die BND-Mitarbeiter laut MARKS berichtet haben sollen, werden Zweifel geäußert.
Wie schon die WELT, zitiert die FR hier aus den Meldungen des BND: "Bisher gab es hier noch keine Erkenntnisse über Vorbereitungen der Ölfelder zur Sprengung." Laut der BND-Mitarbeiter könnte es sich auch einfach um einen Unfall gehandelt haben, da sich die irakischen Ölanlagen schon in der Vergangenheit als störanfällig gezeigt haben.

Trotz der gehegten Zweifel will Siegfried KAUDER, CDU-Politiker und Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, General a.D. MARKS bitten vor dem Ausschuss auszusagen. Dazu sollen auch die SPIEGEL-Journalisten geladen werden, die ihn zuvor interviewten. Die Parteien FDP und CDU erhoffen sich davon wertvolle Hinweise, während dagegen der SPD-Obmann Michael HARTMANN andere Pläne hegt. Er will "mit ihnen im Einzelnen durchgehen, wie es zu den unhaltbaren und nachweislich falschen Behauptungen kommen konnte"
Den Bericht der WELT können Sie hier nachlesen: Geheime Protokolle entlasten BND in Sachen Irak


18.12.2008

Der jetzige Außenminister und ehemalige Kanzleramtschef Frank-Walter STEINMEIER und der ehemalige Außenminister Joschka FISCHER werden erneut vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vernommen.
In der Vernehmung weicht STEINMEIER den meisten Fragen aus. Die gegen ihn gerichteten Vorwürfe halte er für "abenteuerlich" und "aberwitzig". Allen Beteiligten seihe klar gewesen, dass Deutschland den Irak-Krieg nicht unterstütze. "Konkret bedeute das: keine Unterstützung des offensiven strategischen Luftkrieges der USA", so STEINMEIER. "Keine Weitergabe von Informationen mit unmittelbarer Relevanz für die taktische Luft- und Landkriegsführung der USA."

Er habe […] "keinen Grund zu der Annahme, dass gegen die Vorgaben der Bundesregierung bewusst oder unbewusst verstoßen worden ist." 
Die Unterstützung der Amerikaner sei "bei der Vermeldung von Angriffen auf so genannte Non-Targets statthaft" gewesen. Da deutsche Soldaten in Kuwait stationiert waren und befreundete Staaten wie die Türkei und Israel […]" in Reichweite irakischer Waffensysteme"[…] lagen, konnte man nicht auf Informationen aus dem Irak verzichten. Um nicht auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen zu sein, wurde der Einsatz der BND-Agenten beschlossen. Die Aussagen einiger US-Militärs über die wichtige Rolle, die der BND in der Informationsbeschaffung für den Irak-Krieg gespielt hatte, nannte STEINMEIER ein "vergiftetes Lob". Wahrscheinlich seihe dies eine Kampagne um Deutschland nachträglich mit in die Verantwortung für den Fehler des Irak-Krieges zu nehmen. Hans-Christian STRÖBELE, Obmann der Grünen, zeigt sich unzufrieden mit den Äußerungen STEINMEIERs: "Herr Steinmeier, ich bin von ihren bisherigen Ausführungen enttäuscht." Auf das stetige Drängen STRÖBELE’s nach einer Stellungnahme zu einer Meldung der BND-Agenten, entgegnet STEINMEIER: "Es war unsere Entscheidung, dass militärische Informationen weitergegeben wurden." Diese Informationen sollen aber vorher durch einen Beamten in der BND-Zentrale gefiltert worden seien.

