Ein Aerotoxic-Syndrome-Vorfall auf einem Lufthansa-Flug im April 2015?

Vorbemerkung:

Dieses Erinnerungsprotokoll hat ein Student verfasst, der im Wintersemester 2017/18 Teilnehmer des Projekts "DokZentrum ansTageslicht.de" war, das sich zu dieser Zeit mit dem Problem von Fume Events und deren Folgen beschäftigt hatte, sowie mit der Frage, warum sich da nichts ändert. Er konnte sich sofort an einen Vorfall erinnern und hat diesen dann hier 'zu Papier' gebracht:


Ein Gedächtnisprotokoll von D.B. (Der vollständige Name ist der Redaktion ansTageslicht.de bekannt)

Gleich zu Beginn meines kurzen Berichts möchte ich erwähnen, dass ich mich leider nicht mehr an das genaue Datum oder die Flugnummer meiner damaligen Reise erinnern kann. Ich kann also lediglich vom Hergang des Vorfalls an Bord des Flugzeuges berichten. Des Weiteren kann ich auch nicht bestätigen, dass es sich tatsächlich um einen Vorfall handelte, der mit dem so genannten „Aerotoxic Syndrome“ zu tun hat.

An einem Morgen im April 2015 begann ich meinen Flug von Hamburg nach Dublin in Irland mit einem Zwischenstopp in Frankfurt. Der Flug von Hamburg nach Frankfurt verlief gewohnt reibungslos und ohne irgendwelche erwähnenswerten Ereignisse. In Frankfurt angekommen wartete ich für rund 30 Minuten an einem Gate auf meinen Anschlussflug. 

Pünktlich wurde das Gate geöffnet und die Passagiere begannen mit dem Boarding in den Airbus A320. Dann begann das alltägliche Prozedere. Die Reisende verstauten ihr Gepäck und nahmen auf den ihren zugewiesenen Sitzen platz - mich natürlich eingeschlossen. Nach dem ich es mir bequem gemacht hatte hieß es dann wie immer warten. Nach rund 15 Minuten wurden dann die Türen geschlossen und das Taxiing weg vom Gate und runter zur Startbahn begann. Während der Taxiphase wurde es dann wie gewohnt etwas lauter in der Kabine, verursacht durch das Starten der Klimaanlage und dem Warmlaufen der Hilfsturbine und der Haupttriebwerke. Bis hier hin war alles ganz normal.

Letztendlich erreichte das Flugzeug die Startbahn. Nach einer weiteren Wartezeit von rund 5-10 Minuten machte der Kapitän eine Durchsage, in der er den Passagieren nur kurz mitteilen wollte, dass wir noch eine weitere Maschine vor uns hätten und von daher noch weitere 10-15 Minuten warten müssten, bis er und seine Crew die Starterlaubnis erhielten. Also warteten wir nochmals. Dann kam die Durchsage "Cabin Crew, get ready for take-off."  und die Turbinen wurden lauter. 

Nur Sekunden, nachdem die Turbinen mehr Schub erhielten, stieg mir und auch den Passagieren ein beißender Geruch in die Nase, der als eine Mischung aus verbranntem Motoröl und faulen Eiern wahrzunehmen war. Der Flieger erhielt "Start-Schub", rollte immer schneller werdend in den „take-off“. 

Innerhalb kürzester Zeit war eine große Anspannung seitens der Passagiere zu vermerken. Ich hörte, dass sich einige der Menschen an Bord über den Geruch unterhielten. Eine ältere Dame, die direkt vor mir saß meinte, dass es ihr komisch und übel wird. Auch eines der Crew-Mitglieder, eine Stewardess im höheren Alter bemerkte scheinbar den Geruch, da sie ihre Nase rümpfte und mit fragendem Blick die Sitzreihen hinunter schaute. Der Airbus A320 hob letztendlich ab und begann mit dem Steigflug. 

An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass ich bisher eine Vielzahl von unterschiedlichen Flügen miterlebt habe und die ganze Prozedur, vom Start bis hin zum "Climbing" vollkommen reibungslos und normal verlief. Das Wetter war ideal, der Aufstieg zur Reisehöhe erfolgte ohne besondere Vorkommnisse. 

Während das Flugzeug nun seit circa 2-3 Minuten am steigen war wurde es langsam leicht diesig, beziehungsweise nebelig in der Kabine. Die Menschen an Bord wurden immer unruhiger. Dies erschien mir als absolut nachvollziehbar, da es nicht der Norm eines Linienfluges entspricht, nicht nur einen "komischen" Geruch, sondern auch eine Rauchentwicklung wahrzunehmen. Also wurden die Stimmen der Passagiere immer lauter, Kinder begannen zu schreien und weinen und auch ich wurde langsam unruhiger. Ich hatte einen Fensterplatz auf der rechten Seite des Fliegers, nahezu direkt über der Tragfläche mit Blick auf das rechte Triebwerk. Ich schaute aus dem Fenster und schaute mir das Triebwerk an, da ich wissen wollte, ob man dort irgendeinen Schaden sehen kann (was man halt so tut, wenn irgendwas komisch ist).

