Für den Rückflug ist im Flight Report Cockpit (FRC) dies festgehalten:
„Während dem Rollen zur Startbahn gab es einen Geruch in Reihe 11-16; es verbesserte sich mit den packs in HIGH und einer erhöhten Triebwerksdrehzahl N1 von 29% for ca. 3min in Bahn Nähe stehend.
Durch die offensichtliche Verbesserung und nach Rücksprache mit der gesamten Crew, entschlossen wir uns für einen Start unter der Bedingung, dass die Kabinencrew die Qualität der Kabinenluft checkt, wenn wir 5000ft Höhe erreicht haben. (die in London Gatwick sehr lange beibehalten werden müssen auf der Abflugroute). Wir vermuteten, dass dies unseren Verdacht bestätigen könnte, dass die APU der Grund für den Geruch sein würde.
Zunächst verbesserte sich die Luftqualität, danach wurde es wieder schlechter. Der Geruch war am schlimmsten in den Reihen 11-16. Es war besonders intensiv in der Reihe 14D.
Die Kabinencrew meldete, dass einige wenige Passagiere Luft sehr bewusst eingeatmet hatten, offensichtlich mit dem Ziel, Gerüche zu identifizieren, aber niemand wandte sich damit an die Kabinencrew.“
Laut CVR (53:40) macht CP die folgende Äußerung: „… ich fühle mich unklar im Kopf, ich war heute früh sehr klar!!!“ Daraufhin der FO: „Es kann genauso gut Müdigkeit sein, die durchschlägt.“ Und nach weiteren 6 Minuten (54:46): „ich könnte mir auch einbilden, dass es mir nicht gut geht. (im Tonfall von: jetzt fühle ich mich auch komisch - FO ist Kanadier, deshalb der Satzbau, Anm. MF). Das Problem…es ist ansteckend…“
Ob sich die ‚Geruchssituation‘ auch auf den FO auswirkt, obwohl er sich während des gesamten Fluges hin und zurück ausschließlich im Cockpit aufgehalten hat, ist nicht klar. Klar und durch die Aufzeichnung des CVR belegt ist aber, dass er auf dem Rückflug mehrere Fehler macht: stellt eine falsche Frequenz ein, nennt falschen FL im Readback (FL 370 statt FL 410); hatte bereits beim Anflug auf LGW weit hinter der Bahnschwelle aufgesetzt, offensichtlich aufgrund von Unkonzentriertheit (siehe Abschrift CVR, S 1).
Unkonzentriertheit und kleine Fehler können schnell zu einem ernsthaften Problem ausarten. Der Flug GTW - NUE dauert zwar nur etwa 1 Stunde und 15 Minuten, gehört aber zu den anstrengensten Strecken: Der Luftraum London ist übervoll, der Flieger streift auf dem Weg nach Nürnerg Brüssel und Frankfurt: ebenfalls große Flughäfen. Bis zu 50 "Kontrollanweisungen" kann es auf dieser Strecke geben, weil das Flugzeug ständig durch einen neuen "Sektor" muss - z.B. um anderen Fliegern auszuweichen, und deswegen mal höher, mal tiefer, mal seitlich gehen muss.
Jedenfalls geht der CP (1:04 – 1:10) in die Kabine bis zur hinteren Galley (Bordküche), „um die Intensität des Geruches zu checken. Es war nicht "extrem", aber es war definitiv vorhanden. Es gab keine Hinweise, dass die Luft Rauch enthalten würde; Es schien von der Luft der Klimaanlage zu stammen.
Auch in der hinteren Galley wurden Gerüche festgestellt. Speziell in Toilette 3L war es extrem wahrzunehmen, als zufällig ein Passagier herauskam. Zunächst dachten wir, es könnte ggf. ein Parfüm sein - aber wir checkten die Toilette und waren sicher, dass es sich dabei um den Geruch handelte, den wir gerade überprüften.