Am selben Tag wird auch der Grünenpolitiker und ehemalige Außenminister Joschka FISCHER vernommen. FISCHER bestätigt vor dem BND-Untersuchungsausschuss, dass er über den Einsatz der beiden BND-Agenten informiert gewesen war: "Ich habe dafür grünes Licht gegeben." Die beiden Männer in den Irak zu schicken sei FISCHER zufolge "völlig richtig" gewesen, um "eigenständige Informationen" aus dem Irak zu gewinnen. Weiter stellte FISCHER klar, dass er über Details zum BND-Einsatz nicht informiert war und verwies dabei auf die "Geschäftsordnung" der Bundesregierung. Den Vorwurf, die Bundesregierung habe durch den Einsatz der beiden BND-Agenten, den USA direkt bei ihrer Kriegsführung unterstützt, wies er zurück. Die neusten Berichte des SPIEGEL, in denen zwei ehemalige US-Militärs, den Einsatz der beiden BND-Agenten als sehr hilfreich für die Kriegsführung einstuften, bezeichnet FISCHER als "tote Flugenten", die sich "zu Staub aufgelöst" haben


20.12.2008

Der SPIEGEL veröffentlicht ein Interview mit einem weiteren Zeugen, und reagiert auf die Berichterstattungen der WELT und der Frankfurter Rundschau, in denen die zuvor im SPIEGEL veröffentlichten Aussagen der hochrangigen US-Militärs relativiert wurden. Marc GARLASCO ist ein ehemaliger Pentagon-Mitarbeiter, der sich während des Irak-Krieges mit der Erfassung von Bombenzielen beschäftigte. Er bestätigt z.T. die Aussagen der beiden US-Militärs, nach denen die Informationen der BND-Agenten für die USA von großer militärischer Bedeutung gewesen sind: "Ich kann mich an diverse Meldungen erinnern, die derSPIEGEL in der vergangenen Woche zitiert hat, besonders an die Erkenntnisse rund um den Offiziersclub in Bagdad".

Unter den gesendeten Informationen der Deutschen befanden sich ihm zufolge auch Gebäude des irakischen Geheimdienstes und der Baath-Partei und Paläste von Saddam HUSSEIN. Er räumt aber auch ein, dass die Ziele nicht nur aufgrund von einer Meldung der Deutschen angegriffen wurden: So wurden laut GARLASCO Informationen der Deutschen entweder später durch weitere Quellen bestätigt, oder es wurden bereits "vorhandene Aufklärungsergebnisse" von den Deutschen verifiziert.

Die Aussagen des Bundesaußenministers Franz-Walter STEINMEIER, wonach für den BND "eine aktive Unterstützung von Kampfhandlungen" ausgeschlossen sein sollte, wies er mit folgenden Worten zurück: "Es wäre Geschichtsfälschung, wenn man abstreiten wollte, dass der BND uns bei militärischen Kampfoperationen während des Krieges half. Ich weiß wirklich aus erster Hand, dass seine Informationen uns bei der Zielerfassung geholfen haben."


22.01.2009

Vor dem Untersuchungsausschuss wird der Bundesanwalt Wolf-Dieter DIETRICH gehört. Dabei geht es um Vorwürfe die der Bundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2006 bekannt wurden. So sollen in der US-Kaserne Coleman Barracks drei arabisch sprechende Männer für mehrere Monate festgehalten und schwer misshandelt worden seien. Erstmals tauchten diese Anschuldigungen auf, als ein britischer Bürger aufgrund der ihm gegenüber getätigten Schilderungen des amerikanischen Soldaten John PIERCE bei der Mannheimer Polizei Anzeige erstattete. Den Schilderungen PIERCEs zufolge, sollen die drei Männer mit Stromschlägen gefoltert und tagelang an Metallbetten gefesselt worden sein.

Zur gleichen Zeit erfuhr das BKA, dass ein Mannheimer Bürger bereits 2003 in der Kaserne drei in orangene Overalls gekleidete Gefangene gesehen haben wollte, die menschenunwürdig behandelt worden seien. Dieser Mannheimer sagte ebenfalls im Untersuchungsausschuss aus, vor dem er seine Beobachtungen nochmals bekräftigte. Die Ermittlungen in beiden Fällen wurden von dem BKA-Hauptkommisar Andrew MIELACH geleitet, während der Herr des Verfahrens Bundesanwalt DIETRICH war. Dieser entschied im Herbst 2006 die Beobachtungen des Mannheimer Bürgers würden für ein Ermittlungsverfahren nicht ausreichen. "Die Frankfurter Müllabfuhr trägt auch orangefarbene Overalls", so Dietrich im Ausschuss. Da es nach Auskunft der Amerikaner keinen Soldaten namens John PIERCE geben würde, lehnte er auch hier die Aufnahme eines Ermittlungsverfahren ab.

