Die Berichte des Handelsblatt, 12.03.2012

von Martin-Werner BUCHENAU

Das Mysterium bleibt

Handelsblatt , 12.03.2012 

Stefan Mappus will vor allem nichts falsch machen. Mit kurzgeschorenen Haaren stapft der Ex-Ministerpräsident zielstrebig in den Plenarsaal des Stuttgarter Landtags. Ein dickes Seil bildet die provisorische Absperrung zu den Plätzen der Parlamentarier, die die mysteriösen Umstände des milliardenschweren Rückkaufs der Anteile am Energiekonzern EnBW am Nikolaustag 2010 untersuchen sollen.

Früher hätte Mappus das Seil einfach weggezogen, oder der Hobbyfußballer wäre über die Absperrung gehüpft. Doch an diesem Tag fragt der sonst so impulsive Ex-Politiker artig: "Wie kommt man hier durch?" - und wartet bis ihm ein Saaldiener hilft.

Der Pforzheimer Ex-Politiker will auf Nummer sicher gehen. Es ist die Rückkehr eines nie vom Volk gewählten Ministerpräsidenten. Als Nachrücker für Günther Oettinger fiel Stefan Mappus schon bei seiner ersten Landtagswahl so tief wie kaum ein anderer Landespolitiker in Deutschland vor ihm. Er verlor nach nur 15 Monaten Amtszeit mit Baden-Württemberg die größte Bastion der CDU und ebnete damit dem ersten grünen Ministerpräsidenten der Republik den Weg.

Mappus redet, als sei er noch im Amt

Nun muss Mappus erklären, warum er den geheimen Kauf der EnBW-Anteile für 4,7 Milliarden Euro Ende 2010 vom französischen Staatskonzern EdF im Eiltempo und am Parlament vorbei durchgezogen hat. Als Rechtsbeistand hat er Stephan Holthoff-Pförtner mitgebracht, der schon den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl beriet.

Der Vorsitzende Ulrich Müller (CDU) verweist darauf, dass vor dem Ausschuss die Strafprozessordnung gelte, es aber "kein Strafprozess" sei. Mappus muss sein Alter - er ist jetzt 45 - nennen. Die Frage nach seinem Beruf beantwortet er mit "Diplom-Ökonom". Eigentlich ist er Arbeitssuchender. Denn seine politischen Ämter hat er nach der verlorenen Wahl alle abgelegt. Auch die zwischenzeitliche Anstellung beim Pharmakonzern Merck scheiterte - wohl auch, weil er sich auf diesen Tag vorbereiten musste.
Aber all das schüttelt Mappus in diesem Moment ab und legt mit seiner weitgehend bekannten Version der Dinge los. 75 Minuten, in denen er redet, als sei er noch im Amt. Es mag die Umgebung sein, die ihn dazu ermuntert.

Seine Strategie wird schnell klar: Alles was strafrechtlich relevant werden könnte, entkräftet er: Er habe den Rückkauf der Aktien nach "bestem Wissen und Gewissen und aus zwingenden Sachgründen" betrieben.

Also weder Vorsatz beim Verfassungsbruch, als er am Parlament vorbei den EnBW-Deal durchboxte, noch Verletzung der Sorgfaltspflicht bei den Preisverhandlungen, als er sich bei der Unternehmensbewertung nur auf öffentlich zugängliches Material stützte.

"Ich war weder Beratungsopfer noch Getriebener, sondern handelnder Ministerpräsident", betont Mappus. EdF habe ihm im Sommer 2010 klargemacht, dass die Franzosen die Mehrheit an der EnBW wolle oder andernfalls aussteigen werde. Eine ausländische Mehrheit sei für ihn nicht infrage gekommen. Nur ein einziges Mal sei Mappus in Paris in dieser Sache gewesen: Am 10. November 2010 suchte er mit seinem Vertrauten Dirk Notheis, Deutschland-Chef von Morgan Stanley EdF-Chef Henri Proglio auf.

Das Treffen habe mit einem "Paukenschlag" begonnen. "Everything is on the table" habe Proglio gesagt. Das habe ihn "sehr aufgewühlt", und er habe sich entschlossen "proaktiv" zu werden, damit EnBW nicht in falsche Hände geriet. Schon zwei Wochen später, am 26. November, ging es nur noch um den Preis. Angeblich erst einen Tag zuvor hatte Mappus Morgan Stanley offiziell als Berater beauftragt.

Und sein Freund Notheis hätte die Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss Lutz mit ins Boot genommen. Beiden Beratern habe er fast völlig vertraut. Den Fragestellern im Untersuchungsausschuss gelingt es nicht, Mappus in die Enge zu treiben, auch weil einige die Befragung des Zeugen mit einer Landtagsdebatte verwechseln, anstatt schnell viele kurze Fragen zu stellen. Eigentlich sollte auch noch Dirk Notheis befragt werden. Dazu kommt es nicht mehr.

"Vielleicht verzichtet er auf den ihm zustehenden Tagessatz", sagte der Ausschussvorsitzende nach der Sitzung im Landtag. Dort, wo Mappus seinen Coup vor 15 Monaten verkündete. Heute ist Mappus der Letzte im Saal. Er packt seine Unterlagen und geht fast unbemerkt.