Staatsanwaltschaft Köln: "Das macht Arbeit; so jemanden will man in der Behörde nicht"

So zitiert das “Handelsblatt” einen Insider aus der Kölner Staatsanwaltschaft in seinem Report Die Demontage. Gemeint sind damit vor allem die ‘Hierarchen’ - die Vorgesetzten und deren Vorgesetzten. Nicht jene, die die eigentliche Arbeit machen. Denn die sind meistens hoffnunglos überlastet, kommen mit ihrer Arbeit kaum hinterher. Im Gegensatz zu den Staatsdienern ‘oben’, die vornehmlich verwalten und Anweisungen nach unten (weiter)geben - ein eher ruhiger Job.   

Zudem ist dies ein altbekanntes Phänomen aus der Arbeitspsychologie und Arbeitsorganisation: Wenn sich Mittelmaß mit besseren Leistungen  oder gar Bestleistung anderer umgeben sieht, wird das als potenzielle Gefahr empfunden. Denn jene, die mehr zustande bringen, outen indirekt die (oft empathielosen) Amtsträger als durchschnittliche Massenware sozusagen.

Im Gegensatz zu effizient aufgestellten Unternehmen, bei denen hervorragende Leistungen honoriert werden (Gehalt, Karriere) ist dies bei Behörden meist nicht der Fall. Durchschnittliches Leistungsniveau oder gar weniger Leistung ziehen selten finanzielle Einbußen nach sich. Insbesondere wenn es praktizierter Standard ist. Und Aufstiegsmöglichkeiten im Beamtenapparat setzen völlig andere Kriterien voraus (z.B. richtiges Parteibuch, Anpassung und Beamtengehorsam u.a.m.).

Jene, die sich engagieren und damit in der Hierarchie anecken, haben schon verloren. Einst kursierte dafür das Kürzel “EdeKa”: “Ende der Karriere”. Wir haben mehrere solcher Beispiele dokumentiert (www.ansTageslicht.de/Flick; www.ansTageslicht.de/Arbeitsaemter; www.ansTageslicht.de/Schloetterer; www.ansTageslicht.de/Werner-Borcharding u.a.m.)

Die Staatsanwaltschaft Köln macht da auf ihren höheren Ebenen offenbar keine Ausnahme. Staatsanwältin Anne BRORHILKER, deren Demontage das “Handelsblatt” ausführlich rekonstruiert hat und dafür 2025 einen der renommierten “Wächterpreise der Tagespresse” zugesprochen bekam, war für ihre Vorgesetzten in der Kölner Staatsanwaltschaft ganz offenbar eine Bedrohung.

Wir portraitieren hier die wichtigsten Akteure bei dieser systematischen Demontage.

Diese Site lässt sich direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/Staatsanwaltschaft-Koeln

Ulrich BREMER, Oberstaatsanwalt und Sprecher der Behörde

Ist als Pressesprecher der offizielle Lautsprecher seiner Behörde, insbesondere der dortigen Hierarchie - nicht derer, die die eigentliche Arbeit machen.

Als BRORHILKER's Vorgesetzter ELSCHENBROICH 2020 eine weitere Razzia beim privaten Bankhaus M.M. Warburg in Hamburg verboten hatte, woraufhin die ermittelnde Staatsanwältin ihre Bedenken präzise in der Akte vermerkt und das NRW-Justizministerium daraufhin grünes Licht gegeben hatte, lässt Ulrich BREMER dies dazu verlauten:

Die Prüfung eines Anfangsverdachts ist nicht mit der Lösung einer mathematischen Aufgabe zu vergleichen". Und weiter: Für Ermittlungen seien immer “zureichende tatsächliche Anhaltspunkte” notwendig, was zwar “eine allgemein gehaltene gesetzliche Definition” darstelle, die aber “vielfach verschiedene Interpretationen ein und desselben Sachverhalts” zulasse.

Wir haben OStA Ulrich BREMER deshalb am 23. Juni 2023 befragt:

  • Denken Sie auch noch heute, dass es zum fraglichen Zeitpunkt der Ermittlungen keine "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" gab?
  • Können Sie Ihre Meinung, so oder so, begründen?