Der CP hält sich laut Abschrift des CVR 6 Minuten in der Kabine auf (1:04 – 1:10). Auf dem Rückweg ins Cockpit hält der FRC für den 20.10.11 dies fest: Auf dem Weg zurück zum Cockpit, bekam ich [capt] weiche Knie, offensichtlich als Ergebnis meiner Exposition zu dem giftigen Geruch“. Laut Abschrift des CVR (1:35) sagt CP dies zum FO: „Als ich von hinten nach vorne gegangen bin Richtung (cockpit-) Tür, hab ich gedacht, ich brech jetzt gleich zusammen, so ungefähr.“
Zurück im Cockpit geht der im Flugwesen übliche Entscheidungsfindungsprozess FORDEC (Facts > Options > Risk + Benefits > Decision > Execution > Check) zwischen CP und FO so aus, dass man trotzdem in NUE landen und nicht nach FRA ausweichen wolle, da man bereits in 18 Minuten mit dem Sinkflug auf NUE beginnen möchte – „mit hoher Geschwindigkeit, mit möglichst vielen Abkürzungen und einem kurzen Instrumentenanflug 28 in Nürnberg.“
Währenddessen muss der CP mehrmals die Sauerstoffmaske aufsetzen, „um zu versuchen, seinen Kopf klarzubekommen, nachdem er den Dämpfen ausgesetzt war.“ Als Folge beschließt die Cockpit-Crew auf eindringlichen Vorschlag des FO, dass der FO den Anflug und die Landung übernimmt, „um eine sichere Durchführung zu gewährleisten.“ Eigentlich war CP dafür vorgesehen, diesen gesamten Flug als „pilot flying“ durchzuführen.
„Während des Fluges schalteten wir den Rezirkulation Fan aus. (der seit nach dem Triebwerksstart eingeschaltet war) [Anm.: um den Elektromotor des Fans als Ursache auszuschließen]
Nachdem die Kabinencrew einen Geruch eines Gemisches von Öl und elektrischem Geruch beschrieb, schalteten wir den Galley power/IFE Schalter aus. (auf der DAHIA hängen beide am Galley power Schalter) [Anm.: auch hier, um bestimmte elektrische Systeme als Ursache ausschließen zu können].
Als wir in Nürnberg zur Park Position rollten, entschieden wir uns dazu, keine Ansage zu machen um nicht unnötigerweise Passagiere zu verärgern, da keiner der Passagiere den Geruch oder Beschwerden erwähnt hatte.
Nach dem Aussteigen der Passagiere kam ein Techniker an Bord und stellte sofort (!) ein Öl und elektrischen Geruch in der gesamten Kabine fest. (seiner Meinung nach einer Tendenz zu elektrischem Geruch).”
Nach dem touch-down und dem Abschalten des CVR hält CP in einer Anmerkung zur Abschrift des CVR dies fest:
„Ich saß nach der Landung völlig desolat im Cockpit. Ich musste dann noch den Tech Log Eintrag machen, mit der Lufthansa Technik die Situation besprechen. Hierzu war ich alleine nicht mehr in der Lage. Die Crew wartete schon einige Minuten im Crew Bus, da ich vorgeschlagen hatte, dass sich alle einem Bluttest unterziehen. Ich musste den FO wieder aus dem Bus holen, um mir zu helfen, das Tech Log auszufüllen. Ich fühlte mich wie völlig betrunken. Dies blieb einige Tage so, ich hatte eine Woche lang hämmernde Kopfschmerzen und wusste nicht, warum.
Der über die Türe 1L in die Kabine gekommene Techniker stellte sofort den intensiven Geruch fest, eine Mischung aus elektrischem Schmorgeruch und Öl.
Während sich die gesamte Crew danach zum Bluttest (Nebraska-Test) begibt (alle werden positiv getestet), lässt MF darüber hinaus weitere Untersuchungen durchführen und wird für 10 Tage krankgeschrieben – er ist not fit for flight.