Höhe 38.000 Fuß: Absturz nach unten? - Newsletter Nr. 5

Absturz in den Alpen 2015: „Verbrechen“? Technikpanne? Fume Event? „Massenmörder“? Teil 5

Die beiden Grafiken zur Flughöhe bzw. zu den Änderungen der regulären Höhe von über 38.000 Fuß auf 100 Fuß nach unten, die hier untereinander gelegt sind (siehe Grafik), wurden rekonstruiert nach Angaben von Airbus an das französische Gericht in Marseille bzw. den dort ermittelnden Staatsanwalt. Es sind Originaldaten, die Airbus aus dem Flugdatenschreiber (FDR) selbst ausgelesen hat. Danach steht fest, dass die Germanwingsmaschine bereits auf dem Hinflug von Düsseldorf nach Barcelona innerhalb von 5 Minuten 4 ganze Male an Höhe verloren hatte. Und dann wieder nach oben hin korrigiert.

Anders gesagt: 4 Mal wurde die Flughöhe auf 100 Fuß um- ‘programmiert’. Ob das einer der Piloten so eingestellt und dann wieder verändert hat, ob das eine Technikpanne war, die von einem oder beiden Piloten wieder rückgängig gemacht wurde?

Wir wissen es nicht. Nur die untersuchenden Behörden sowie Germanwings und Airbus können das wissen, weil sie als einzige über die notwendigen Daten und Informationen verfügen. Aber sie geben ihr Wissen nicht preis.

Grafik zusammengestellt nach Original-Airbus-Daten: avherald.com. Anklicken öffnet ein PDF

Germanwings und Airbus meinen: der Pilot hat seinen geplanten Selbstmord für den Rückflug geprobt. Merkwürdig nur: Die Umprogrammierung über das Höheneinstellrad von 38.000 auf 100 geschah jedesmal innerhalb weniger als 1 Sekunde. Auf beiden Flügen. Hin und zurück.

Simon HRADECKY, Herausgeber und Betreiber des Aviation Herald in Salzburg, der relevante Vorfälle im weltweiten Flugverkehr akribisch dokumentiert, egal ob kleine oder größere Pannen, Fume Events, Fast-Unfälle oder tatsächliche Flugdesaster sowie offizielle und inoffizielle Untersuchungsergebnisse, ist dieser Merkwürdigkeit nachgegangen. Und hat erfahrene Piloten im Flugsimulator das nachstellen lassen. Keinem gelang es. Um das Höhenrad von 38.000 auf 100 zu bringen, muss man a) mehrmals ansetzen und drehen sowie b) zum Schluß den Einstellknopf herausziehen, damit der elektronische Befehl abgesetzt wird.

Dass Flugzeuge urplötzlich an Höhe verlieren und abzustürzen drohen, wenn nichts geschieht, ist schon häufiger vorgekommen. Ein halbes Jahr zuvor, am 5. November 2014  verlor ein Lufthansa Airbus 321 in der Nähe von Bilbao auf einmal 4.000 Fuß an Höhe - pro Minute. Und ließ sich ersteinmal nicht korrigieren. Der Kapitän, der sich nicht nur mit der Technik des Fliegers auskannte, sondern auch um die Besonderheiten der einzelnen Systeme wusste, machte etwas, was sich vermutlich die wenigsten zugetraut hätten: Er schaltete die digitale Elektronik ab, weil er technisches Fehlverhalten vermutete. Und damit recht hatte und den Flieger sicher über die französischen Alpen nach München steuern konnte. Ursache: 2 von 3 Sensoren (Anstellwinkel) außen am Rumpf der Maschine waren vereist und hatten falsche Werte produziert. Der Bordcomputer hatte sich dann auf die ‘Mehrheit’ der Fühler verlassen.

Der Aviation Herald hat das rettende Flugmanöver ausführlich rekonstruiert.

Um zu klären, wie es geschehen kann, dass eine eingestellte Flughöhe automatisch, also unbeabsichtigt, ganz nach unten auf 100 Fuß fallen kann, hatte HRADECKY mehrere Labor-Experimente durchgeführt: mit originalen Airbusgeräten und unter Aufsicht eines erfahrenen Ausbildungspiloten. Ergebnis: Störungen im Bordcomputer können genau einen solchen Vorfall auslösen. Das hatten ihm auch schon andere Piloten 'gesteckt', denn der Aviation Herald kann auf ein weltweites Informantennetz zurückgreifen. Selbst Flugbehörden wie die EASA nutzen diesen Dienst.

Ungeklärt bleibt für Außenstehende die Frage, wenn es schon auf dem Hinflug technische Höhenprobleme gegeben hat, warum die Piloten darüber keinen Eintrag ins TecLog vorgenommen haben. Das könnte man nur anhand der Aufzeichnungen des Cockpit Voice Recorders und des Flugdatenschreibers im Original herausfinden. Aber diese Informationen werden "gehütet wie die Kronjuwelen", wie HRADECKY sagt.


Newsletter der vorletzte Nr. 6 wird erst am Dienstag erscheinen. Am 24. März, dem zehnten Gedenktag des Todes von 150 Menschen, schweigen auch wir.

(JL)