Eine weitergehende Befragung von US-Soldaten, wie von Hauptkommisar MIELICH gefordert, lehnte DIETRICH, wie auch eine Besichtigung der Kaserne, ab. Hätte sich gezeigt, "dass den Gefangenen Metallbetten zur Verfügung stehen", hätte das ja auch nichts bewiesen, so DIETRICHs Meinung. 
Ungeachtet der Parteizugehörigkeit zeigten sich die Mitglieder im Ausschuss gleichermaßen erbost und empört angesichts der Äußerungen DIETRICHs.


29.01.2009

Der BND-Untersuchungsausschuss beginnt Nachforschungen zum letzten noch offenen Themenkomplex, der Journalisten-Bespitzelung, anzustellen. Dazu wird der Publizist Erich SCHMIDT-EENBOOM in den Ausschuss als Zeuge geladen. SCHMIDT-EENBOOM veröffentlichte im Juli 1993 das Buch "Schnüffler ohne Nase", in dem auf Basis von BND-internen Quellen kritisch über den Auslandsgeheimdienst berichtet wurde. Der BND begann daraufhin eine großangelegte Überwachungsaktion gegen den Publizisten, die ihren Höhepunkt zwischen den Jahren 2000 und 2003 erreichte, als das Altpapier des Publizisten durchsucht worden war.

Vor dem Untersuchungsausschuss sagt SCHMIDT-EENBOOM, dass die jeweiligen BND-Spitzen nicht von Bespitzelungsmaßnahmen gegen ihn gewusst hätten, sondern vielmehr "Arbeitsebenen" verantwortlich wären, die "sich verselbstständigt haben". Während der Befragung nennt der Publizist auch ausführliche Details seiner Ausspähung durch den BND: Dazu zählten Beobachtungsteams in Autos, die Installierung von Teleobjektiven einer benachbarten Dachgeschosswohnung, die systematische Auswertung seines Altpapiers. SCHMIDT-EENBOOM: "Es ging um die Ausforschung meiner Kontaktdaten". Zudem habe eine Überprüfung seines Telefons die Abhörmaßnahmen des BND bestätigt, sagt SCHMIDT-EENBOOM weiter. Gegen die im Schäfer-Bericht erhobene Feststellung, er sei selbst ein V-Mann des BND gewesen, entgegnete er, dass er vor Gericht erfolgreich gegen diese Behauptung geklagt habe.


30.01.2009

Der frühere Bundesrichter und Sachverständiger des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Bespitzelungsaffäre, Gerhard SCHÄFER, sagt vor dem Untersuchungsausschuss als Zeuge aus. Die Oberservation des am Vortages gehörten Publizisten Eric SCHMIDT-EENBOOM durch den Bundesnachrichtendienst bezeichnet SCHÄFER als rechtswidrig. SCHÄFER kritisiert vor allem, dass der BND sich nicht genügend bemüht habe, hausintern den Verdacht zu überprüfen, dass sechs Mitarbeiter die Quellen des Publizisten gewesen sein könnten. Die Behauptungen SCHMIDT-EENBOOMs, dass der BND bei seinen Ausforschungsaktionen gegen Journalisten auch Richtmikrophone eingesetzt und Telefone abhörte, kann der ehemalige Richter nicht bestätigen. SCHÄFER äußert aber auch Verständnis, dass der BND "bestürzt" war über das von SCHMIDT-EENBOOM publizierte Buch. Denn die Befürchtung des BND, von anderen Diensten keine Nachrichten mehr zu erhalten, wenn die eigene Einrichtung nicht mehr "als dicht" eingestuft werde, kommt SCHÄFER zufolge von nicht ungefähr. Medienmeldungen, nach denen der BND ihm Unterlagen vorenthalten habe, kommentiert SCHÄFER mit der Bemerkung, er habe heftig "gewühlt und nachgefragt". Laut ihm sollen aber keine Dokumente manipuliert worden sein. Auch sind Unterlagen nicht bewusst vernichtet worden, sondern wohl aus "Nachlässigkeit" gelöscht worden, so SCHÄFER.


