So entstanden die Berichte - das Making-of

Ein Protokoll von Thomas THIEL

Auf das Thema „Die Methoden der GEZ“ kam ich durch einen Hinweis des Medienressortleiters der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Michael Hanfeld, dem die Betreiberin eines badischen Fitnessstudios eine ausführliche Dokumentation über ihre Probleme mit den Eintreibern der Gebühreneinzugszentrale hatte zukommen lassen. Da ich selbst bis dahin nur positive Erfahrungen mit den Gebührenbeauftragten der GEZ gemacht hatte, hielt ich die dargestellten Praktiken für einen kuriosen Einzelfall. Der Elan kam später, als mir bewusst wurde, dass die Verfahren der GEZ (d.h. die Grauzonen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags bewusst auszunutzen, gezielt Prozesse zu verschleppen, trotz richterlichen Einspruchs weiter Gebührenbescheide zu versenden, Zwangsanmeldungen vorzunehmen etc.) Methode haben.

Die weitere Recherche begann mit der Suche nach allgemeiner Orientierung und konkreten Fallbeispielen in einschlägigen Onlineforen, die dramatische, oft aber auch übertriebene und vor allem ungesicherte Darstellungen enthielten. Ich versuchte zunächst, das Thema in verschiedene Problembereiche aufzufächern (Datenschutz, Umgang mit sozial Schwachen, Zwangsanmeldungen, Verhalten der Gebührenbeauftragten etc.) und dann Kontakt mit einigen in dieser Hinsicht besonders aussagekräftigen Beiträgern des Onlineforums aufzunehmen. Dies gelang jedoch nur in wenigen Fällen. So lautstark der anonyme Protest im Rahmen eines Forums ist, so gering ist die Bereitschaft zur Stellungnahme, wenn die Betreffenden aus der Anonymität herauszutreten gezwungen sind. Die Kontaktaufnahme zu zwei Personen glückte jedoch. Ihre Erfahrungen wurden Grundlage zweier Fallbeispiele.

Die Vorgänge, von denen diese Fälle berichteten, widersprachen derart einer „naiven“ Rechtsauffassung, dass ich - bevor ich ans Schreiben ging - mir durch das Studium des Rundfunkgebührenstaatsvertrags und einiger medienrechtlicher Abhandlungen einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verschaffen versuchte. Daneben galt es, dass aktuelle Geschehen bezüglich der Gebühreneinzugszentrale zu verfolgen, da sich in dieser Zeit viele Dinge änderten oder Änderungen im Gespräch waren. Die offenen rechtlichen Fragen, die sich aus der Analyse der Beispielfälle ergaben, schickte ich in einem Fragenkatalog an den Kölner Medienrechtler Klaus Peifer, um mich zu versichern, dass ich nicht aus einer juristisch naiven Position heraus urteile.

Die Antworten Professor Peifers wurden Grundlage für einen weiteren Fragenkatalog – inzwischen waren die ersten beiden Texte über den Autohändler Winterberg und das badische Fitnessstudio erschienen -, in dem ich den Südwestdeutschen Rundfunk rund 30 konkrete Frage stellte. Die Kommunikation mit der GEZ und den Landesrundfunkanstalten ist eine eigene Geschichte wert und symptomatisch für die Anonymisierungstechniken, die beide Organe mit den Gebührenpflichtigen an den Tag legen. Der Fragenkatalog wurde vom SWR äußerst allgemein beantwortet, auf konkrete Fragen ging man nicht ein. Grundsätzlich versuchte ich jeweils vor und nach der Veröffentlichung eines Textes mit den Verantwortlichen von GEZ und Landesrundfunkanstalten Kontakt aufzunehmen. Oft blieb es beim Versuch, weil sich die konkret Belangten durch ihre Pressestelle vertreten ließen.

Deutlich wurde bei all diesen Versuchen, dass die Gebühreneinzugszentrale eine äußerst schwammige, mit rechtlichen Begriffen kaum zu fassende Entität ist. Alle rechtlichen Auseinandersetzungen leitet sie an die Landesrundfunkanstalten weiter, in deren Auftrag sie handelt, alle unangenehmen Fragen ebenso. Genauso wie gegenüber den Gebührenzahlern pflegt sie gegenüber Journalisten eine äußerst restriktive, bewusst intransparente Kommunikation. Es gab fast nie kontinuierliche Ansprechpartner, die so etwas wie ein Verhältnis Journalisten oder „Kunden“ aufbauen und sich für einmal gemachte Aussagen rechenschaftspflichtig fühlen.

