Nr. 12: Arbeitsministerium + Gutachterauswahl n. § 200 SGB VII: Irreführung? Täuschung? Strategie?

50.000 Fälle = ca. 100.000 Wählerstimmen, jedes Jahr: 12. Schreiben an die MdB’s

Es ist wie mit dem Thema "Afghanistan": Jahrelang wird alles schöngeredet und man hält die Augen den Realitäten gegenüber verschlossen. Bis es nicht mehr geht. So auch hier - es ist der übliche Politikstil.


Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist – eigentlich – die Schlüsselinstitution für die „Gesetzliche“ Unfallversicherung. Sie hat diese Funktion der politischen Kontrolle aber längst abgegeben und an jene Institution delegiert bzw. diese Aufgabe dorthin ‚privatisiert‘, die das ganze Geschehen jetzt rein aus einer Kostenperspektive organisiert: der Dachverband der Berufsgenossenschaften, die „Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.“ (DGUV): ein eingetragener Verein, keine „öffentlich rechtliche Körperschaft“. Einem „e.V.“ gegenüber hat das BMAS keine umittelbare Rechtsposition. Höchstens bei den Berufsgenossenschaften. Allerdings, so das BMAS: „Dem Ministerium stehen gegenüber den Berufsgenossenschaften als selbstverwaltete Körperschaften des öffentlichen Rechts fachlich sowie dienstrechtlich keine Weisungs- oder Aufsichtsrechte zu“. Zum Thema „selbstverwaltete Körperschaften““ haben wir uns vor einer Woche geäußert: www.anstageslicht.de/Paritaet . Das Zitat des BMAS haben wir dokumentiert unter www.anstageslicht.de/BierundAsbest

Da die Ablehnungsquoten bei Anträgen auf eine Berufskrankheit hierzulande bei 75% liegen, kann man wohl sagen, dass die Kostenperspektive dominiert und nicht der Fokus auf die Gesundheit der arbeitenden Menschen. In der Schweiz ist es genau umgekehrt, dort werden solche Anträge zu 75% positiv entschieden.

Auch für die Tatsache, dass 90% der Fälle, in denen Betroffene versuchen, vor einem Sozialgericht zu ihrem Anspruch bzw. Recht zu bekommen, zu Lasten der Geschädigten ausgehen, hat das BMAS eine spezielle Erklärung: die „Qualität der Gutachter“ (Kleine Anfrage 19/4093). Auch da haben wir an 3 Beispielen hochrangiger Gutachter diese „Qualität“ hinterfragt: bei Nr. 4: www.ansTageslicht.de/ProfessorDrexler (Toxikologe nimmt Gutachten nach Strich und Faden auseinander), bei Nr. 5: „Gefälligkeitsgutachten?“ unter www.ansTageslicht.de/ProfessorLetzel und Nr. 6/7: www.ansTageslicht.de/ProfessorTriebig als „Fälscher vom Dienst?“. Alle diese Arbeitsmediziner waren bzw. sind Mitglieder des „Ärztlichen Sachverständigenbeirats ‚BK‘“ beim BMAS (siehe auch www.ansTageslicht.de/Faelscher).

Auch was den Stand der wissenschaftlichen Diskussion anbelangt, egal ob in der Managementtheorie, der Medizinsoziologie, beim Thema Interessenskonflikte oder Institutionelle Korruption, widersetzt sich das BMAS systematisch allen Erkenntnissen theoretischer wie empirischer Art und vermag nicht nachzuvollziehen, dass „eigene Forschung“, die auf ökonomischen Motiven beruht (egal ob Umsatz oder Kosteneinsparung), keine unabhängigen Ergebnisse zu produzieren vermag. Wir haben das am Beispiel der Asbestindustrie (www.ansTageslicht.de/Mesotheliomregister) gezeigt, aber auch im Zusammenhang mit „Fume Events“: www.ansTageslicht.de/Lehrmeinung bzw. kurz (1 Seite): www.ansTageslicht.de/Gerueche.

Das BMAS geht aber noch weiter und kommuniziert regelrecht Falschinformationen – auch „Fake News“ genannt. So versucht die Behörde den Medien einzureden, dass eine BG vor Beauftragung eines Gutachters nach § 200, Abs. 2, SGB VII „verpflichtet“ sei, dem  Geschädigten „mehrere − in der Regel drei − Gutachter zur Auswahl zu benennen. Die Versicherten haben auch das Recht, eigene Gutachter zu benennen… Die Versicherten haben damit maßgeblichen Einfluss auf die Auswahl des jeweiligen Gutachters.“

In dem fraglichen Gesetzesparagraphen ist aber von „soll“ die Rede, nicht von „verpflichtet“. Und „soll“ heißt „kann“. Im Standard-Kommentar, hg. von Otto KRASNEY und Klaus BURCHARDT, beides Richter a.D. beim Bundessozialgericht, liest sich das so: Der Versicherte „ hat nur ein Wahlrecht im Rahmen des Vorschlags“ der BG. Und: „Ein eigenes, den UV-Träger bindendes Vorschlagsrecht hat der Versicherte nicht.

Wem werden Sie jetzt glauben: dem BMAS und seinem Minister? Oder den Richtern?

Diesen Text auf 1 Seite können Sie auch online aufrufen unter www.ansTageslicht.de/Gutachterauswahl und hier als PDF. Ausführlicher: www.ansTageslicht.de/Paragraph200. Die ganze Serie: www.ansTageslicht.de/MdB.

(JL)