11.02.2009

Nachdem es Bestrebungen gab, die im SPIEGEL interviewten ehemaligen US-Millitärs vor den Ausschuss einzuladen, wird dies von der US-Regierung verweigert. In einem Schreiben der US-Botschaft an den Vorsitzenden des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Siegfried KAUDER (CDU), ergeht ohne weitere Angabe von Gründen die Aussage, die Vereinigten Staaten sähen sich nicht in der Lage, den mittlerweile pensionierten Generälen James MARKS und Tommy FRANKS eine Aussagegenehmigung zu erteilen. Auf der Onlinepräsenz der Süddeutschensueddeutsche.de, wird sogar von einem direkt Betroffenen berichtet, der die Bitte um Erläuterung seiner Aussagen vor dem PUA ablehnte.


12.02.2009

Im Rahmen der gegen den BND gerichteten Vorwürfe, der Dienst hätte Journalisten bespitzelt, findet eine erneute Sitzung des PUA statt, in der insgesamt 4 Zeugen befragt werden. Darunter ein ehemaliger Abteilungsleiter (Abteilung 5 "Sicherheit und Spionageabwehr") des BND, Volker FOERTSCH, der im Jahr 1994 nach eigenen Angaben damit betraut worden war, mit Hilfe seiner guten Kontakte zu Journalisten "Informationsabflüsse" aus dem BND zu stoppen und die Lecks ausfindig zu machen.

Mehrmals beteuert er, seine Pressekontakte hätten allein der "Eigensicherung", also der Wahrung der Geheimhaltung gedient. Damit steht seine Aussage entgegen den Vermutungen mehrerer Abgeordneter, FOERTSCHs Aktivitäten hätten dazu gedient, die Presse auszuforschen oder sogar konkret zugunsten des BND Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Angesichts der dokumentierten Treffen FOERTSCHS mit einem Journalisten von FOCUS meldet Michael HARTMANN, SPD-Obmann im Ausschuss, daran erhebliche Zweifel an. FOERTSCH hatte mit dem Journalisten, Deckname "Jerez", über die Jahre 58 Kontakte: sowohl Telefonate als auch Treffen. Aus 219 Blättern mit Notizen zu diesen Kontakten geht hervor, dass immer wieder über Kontakte zwischen Journalisten und BND gesprochen wurde.

FOERTSCH verneint HARTMANNs Äußerung, räumt allerdings ein, durch Gespräche mit Journalisten zweimal Artikel verhindert zu haben, die schädlich für den BND gewesen wären. Insgesamt wären einige seiner Gesprächspartner durchaus bereitwillig gewesen, ihm Informationen zu liefern. Einige nahmen Geld, während es für andere sogar eine "Prestigesache" war, mit leitenden Posten des BND Gespräche zu führen. Einige der Journalisten hätten ihm über die Arbeit ihrer Kollegen berichtet oder ihm Hinweise gegeben, die ihm auf der Suche nach internen Lecks nützlich gewesen seien. Einmal hätte er einen Journalisten gebeten, einen anderen Journalisten zu "provozieren", um so an Hinweise auf dessen mögliche Quellen zu geraten. BND-Mitarbeiter seien nicht überführt worden, aber man habe "die Probleme lösen können".