Seine Antwort dokumentieren wir hier: Der Hauptabteilungsleiter und ebenso der Behördenleiter haben - “im Einvernehmen mit der Generalstaatsanwaltschaft” - die notwendigen Voraussetzungen verneint. Lesen Sie selbst!

Möglicherweise, weil niemand die komplexen Zusammenhänge verstanden hat, wir wissen es nicht. Jedenfalls - so drängt sich der Verdacht bei uns auf - kein Ausweis für eine rasche Auffassungsgabe.

Dass es zum fraglichen Zeitpunkt weit mehr als “zureichende tatsächliche Anhaltspunkte” gegeben hat, wenn man sich mit dem Sachverhalt ernsthaft befasst hätte, darauf ging der Pressesprecher der Behörde seinerzeit nicht ein. Aber so funktionieren Lautsprecher nach außen hin: Wenn man keine wirklichen Argumente hat, greift man - sozusagen in letzter Verzweiflung - zu Plattitüden oder Worthülsen.

Torsten ELSCHENBROICH, Staatsanwalt und Vorgesetzter von Anne BRORHILKER

Gibt Anne BRORHILKER beim Ermitteln keine Hilfestellung, schreibt das Handelsblatt. Will vor allem wissen, wann sie endlich fertig ist mit ihren Ermittlungen.

Als 2019 BRORHILKER's erste Anklage vor Gericht kommt und ihr Name und ihre erfolgreiche Arbeit in den deutschen und internationalen Medien längst bekannt ist - die Nachrichtenagentur Bloomberg führt sie als einzige Deutsche in ihrer weltweiten “Top 50”-Liste “Menschen und Ideen, die das globale Geschäft bestimmen” auf - lässt sich der Staatsanwalt im Rahmen einer Pressekonferenz zusammen mit dem Justizminister BIESENBACH (CDU) im September ‘feiern’: 56 Cum-Ex-Verfahren seinen allein in der StA Köln anhängig: mit über 400 Beschuldigten. Und die Ermittlungen liefen wie am Schnürchen.

Auf Nachfrage von Journalisten, weshalb BRORHILKER so lange alleine habe ermitteln müssen: Man habe Cum-Ex ersteinmal verstehen müssen. Da hätte es „nichts gebracht, wenn zehn Staatsanwälte Akten gewälzt hätten, ohne zu wissen, wonach sie suchen sollten“. Dass Anne BRORHILKER das hätte sofort potenziellen Kollegen erklären können, sagt ELSCHENBROICH nicht. 

Und jene, die die eigentliche Arbeit macht(e), ist - wie das hierzulande im bundesdeutschen Beamtenstaat üblich ist (Hierarchie fungiert als Aushängeschild, nicht die geleistete Arbeit von jenen, die sie machen) - nicht dabei.

Als Anne BRORHILKER 2020 das Privatbankhaus M.M. Warburg, das zu den größten Drahtziehern in Sachen Cum-Ex gehört, ein zweites Mal durchsuchen lassen will, stellt sich Torsten ELSCHEINBROICH quer: Er verhindert die Razzia. Sie kommt allerdings mit einem Jahr Verzögerung doch noch zustande, weil BRORHILKER mit präzisen Argumenten das Justizministerium von der Notwendigkeit bzw. dem dringenden Tatverdacht überzeugen konnte.

Dr. Stephan NEUHEUSER, Leitender Oberstaatsanwalt und Behördenleiter seit 2023

Neuer Behördenleiter der Kölner StA seit 2023, nachdem sein Vorgänger ROTH sich hat vorzeitig in den Ruhestand hat versetzen lassen.

Er schlägt dem neuen Justizminister der seit 2022 amtierenden schwarz-grünen Landesregierung, Benjamin LIMBACH (GRÜNE) vor, die Abteilung von Anne BRORHILKER aufzuspalten. Wie in der deutschen Beamten- und Behördenphilosophie üblich, geschieht dies, ohne vorher mit jenen zu sprechen, die die eigentliche Arbeit machen. Und er will der unermüdlichen Staatsanwältin einen unerfahrenen “Novizen” (wie es das Handelsblatt formuliert) als Vorgesetzten vor die Nase setzen. 

