2009 war auch das Jahr, in dem an der Universität Erlangen die Chemiestudentin Birgit K. SCHINDLER an ihrer Dissertation arbeitete: nicht im Bereich der Chemie, sondern bei der Arbeitsmedizin, konkret beim „IPASUM“, dem "Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin", dessen Leiter bis heute Prof. Hans DREXLER ist. Das IPASUM gilt im sozialen Ranking aller arbeitsmedizinischen Lehrstühle als Nummer 1, weil Ende der 60er Jahre dort in Deutschland die Arbeitsmedizin begründet wurde: die sogenannte Erlanger VALENTIN-Schule (mehr dazu unter www.ansTageslicht.de/Valentin). SCHINDLER’s Thema: Flammschutzmittel bzw. die Ermittlung von analytischen Methoden zu deren Bestimmung „in menschlichen Körperflüssigkeiten“.
Es betraf 3 Substanzen: TCP (Tricresylphosphat), TBP (Tributylphosphat), TPP (Triphenylphosphat) und andere chemische Verbindungen aus der Gruppe der Organophosphate , die u.a. als Weichmacher und als Flammschutz eingesetzt werden. Die Arbeit wurde von einem Hochschullehrer am IPASUM betreut, der parallel zur Fertigstellung der Promotion mit der Promovendin zwei wissenschaftliche Publikationen vorbereitete, die unmittelbar danach auch publiziert wurden: im Interesse bzw. Auftrag der Berufsgenossenschaft Verkehr. Ergebnis: Für TBP und TPP lassen sich Methoden zum Nachweis und zur Messung von Metaboliten finden, nicht jedoch für TCP. Nur wenn man im Labor eine Meßprobe mit TCP anreichert („spiked sample“) gelingt dies.
In den beiden SCHINDLER-Publikationen wird das negative Ergebnis, kein Nachweis für TCP gefunden zu haben, nicht weiter diskutiert. Die maßgebliche Autorin geht nicht auf die Fragen ein, die sich ein Wissenschaftler eigentlich stellen würde. Zum Beispiel
- ob überhaupt der im Metabolisierungsprozess entstehende zutreffende Metabolit gefunden wurde
- oder ob die zu messenden Ausgangsmengen für einen meßbaren Nachweis ausreichend waren
- bzw. ob der sogenannte „minimum level of detection“ bzw. die Nachweisgrenze zu hoch angesetzt wurde und
- ob genetische Unterschiede der Objekte bei den Metabolisierungsprozessen möglicherweise Erklärungen für das negative Meßergebnis sein könnten.
Nichts davon lässt sich in den beiden Publikationen (SCHINDLER 2009a, SCHINDLER 2009b) lesen.
Ein Wissenschaftler, der eine neue Methode als Erklärung für einen Zusammenhang gefunden zu haben glaubt und diese der Fachöffentlichkeit vorstellen will, muss für seine neue Erkenntnis a) Validität (Methode funktioniert) und b) Reliabilität (das gefundene Ergebnis lässt sich mit der Methode regelmäßig wiederholen) beweisen. Kann er das nicht bzw. fällt eine solche Suche (z.B. Tests) negativ aus, so gibt es 2 Erklärungsoptionen.
- Option 1: Der Zusammenhang existiert so nicht. Man kann ihn deswegen auch nicht nachweisen.
- Option 2: Der Zusammenhang ist existent, man konnte ihn aber mit der bisher angewandten Methode nicht beweisen. Also muss man andere Methoden ausprobieren.
Bei SCHINDLER geschieht dies 2009 nicht.
Ungeachtet dessen sieht der wissenschaftliche Erkenntnisstand im Jahr 2009 so aus: Es gibt keine Methode, TCP im Urin von Menschen nachzuweisen und zu messen.
Veröffentlichungen anderer Wissenschaftler aus den USA im Jahr 2011 (LYASOVA et al, FURLONG et al) kommen ebenfalls nicht weiter: TCP bzw. ToCP gerät bei einem drastischen Fume Event zwar in den menschlichen Körper, aber es lässt sich weder im originären Zustand noch mittels eines adäquaten Metaboliten im Urin von Menschen nachweisen.