FOERTSCH erklärt, nicht nur der damalige Staatsminister im Kanzleramt, Bernd SCHMIDBAUER, sondern auch die jeweiligen BND-Präsidenten seien über seine Kontakte zu Journalisten informiert gewesen. Die Observation des Publizisten Erich SCHMIDT-EENBOOM, der am 29.01.2009 vor den PUA geladen war, hätte er für nicht besonders wirksam gehalten, hätte sie jedoch auch nicht beenden lassen, da sie vom damaligen BND-Präsidenten Konrad PORZNER angeordnet worden sei und nicht wichtig genug gewesen wäre, um deswegen einen Streit mit PORZNER zu beginnen. Eine Meldung des Bundestages zu der Befragung FOERTSCHs können Sie hier abrufen.

Am selben Tag wird auch der jetzige BND-Präsident Ernst UHRLAU vor dem Ausschuss als Zeuge befragt. Von den jahrelangen Bespitzelungen von Journalisten in den 90ern will er erst im November 2005 erfahren haben. Der "Inhalt und Umfang" der Überwachungen waren ihm neu, so der Kommentar UHRLAUs. Für Rechtsverletzungen des BND, so wie die im Schäfer-Bericht dokumentierten Eingriffe in die Pressefreiheit, drückt UHRLAU sein Bedauern aus. Während des Versuches innerhalb des BND interne Lecks aufzuspüren, sei es zu Fehlern gekommen, das sei "unstrittig".


13.02.2009

Der schon von FOERTSCH erwähnte PORZNER, ehemaliger BND-Präsident, wird zum Fall "SCHMIDT-EENBOOM" als Zeuge befragt. PORZNER war während seiner Amtszeit als BND-Präsident verantwortlich für die Observation SCHMIDT-EENBOOMs, die vom Herbst 1993 bis 1994 lief. Im Schäfer-Bericht wird jedoch ein BND-Vermerk erwähnt, nachdem PORZNER die Überwachung des Publizisten angeblich im November 1995 wiederaufnehmen ließ. Dem Vermerk nach lief die Observation bis zum Jahr 2003 und stellt so den gravierendsten Fall der Bespitzelung von Journalisten durch den BND da.

PORZNER wehrt sich erbittert gegen den gegen ihn gerichteten Vorwurf: "Daran ist kein Wort wahr, diesen Schuh ziehe ich mir nicht an." 
Hans-Christian STRÖBELE, Grünen-Obmann im PUA, verweist auf die Aussagen SCHMIDBAUERs, den damaligen Kanzleramtschef und FOERTSCHs, die beide ausgesagt hatten PORZNER sei für die Fortführung der Observation SCHMIDT-EENBOOMs verantwortlich. PORZNER gibt an, die Observation SCHMIDT-EENBOOMs, der ein auf BND-Quellen beruhendes kritisches Buch veröffentlicht hat, angeordnet zu haben um diese internen Lecks des BND ausfindig zu machen. Aufgrund mangelnden Erfolgs hätte er die Observation schon nach wenigen Monaten wieder einstellen lassen. Dass er im November 1995 bei einer Sitzung die Überwachung wieder habe aufnehmen lassen, bestreitet er. Wie es zwei Monate später zu dem anderslautenden Vermerk duch den Geheimschutzeauftragten kommen konnte, den er "sonderbar" fände, könne er sich nicht erklären. Hätte er von diesem Vermerk schon früher erfahren, hätte er ... "die Staatsanwaltsschaft eingeschaltet."

Auf die Frage des FDP-Abgeordneten Hellmut KÖNIGSHAUS, ob es sein könnte, dass SCHMIDBAUER die Observation an PORZNER vorbei über FOERTSCH angeordnet hätte, antwortet dieser: "Damals hatte ich diesen Verdacht nicht." 
"Haben Sie ihn heute?" 
Daraufhin antwortet PORZNER: "Ja." 