Der Generalstaatsanwalt, ranghöchster Staatsanwalt in NRW, Thomas HARDEN, macht Einwände geltend. Es sei zu befürchten, dass diese organisatorische Maßnahme die Ermittlungen “erheblich beeinträchtigen wird, da wegen der zahlreichen sachlichen Überschneidungen in diesen Fallkomplexen eine einheitliche Sachbehandlung nicht mehr gewährleistet erscheint”. Denn "eine derart grundlegende Neuausrichtung der Hauptabteilung H scheint nur dann zeitnah effektiv und vor allem mit Erfolg umsetzbar, wenn auch Oberstaatsanwältin BRORHILKER dahintersteht. Das ist offenbar nicht der Fall.“ HARDEN kann sich nicht durchsetzen.

Durchsetzen kann sich - ersteinmal - der neue Behördenleiter Stephan NEUHEUSER. 

Die geplante Maßnahme bringt bei BRORHILKER das Faß zum Überlaufen. Sie entschließt sich den Dienst zu quittieren. Dass der neue Justizminister das Vorhaben dann doch noch kippt, ändert an ihrem Entschluss nichts mehr. Sie hat das Vertrauen in ihre Behörde verloren, in der Fleiß und Beharrlichkeit bei jenen, die die eigentliche Arbeit machen, regelmäßig zu Ärger mit den Schreibtischvorgesetzten führt. Und ein Insider, den das Handelsblatt zitiert: "Das macht Arbeit; so jemanden will man in der Behörde nicht.“

Und so denkt Oberstaatsanwalt Stephan NEUHEUSER über Anne BRORHILKER und ihre Arbeit - und äußert dies auch schriftlich gegenüber dem Minister und den Abgeordneten von NRW im Düsseldorfer Landtag:

  • Inhaltlich unzulänglich
  • Ihre Berichtsentwürfe seien „regelmäßig deutlich überarbeitungsbedürftig“ gewesen
  • würde ihr “obliegende zentrale Pflichten nicht erfüllen
  • Schriftsätze ihrer Abteilung seien „oft unvollständig und unklar“ gewesen
  • sei „in dringenden Fällen“ kurzfristig nicht erreichbar gewesen.

Wer solche Vorgesetzten hat, braucht keine Feinde’, kommentiert das “Handelsblatt” in seinem Report Die Demontage. Und zitiert einen namentlich nicht benannten Insider: "Eine solche Ermittlerin findet man in Deutschland kaum ein zweites Mal. Frau BRORHILKER war im Hinblick auf Energie, Qualität und juristische Fachkenntnis herausragend.

Wir haben deshalb die Staatsanwaltschaft Köln befragt. Dr. NEUHEUSER kann/darf nicht selbst antworten. Dies übernimmt der Pressesprecher Ulrich BREMER.

Das war unsere Frage am 23. Juni 2025: Wie erklärt sich Dr. NEUHEUSER, dass seine Einschätzung so krass von allen anderen Meinungen über Frau Brorhilker und deren Arbeit und Leistungen abweicht, die z.B. im Handelsblatt und anderen Medien wiedergegeben werden?

NEUHEUSER's Antwort via Pressesprecher BREMER:

Die Berichtsentwürfe von Anna BRORHILKER “begründeten oft Rücksprachebedarfe”. 

Leider wird das nicht näher ausgeführt. Lesen Sie selbst die Antwort der StA Köln.

Zusammengefasst: Möglicherweise hängt bzw. hing das (auch) damit zusammen, dass die Cum-Ex-Zusammenhänge ausgesprochen komplex sind. Dass jemand, der engagiert und mit voller Leistungskraft ermittelt, die eigentliche Arbeit wichtiger nimmt als das Einhalten von vorgeschriebenen internen Verwaltungsab- und Leerläufen, vermag möglicherweise nicht jedem bürokratisch veranlagten Menschen einleuchten. Möglicherweise stellen derart komplizierte Sachverhalte wie bei Cum-Ex aber auch für viele andere eine Überforderung dar, auch das wissen wir nicht. Die “Rücksprachebedarfe” jedenfalls mochte uns die Staatsanwaltschaft Köln durch ihren Pressesprecher Ulrich BREMER nicht detaillierter begründen.

