Das Making-of der "Demontage"

Aufgeschrieben von den beiden Autoren der “Demontage einer Staatsanwältin” Sönke IWERSEN und Volker VOTSMEIER

Die Geschichte begann mit einem Widerspruch.

Anne BRORHILKER, Deutschlands profilierteste Ermittlerin im Steuerskandal Cum-Ex - – bekannt für jahrelange Aufklärungsarbeit, mehrfach gerichtlich bestätigte Schuldsprüche und internationale Anerkennung – bittet überraschend um ihre Entlassung. Nur Wochen später stellen ihre Vorgesetzten sie öffentlich als fachlich unzureichend dar. Für uns war das der Startpunkt: Was steckt hinter dieser Wende?

Die Recherche zu „Die Demontage der Anne BRORHILKER“ war eine Gratwanderung zwischen tiefem Faktenstudium, journalistischem Spürsinn und erzählerischer Klarheit. Sie erstreckte sich über Monate, durchzog Archive, Ausschussprotokolle, Gerichtsakten und vertrauliche Korrespondenzen. Im Zentrum stand dabei stets die Frage: Wie kann es sein, dass jemand mit einer derart herausragenden Bilanz in ihrer eigenen Behörde so wenig Zuspruch fand?

Die größte Herausforderung lag im Ausmaß der Geschichte: Sie umfasst über ein Jahrzehnt politischer, juristischer und medialer Entwicklungen. Um den roten Faden zu finden, mussten wir nicht nur die Faktenlage rekonstruieren, sondern auch die oft verdeckten Motivlagen der handelnden Personen entschlüsseln – von Ministerien bis zu internen Machtgefügen innerhalb der Justiz.

Entscheidend war dabei der Zugang zu vielschichtigen Quellen. Manche sprachen offen, andere nur unter der Bedingung absoluter Vertraulichkeit. Es war oft ein Mosaik, das sich nur langsam zusammensetzte – und in dem jede Information neue Fragen aufwarf. Wir konnten rekonstruieren, wie frühzeitig politische Entscheidungen fielen, welche Akten nicht weitergegeben wurden, und wie sich das Bild einer Justizbehörde verdichtete, in der Macht und Eitelkeit mitunter schwerer wogen als Aufklärung und Integrität. BRORHILKER, die erfolgreichste Steuerermittlerin Deutschlands wurde tatsächlich systematisch ausgebremst, diskreditiert und schließlich verdrängt.

In der redaktionellen Arbeit war dann Struktur alles. Es galt, aus der Materialfülle eine nachvollziehbare Dramaturgie zu entwickeln – mit Kapitelstruktur, Chronik und zentralen Akteuren, um ein komplexes Geschehen erzählerisch zu fassen. Der Artikel wurde nicht nur als Bericht konzipiert, sondern als Protokoll einer systematischen Demontage.

Was uns dabei antrieb, war mehr als der journalistische Ehrgeiz. Es war das Gefühl, dass hier exemplarisch sichtbar wird, wie verletzlich die Idee eines unabhängigen Rechtsstaats ist, wenn Aufklärung politisch unliebsam wird. Dass jemand wie Anne BRORHILKER – integer, klug, hartnäckig – an diesem System scheitert, sollte uns allen zu denken geben.

Diese Arbeit ist unser Versuch, das sichtbar zu machen.