Der Einmarsch des staatlichen Macht in Gestalt
- der "Sicherungsgruppe Bonn", einer Abteilung des Bundeskriminalamts (angeführt durch einen ehemaligen SS-Hauptsturmführer)
- des Militärischen Abschirmdienstes (MAD)
- unterstützt durch Kriminal- und Schutzpolizei aus Hamburg
in die Redaktion des SPIEGEL am 26. Oktober 1962 markiert ein tiefgreifende Zäsur in der Entwicklung der Bundesrepublik. Der Vorgang ist vergleichbar mit der zehn Jahre später einsetzenden Watergate-Affäre in den USA: Die Menschen glauben danach nicht mehr alles, was ihnen die Obrigkeit glauben machen zu machen meint.
In Deutschland werden die Ereignisse als "SPIEGEL-Affäre" in die Annalen eingehen. Benannt nach dem unbotmäßigen Medium, nicht nach dem oder den Verursachern. DER SPIEGEL hatte einen - aus der Sicht des Bundesverteidigungsministers Franz Josef STRAUSS (CSU) - ausgesprochen unerwünschten Bericht über den Zustand und die verteidigungspolitische Schlagkraft der Bundeswehr im Zusammenhang mit einem vorhergegangenen Nato-Manöver ("Fallex 62") veröffentlicht. Zwischen STRAUSS und dem SPIEGEL bzw. dessen Herausgeber Rudolf AUGSTEIN standen die Signale aber schon seit fünf Jahren auf Kampf. So war die sorgfältig recherchierte, aber mit brisanten Informationen aufgeladene SPIEGEL-Titelgeschichte vom 8. Oktober 1962 nur der Anlass, nicht der Grund für die Invasion auf das verhasste Kampfblatt aus dem Norden.