Die weiteren Fallbeispiele kamen von selbst: Unsere Redaktion wurde von Anfragen geradezu überspült. Immer weiter Aktenberge stapelten sich auf meinen Schreibtisch. Die Fortsetzung der Serie, die eigentlich im September abgeschlossen werden sollte, wurde beschlossen. Im Gegensatz zu den ersten am Schreibtisch und am Telefon recherchierten Texten, besuchte ich die Betroffenen jetzt an ihrem Wohnort. Wichtig war es mir, keinen Fall zu veröffentlichen ohne im Besitz der betreffenden Aktenverkehrs zu sein und ihn gelesen zu haben. Da die GEZ meine Kommunikation im Internet, etwa mit den Teilnehmern der Onlineforen, nachverfolgte, musste ich darauf achten, bei möglichem Widerspruch gegen meine Veröffentlichungen von Seiten der GEZ immer auf konkrete juristische Dokumente und nicht nur persönliche Aussagen verweisen zu können.

Wichtig war es mir bei der Serie, anhand bestimmter Fallbeispiele systematisch über die verschiedenen Praktiken der Gebühreneinzugszentrale zu schreiben, mit denen sie ihren zugegebenermaßen schwierigen Auftrag ausführt; es ging mir nicht darum, eine bloße Aneinanderreihung von ähnlichen Fällen zu liefern. Insofern ergab sich eine Gliederung der Texte, die folgende Schwerpunkte abhandeln sollten:

  • Zwangsanmeldung
  • Kommunikationsmethoden
  • Ermittlungsmethoden
  • Verschleppung von Prozessen
  • Warum Rechtsanwälte so schwer für einen Prozess gegen die GEZ zu gewinnen sind
  • das Zusammenspiel von Rundfunkanstalt, Justiz und Politik
  • das Verhalten der GEZ gegenüber sozial Schwachen
  • Datenschutzproblematik


Für jeden dieser Bereiche schuf ich mir feste Ansprechpartner (Rechtsanwälte, Datenschutzbeauftragte etc.). Es ging mir im Rahmen der Serie darum, die Schuldzuschreibung nicht an einzelnen Personen festzumachen, sondern die institutionellen, rechtlichen und politischen Umstände herauszuarbeiten, die für das jeweilige individuelle Fehlverhalten verantwortlich sind. Die Situation der Gebührenbeauftragten ist hierfür beispielhaft. Sie werden bewusst und ohne Not in einer arbeitsrechtlich unsicheren Position gehalten, was ein aggressives Auftreten gegenüber den Bürgern geradezu herausfordert. Insofern lag es nahe, die Aussagen einer ehemaligen Gebührenbeauftragten zur Grundlage eines Interviews zu machen (Fall Rehbein).

Nach der Veröffentlichung der ersten beiden Texte kam eine relativ kurze Stellungnahme der Landesrundfunkanstalten, die meine Darstellungen bemängelten. Konkrete Fehler konnten sie jedoch nicht nachweisen, ihre Kritik blieb sehr allgemein. Wider erwarten gab es keinen Ersuch einer Gegendarstellung von Seiten der GEZ oder der Landesrundfunkanstalten. Meine Bitte um ein Interview mit dem ARD-Intendanten Fritz Raff, dem Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, Kurt Beck, und dem Geschäftsführer der GEZ, Hans Buchholz, wurde in allen drei Fällen zurückgewiesen.

In der Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erfuhr ich große Unterstützung, vor allem durch den Medienressortleiter Michael Hanfeld, der sofort beschloss, meinen ungewöhnlich ausführlichen Anfangstext zum Beginn einer Serie zu machen und der mir weitgehend freie Hand bei der Auswahl der Fälle und Formate ließ. Schwieriger war es, die Serie zu beenden, da sie sich angesichts der unablässigen Anfragen zu einem Fortsetzungsroman von unabsehbarem Ende zu entwickeln drohte. Fast jeder Einzelfall konnte das Recht auf eine publizistische Darstellung für sich reklamieren.

Die journalistische Schwierigkeit, eine derartige Serie zu verfassen, lag vor allem darin, im Getriebe des Tagesjournalismus die Zeit zu finden, sich in lange juristische Akten und Texte einzulesen, um eine doch relativ mächtige Behörde aus juristisch sicherer Position angreifen zu können.