Nr. 6: Prof. TRIEBIG und die BK 1317: "Fälscher" vom Dienst?

50.000 Fälle = ca. 100.000 Wählerstimmen, jedes Jahr: 6. Schreiben an die MdB’s

Öffentlich ausgerastet war er nur ein einziges Mal: Von „organisierte Falschdarstellung“ hatte er in einer „Öffentlichen Mitteilung“ gesprochen. Und dass er es als „unerträglich“ empfinde, „dass eine kleine Gruppe gut organisierter Gutachter mittels Fälschung der wissenschaftlichen Grundlagen“ z.B. die „gerichtliche Überprüfung unterlaufen, um das Einzelinteresse der Versicherungen (Berufsgenossenschaften) … doch noch über das Allgemeinwohl“ stellen zu können.  Aber im Jahr 2004 war er nicht mehr Bundesarbeitsminister: Norbert BLÜM (CDU).

In seiner Amtszeit hatte es einen – kleinen – Durchbruch gegeben, der in anderen Ländern längst Praxis war, nämlich dass die Exposition gegenüber sog. Lösemitteln Nervenschädigungen auslösen können: Enzephalopathie und Polyneuropathie. Der Bremser hier: Prof. Dr. med. Gerhard TRIEBIG, Uni Heidelberg, der seit Jahren mit seinen Studien und Veröffentlichungen das alles in Abrede gestellt hatte – sehr zur Zufriedenheit der Berufsgenossenschaften. Aber ähnlich wie bei Asbest: Irgendwann lässt sich auch der größte Bluff nicht mehr leugnen, zumindest dann, wenn es (ausreichend) viele Kranke (bei Asbest: mehrere zehntausend Asbesttote) gegeben hat. Die „BK 1317" wurde installiert.

Um den Berufsgenossenschaften doch noch ein wenig gefällig sein zu können, die schließlich für ihn ein bedeutender Auftraggeber mit Gutachten sind, hatte Prof. TRIEBIG im „BK-Report 3/99“ der Gesetzlichen Unfallversicherung die Behauptung aufgestellt, dass solche Nervenschäden reversibel seien, wenn man mit Lösemitteln nichts mehr zu tun habe. Und dazu „wissenschaftliche Quellen angegeben, die das genaue Gegenteil von dem enthalten, was sie angeblich belegen sollen“, so BLÜM.

Standard in der deutschen Arbeitsmedizin und den Berufsgenossenschaften der Gesetzlichen Unfallversicherung?

Der „Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten“ (ÄSVBR BK) beim Bundesarbeitsministerium (BMAS) hatte dazu ein „Merkblatt“ veröffentlicht. Es war in diesem Punkt ebenfalls gefälscht. Hier der „Fälscher“ : Prof. Dr. med. Johannes KONIETZKO, Arbeitsmediziner an der Universität Mainz – ein Kollege von Prof. TRIEBIG. Auch er war Mitglied in diesem wichtigen Beratungsgremium ÄSVBR BK beim BMAS.

Die Fälschung herausgefunden hatten nicht die anderen Beiratsmitglieder. Oder andere Arbeitsmediziner. Und schon gar nicht die Berufsgenossenschaften oder deren wissenschaftliche Einrichtungen, wie etwa das IPA-Institut. Recherchiert hatte ein von diesem Problem Betroffener: Peter RÖDER, gelernter Bautischler und holzschutzmittelgeschädigt. Er hatte dazu erst Englisch gelernt und sich dann durch die 175 Literaturstellen des "wissenschaftlichen Merkblatts" des ÄSVBR BK durchgearbeitet, um die „Fälschung“ zu entlarven. Und dann BLÜM eingeschaltet. 

Der „Sachverständigenbeirat“ beim Bundesarbeitsministerium musste seine Bekanntmachungen zurückziehen und durch neue ersetzen. Offiziell hieß das so: Das Gremium habe „seine Beratungen zu dem Thema abgeschlossen und eine Neufassung des Merkblattes zur BK-Nr. 1317 beschlossen.“ Auch diese Formulierung typisch für die Branche der Gesetzlichen Unfallversicherung: alles kleinreden, alles herunterspielen: durch sogenanntes wording, aber eben auch „Fälschung.“ Wie vormals bei Asbest.

Der „BK-Report“ musste natürlich ebenfalls, nachdem alles publik geworden war, korrigiert werden: nach 10 Jahren unter der Nummer „2/2007“. Nur in einer Veröffentlichung liest es sich bis heute immer noch so, wie es seinerzeit „gefälscht“ worden war: im Lehrbuch „Arbeitsmedizin, Handbuch für Theorie und Praxis“, 4. Auflage. Mitherausgeber: Prof. TRIEBIG. Das BMAS deckt diesen Fälscher bis heute und verweigert uns die Auskunft, von wann bis wann der „Fälscher“ das Ministerium beraten hatte.

Was schätzen Sie: Wie sind die Verfahren ausgegangen, in denen Peter RÖDER versucht hatte, seine Gesundheitsschäden als „BK“ anerkannt zu bekommen? Wenn Sie das interessieren sollte, schauen Sie nach unter www.ansTageslicht.de/BK1317. Diese Kurzfassung hier auf 1 DIN A 4-Seite gibt es auch unter www.ansTageslicht.de/ProfessorTriebig. Und als PDF.


Hinweise

Die bisherigen Schreiben bzw. Texte sind Bestandteil einer Serie, die unter www.ansTageslicht.de/MdB beschrieben ist, und gleichzeitig methodischer Baustein des Forschungsprojekts Risikowahrnehmung durch Medienresonanz und öffentlichen Diskurs.

Informationen über den Autor Prof. Dr. Johannes LUDWIG: www.johannesludwig.de.

Online am: 09.07.2021
Aktualisiert am: 19.09.2021


Inhalt:

Nr. 6: Prof. TRIEBIG und die BK 1317: "Fälscher" vom Dienst?


Tags: