
"The body has been eaten by the fish"
Vorbemerkung:
Dies ist der zweite Teil bzw. das zweite Kapitel der Balsam-Story. Im ersten Kapitel wurde beschrieben, wie aus einem kleinen mittelständischen Unternehmen der Weltmarktführer wurde und mit welchen Methoden dies geschah, und wie alles aufflog, weil alles aus ‘Luft’ bestand. Im Mittelpunkt: ein Whistleblower und ein unermüdlicher Kriminalbeamter, der nie aufgibt: KHK Karl-Heinz WALLMEIER.
In diesem Teil geht es um die Jagd nach dem Finanzjongleur der Balsam AG, der angeblich den Freitod gesucht hatte.
So schnell gibt der unermüdliche Kripobeamte Karl-Heinz WALLMEIER nicht auf. Als Sportler weiß er, dass oft Ausdauer und Disziplin von Nöten ist. Und er weiß, dass die Abteilung Zielfahndung beim Bundeskriminalamt eine tüchtige und flotte Truppe ist. Vor vier Jahren, 1995, hatten BKA-Beamte den flüchtigen Pleite-Immobilienunternehmer Dr. Jürgen SCHNEIDER augespürt. In Miami/Florida in den USA, da wo es immer warm und sonnig ist.
Auch SCHNEIDER hatte einen Abschiedsbrief hinterlassen, allerdings nicht um seinen Freitod anzukündigen, sondern dass er eine Art Pause brauche. Denn inzwischen war sein Schwindel aufgeflogen und er war pleite, hatte jetzt Milliardenschuiden gegenüber zahlreichen Banken, die auch bei BALSAM in die Röhre gucken mussten. Ähnlich wie Klaus SCHLIENKAMP, der ehemalige Finanzchef von Balsam, hatte SCHNEIDER seine Baupläne für die über 50 Banken frisiert, die ihm das Geld nur so hinterherwarfen. Aus 9.000 Quadratmeten gewerblicher Nutzfläche wurden 22.000 beispielsweise bei der “Frankfurter Zeil” und so bekam er mehr Kredit. Mit dem konnte der tüchtige “Unternehmer” dann wieder ein neues Sanierungsprojekt beginnen und den eigenen Lebensstil in der Prunkvilla in Königstein im schönen Taunus-Land kultivieren: in der “Villa Andreae”, wo er regelmäßig Hof hielt und die Bankenvertreter ihm auch gerne applaudierten. Und ihm zu Füßen lagen.
Jetzt setzte WALLMEIER die Wiesbadener Zielfahndung auf SCHLIENKAMP an.
Das war nicht so einfach. Denn SCHLIENKAMP hatte ganz offenbar alle Kontakte und Netzwerke hierzulande abgebrochen. SCHNEIDER pflegte regelmäßig unregelmäßig über ein Anwaltsbüro in Genf zu telefonieren, um sich auf dem Laufenden zu halten. Den Zielfahndern gelang es, ihn zu orten.
SCHLIENKAMP, angeblich tot bzw. von den Fischen in der Südsee verspeist, telefonierte nicht.

Statt tot in der Südsee jetzt wohlauf auf den Philippinen?
Natürlich hatte WALLMEIER die Fluglisten diverser Flughäfen checken lassen, dann in der ZDF-Sendung “Aktenzeichen xy” nach ihm suchen lassen, aber alles ohne Ergebnis. Von SCHLIENKAMP keine Spur. Ein vielversprechender Hinweis auf die Bahamas, wohin WALLMEIER selbst geflogen war, um ihn dort mit kriminalistischen Methoden aufzuspüren, verlief ebenfalls im Sande. Aber dann bekamen die Wiesbadener Zielfahnder einen Hinweis, denn der Ex-Balsam-Finanzchef wurde längst mit internationalem Haftbefehl gesucht: Asien. Weit weg. Aber warm. Die Philippinen. Irgendwo. Möglicherweise.
Es war ein vager Hinweis. Aber wenn man nichts anderes hat, dann geht man jeder Spur nach.
WALLMEIER & Co fliegen diesesmal in die andere Himmelsrichtung. Ziel: die philippinische Hauptstadt. In Manila erweist sich die Visa- und Einwanderungsbehörde kooperationswillig. Sie gestattet den deutschen Beamten unzählige Kartons mit ausgefüllten Einreisedaten auszuwerten. Seit SCHLIENKAMP's Flucht waren 13 Monate vergangen und die Philippinen sind ein begehrtes Urlaubsziel. Mehrere Millionen Touristen heißt der Inselstaat jährlich willkommen. Und ebenso viele Einreiseformulare sammeln sich dann an. Sucht man einen bestimmten Namen, gleicht dies der Suche nach der Nadel in einem Heuhaufen. Aber jeder Heuhaufen ist dann irgendwann auch mal durchgearbeitet. Wenn man sich die Mühe macht.
WALLMEIER macht sich die Mühe. Und irgendwann findet er das, wonach er sucht. Das Einreisevisum lautend auf den Namen Klaus SCHLIENKAMP. Ein erster Treffer. Aber nur der erste.
Jetzt gilt es den zweiten zu landen. Wo ist SCHLIENKAMP in dem Inselstaat mit seinen 110 Millionen Einwohnern abgeblieben? In Manila? Weitergereist irgendwohin?
Ein neuer Heuhaufen, den es zu durchforsten gilt, und siehe da, in einer der vielen Flugpassagierlisten taucht der Name wieder auf: Ein Flug nach Cebu City auf der Insel Cebu, dem zweitgrößten Ballungsraum des Inselstaates. Rund 1 Million Einwohner.
Das polizeiliche Einwohnermeldeamt weist nicht den gesuchten Namen auf. Das wäre auch zu schön gewesen. Also ist Kreativität gefragt.
Die Insel wird, so erfahren es die Fahnder, gerne von Deutschen als Auswanderungsziel präferiert. Deswegen gibt es auch eine deutschsprachige Community. Und vor allem: es gibt in Cebu City zwei deutsche Bäcker.
Ein "rotes Auto"
Also nichts wie hin, lautet das Motto, mit einem Foto in der Tasche. Ein deutscher Bäcker in Cebu hat viele Kunden, insbesondere Deutsche, weil es ja ein beliebter Standort ist. Bäcker stehen hinter der Theke oder Backofen. Kundengesichter merken sie sich eher nicht, insbesondere nicht von jenen, die nicht so häufig anstehen.
Aber auch hier zahlt sich die Mühe aus. Ein Backwarenliebhaber, der gerne auch mit anderen in deutscher Sprache plaudert, kann sich erinnern. An das Gesicht. Und dass derjenige mit dem Gesicht “ein rotes Auto” fährt.
Nun gibt es auch im zweitgrößten Ballungsraum des philippinischen Inselstaates viele rote Autos. Aber die Suche konzentriert sich ersteinmal auf die angrenzenden Stadtviertel, denn der andere deutsche Bäcker hat sein Geschäft am anderen Ende der Stadt. Da hat man sich natürlich auch schon längst umgehört, aber niemand vermag mit dem Foto etwas anzufangen.
Dafür ist man hier jetzt weiter und so kutschieren KHK WALLMEIER und ein Zielfahnder des BKA zusammen mit zwei heimischen Polizeibeamten durch die Strassen in einem philippinischen Polizeiauto. Ohne sie ginge das nicht. Die Strassen haben keine Namensschilder.
Immer da, wo ein rotes Auto steht, klingeln die philippinischen Kollegen. Und irgendwann ist es dann soweit. Eine junge Frau eilt die Treppe an der Haustüre hinab und öffnet das Tor zur Strasse, der männliche Part ein wenig später, denn er will wissen, warum die Polizei vor der Türe steht.
Das weiß er wenige Sekunden später. Er kennt das Gesicht nur zu gut: KHK Karl-Heinz WALLMEIER. Sein Erstaunen ist so groß, dass er sich kreidebleich auf die Treppe setzen muss. Mit allem hat er gerechnet. Aber nicht, dass eines Tages der tüchtige Kriminalbeamte aus Bielefeldvor seiner Türe auftauchen würde - 10.000 Kilometer Luftlinie weit weg bzw. knapp 16 Stunden Flugzeit entfernt.
Viel Zeit bleibt ihm nicht. Er muss sein Köfferchen packen, sich von seiner frisch angetrauten philippinischen Eehefrau verabschieden und dann geht es in verschiedenen Etappen zurück in die Heimat. Konkret: ins Gefängnis. 10 Jahre Haft liegen vor ihm.
(JL)
Online am: 07.11.2024
Aktualisiert am: 04.06.2025
Inhalt:
Die Balsam-Story: Von einer Mittelstandsklitsche zum Weltmarktführer
- Chronologie des Balsam-Skandals. Im Mittelpunkt: ein Polizei-Ermittler
- "The body has been eaten by the fish"
- Whistleblower, Staatsanwalt, DER SPIEGEL und die NGO Business Crime Control: eine Grafik
- Andere über Balsam
Tags:
Betrug | Misswirtschaft | Pleite und Bankrott | Polizei | Staatsanwalt | Whistleblower

Whistleblower
Dies ist die Geschichte eines Whistleblowers