Laut PORZNER hat es schon früher große Spannungen zwischen ihm und FOERTSCH gegeben. Mehrfach habe er, PORZNER, versucht, FOERTSCH in den Ruhestand zu versetzen, da er "Weisungen nicht befolgte." Vergeblich. SCHMIDBAUER, der ein außerordentlich gutes Verhältnis zu FOERTSCH gehabt hätte, hätte ihm dies stets verwehrt. Wie ihm "gegen Ende meiner Tätigkeit im Dienst" klargeworden wäre, bestanden unter dem Schutz von SCHMIDBAUER geheime Paralellstrukturen zwischen dem damaligen Geheimschutzbeauftragten "Wilhelm" und dessen Vorgesetzten FOERTSCH (Abteilung 5 "Sicherheit und Spionageabwehr"). Von den weitreichenden Kontakten FOERTSCHs zu Journalisten will PORZNER entgegen FOERTSCHs Aussagen nichts gewusst haben. Insgesamt schildert sich PORZNER während seiner Aussage vor dem PUA als Präsident, der kaum Befugnisse hatte und den Ränkespielen zwischen SCHMIDBAUER und FOERTSCH ausgeliefert war.

Die Mitglieder des PUA reagieren auf die Aussagen PORZNERs mit großen Unverständnis, der BND wird als "Tollhaus" und "Saustall" bezeichnet. Da sich die Aussagen von PORZNER, SCHMIDBAUER und FOERTSCH widersprechen, beschließt der Ausschuss einstimmig die drei Zeugen im März erneut vorzuladen und sie mit ihren unterschiedlichen Aussagen zu konfrontieren.
Hier können Sie eine Meldung des Bundestages zu der Befragung PORZNERs nachlesen.

Am selben Tag wird auch der Vizepräsident des BND und ehemalige Leiter der Sicherheitsabteilung Werner OBER befragt. In seiner Position als Leiter der Sicherheitsabteilung war er zeitweilig mit der Observation von Journalisten vertraut. Gegen ihn gerichtete Vorwürfe nennt er "völlig aus der Luft gegriffen" und bestreitet die Rechtwidrigskeit der Bespitzelung von Journalisten. In den Vorgängen sehe er "keinen Skandal", es ginge immer nur um die Aufdeckung interner Lecks, er sagt jedoch "Die Maßnahmen sind abgeglitten in die Unverhältnismäßigkeit".


05.03.2009

Im Ausschuss kommt es zum Eklat: Die Koalitionsmehrheit setzt sich über einen Beschluss des Bundesgerichtshofs hinweg. Den hatten die Oppositionsparateien angerufen, weil die Koalitionsmitglieder sich weigern, einen Antrag mit zu unterstützen, nach dem die Bundesregierung den Mitgliedern die Herausgabe mehrerer unzensierter Akten gestatten soll, die die Rolle der BRD im Irakkrieg besser darstellen könnten.


18.06.2009

Der BND-Ausschuss legt seinen abschließenden Bericht vor - mit mehreren Sondervoten einzelner Parteien und Abgeordneten. Ein Beleg dafür, wie unterschiedlich die vielen Fakten zur Kenntnis genommen und dann auch politisch bewertet werden.
Insgesamt hat sich der Ausschuss mit folgenden Themen beschäftigt, die auch Eingang in den Abschlussbericht finden:

  • die Fälle El MASRI

  • Murat KURNAZ

  • Mohammed Haydar ZAMMAR

  • Komplex Khafagy

  • CIA-Flüge

  • Geheimgefängnisse der USA in anderen Ländern

  • Irak/Bagdad

  • Journalistenbeobachtung durch den BND

Der Abschlussbericht ist umfangreich: 1.430 Seiten bzw. 12 MB in digitaler Form. Hier kann man ihn lesen und downloaden.
Zu einer einheitlichen Meinung oder Einschätzung kommen die Bundestagsabgeordneten nur in einzelnen Aspekten. Auch Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind - nach derzeitigem Prozedere - eine Wahlkampf-Arena.



(ND / DS / JL)