Die Rauchentwicklung hielt noch für ungefähr 3-4 Minuten an, bis ein deutlich sichtbarer Dunst in der ganzen Kabine zu sehen war. Nach rund 15 Minuten nach dem Start lösten die Crew-Mitglieder ihre Gurte und standen auf. Direkt riefen einige Passagiere die Flugbegleiter zu sich und fragten, was es denn mit dem Geruch und der Rauchentwicklung auf sich habe und ob denn alles ok wäre. Ich dachte noch kurz daran, ein Video oder ein Foto von den Geschehnissen zu machen. 

Dies vergaß ich dann aber direkt, da die alte Dame direkt vor ebenfalls eine Stewardess zu sich rief und meinte, dass es ihr nicht gut gehe. Meine Aufmerksamkeit galt voll diesem Gespräch. Genaueres kann ich leider nicht dazu sagen, da die alte Dame sehr leise sprach. Was ich aber sagen kann ist, dass die Stewardess kurz verschwand und ein paar Minuten später wieder mit einem Becher Wasser und einer Tablette zurück kam und die Dame dieses zu sich nahm. 

Die Menschen an Bord waren immer noch sehr aufgeregt und nervös. Immer mehr Passagiere unterhielten sich über die Ereignisse. Einige von ihnen klagten über Übelkeit, Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme. Auch ich hatte ein paar Symptome. So war mir zeitweise speiübel. Auch bekam ich einen Pfeifen auf den Ohren und leichte Kopfschmerzen. Beim Boarding ging es mir noch super und ich fühlte mich fit. Als dann der Geruch und der Rauch auftrat, fühlte ich mich, als hätte ich Watte im Kopf, inklusive der genannten Symptome. 

Als das Flugzeug dann seine Reisehöhe erreicht hatte (falls meine Eindrücke richtig waren), ging eine Stewardess vor zur Tür des Cockpits und klopfte. Einer der beiden Piloten kam aus dem Cockpit heraus. Er bemerkte Rauch und Geruch (was an seiner Mimik zu erkennen war), redete kurz mit der Flugbegleiterin und verschwand wieder im Cockpit. Rund 5 Minuten später kam eine Durchsage vom Kapitän, in der er erwähnte, dass er um uns Passagiere zu beruhigen, kurz etwas zu den Ereignissen sagen möchte. 

Er sagte, dass die Rauch- und Geruchsentwicklung lediglich überschüssiges, verbranntes Kerosin wären und dass dies ab und zu mal vorkommt. Es hätte allerdings überhaupt keinen Einfluss auf die Sicherheit des Flugzeuges. Er meinte ebenfalls, dass beides auch bald wieder verschwinden würde und die Passagiere sich keine Sorgen machen sollen. Der Flug würde nun ohnehin nur noch knappe eineinhalb Stunden dauern. Bis Dublin sei es ja nicht weit. Am Ende seiner Durchsage bat er die Passagiere, den Vorfall zu entschuldigen und er wünschte uns noch einen angenehmen Flug mit der Lufthansa. 

Während des kompletten Fluges nach Dublin kam es immer wieder vor, dass vereinzelt Passagiere die Flugbegleiter zu sich riefen und die schlechte Luft an Bord bemängelten. Ein Mann, der über Übelkeit klagte fragte, ob man die schlechte Luft nicht irgendwie ablassen könne und neue, frische Luft durch Sauerstofftanks oder sowas bekommen könne. Der Gestank sei nicht auszuhalten. Die Flugbegleiterin lächelte und sagte, dass dies leider nicht möglich sei. Der Mann könne aber ein Wasser bekommen. Der Flug sei ja auch bald vorbei. Auch die Flugbegleiterin bat nochmals darum, den Vorfall zu entschuldigen.

Auf dem gesamten Flug lag ein Dunst in der Kabine. Der Geruch verschwand circa 30 Minuten vor Dublin, allerdings denke ich, dass dies lediglich mit der Gewöhnung daran zu tun hatte.

Der Sinkflug und auch die Landung in Dublin verliefen vollkommen normal. Was ich noch bemerkte, war, dass die Menschen schleunigst aus dem Flieger raus wollten, als dieser schlussendlich das Gate erreichte. Die Menschen waren sichtlich angespannt und gereizt. Als ich dann aus dem Airbus ausstieg, bemerkte ich den starken Unterschied zwischen der frischen Luft an Land und dem stickigen Gestank an Bord. 

Anmerkung:

Ich fliege gerne und oft und ich interessiere mich sehr für Flugzeuge und deren Technik. Ich weiß also ein paar Dinge über das Fliegen an sich. Allerdings kann ich mit keinerlei Gewähr behaupten, dass es sich in diesem Fall um einen Aerotoxic-Syndrome-Vorfall gehandelt hatte. Ich schilderte lediglich die Geschehnisse und meine Eindrücke. 

D.B., 06.10.2015

Der Text, den Sie hier lesen, ist Bestandteil des Themenkomplex

Krank durch Arbeit, konkret: durch kontaminierte Kabinenluft in Flugzeugen ("Fume Event").

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