Joachim ROTH, Leitender Oberstaatsanwalt der Kölner StA

Ist als “Leitender" Behördenleiter der Kölner Staatsanwaltschaft bis 2023.

Stellt Anne BRORHILKER nicht wirklich zusätzliches Personal zur Verfügung.

Auf der Pressekonferenz vom 17. September 2019, als erste Ermittlungserfolge bzw. Ermittlungsergebnisse von Anne BRORHILKER auf dem Tisch liegen und sich ihre vorgesetzten Staatsanwälte dafür ‘feiern' lassen (wie das Handelsblatt schreibt), lobt sich Behördenchef Joachim ROTH und sein Vorgehen: “Es kam darauf an, einen Faden zu entwirren und das Knäuel dann neu zu ordnen. Da nützt es nichts, wenn 100 Leute an dem Faden ziehen oder einer das macht und 99 schauen zu.“ 

Von ”100 Leuten" hätte BRORHILKER nur träumen können; sie wäre sehr viel schneller und noch weiter gekommen als die bisher 56 Verfahren mit weit mehr als 400 Beschuldigten. Denn in diesem Geschäft haben mehrere Tausende mitgespielt. Die bis heute noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.

Als der Skandal “Cum Ex” für jeden längst ein Begriff ist und der Hamburger Parlamentarische Untersuchungsausschuss, der die Rolle von Olaf SCHOLZ im Zusammenspiel mit dem M.M. Warburg-Besitzer OLEARIUS aufklären will, Akten aus Köln einsehen möchte, mauert die Kölner Staatsanwaltschaft. Der neue Justizminister LIMBACH (GRÜNE) erklärt dies vor aller Öffentlichkeit so: "„Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln lieferte die Informationen, die wir zur Unterrichtung des Ausschusses gebraucht hätten, mit großer Verzögerung oder gar nicht“. 

Jetzt weiß der Behördenleiter, dass es ‘aus’ ist für ihn. Er reicht 2023 im Alter von 63 Jahren seinen vorzeitigen Ruhestand ein. Den kann er nur vier Monate genießen.

Hanns-Joachim WOLFF

Vorgesetzter von Anne BRORHILKER im Jahr 2013.

Zeichnet sich durch Weitsicht aus: Erkennt von vorneherein, dass seine eigenen Staatsanwälte in Sachen Steuerhinterziehung in Köln besser geschult sind als die Kollegen in Bonn, die eigentlich zuständig wären. Zieht deshalb den Fall “Cum-Ex” an sich bzw. die Staatsanwaltschaft Köln. Dadurch landet der Fall letztendlich auf dem Schreibtisch von Anne BRORHILKER. 

Ein Glücksfall.

Um es nocheinmal zu betonen: 

Wir stellen die Kölner Staatsanwaltschaft nicht unter Generalverdacht. Wir wissen, dass es auch dort aufrechte und emsige Staatsdiener gibt. Die kritischen Vorgänge, die wir hier dokumentieren, beziehen sich ausschließlich auf das, was man oft auch “Wasserkopf” nennt. Natürlich sind Hierarchien notwendig, schon um eine klar geordnete Arbeitsteilung sicher stellen zu können. Ob allerdings bei Ermiittlungen von jenen, die die eigentliche Arbeit leisten, die dies aber auf unbekanntem ‘Terrain’ machen müssen, ausgerechnet das hierarchische System bei wichtigen Entscheidungen den Ausschlag geben muss, darf füglich bezweifelt werden. In den Management-Wissenschaften gibt es dazu eindeutige Einschätzungen. Die allerdings in Behörden ausgeprochen selten zum Einsatz kommen.

(JL)