ABC der wichtigsten Akteure und Institutionen

Ämterstabilität

Ein typisch Prinzip des deutschen Beamten- und Behördenapparats. Bedeutet letztlich: Das Amt bzw. eine Position in der Beamtenhierarchie ans sich ist wichtiger als deren funktionale Bedeutung bzw. die Qualifikation des Amtsinhabers. Bedeutet konkret: Ist jemand per Urkunde in ein Amt gehievt, sprich ernannt, selbst wenn dieser Vorgang rechtswidrig war, dann ist die "Stabilität" dieses Amtes wichtiger als die Rechtswidrigkeit. Ein unterlegener Konkurrent kann diese Wirkung - etwa im Wege einer sogenannten Konkurrentenklage nachträglich nicht mehr anfechten oder mit Hilfe eines Gerichts gar außer Kraft setzen lassen.
Allerdings: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, aber auch die Karlsruher Verfassungshüter haben jetzt zum zweiten Male entschieden, dass dann (und nur dann), wenn relevante Schutzrechte eines konkurrierenden Bewerbers verletzt werden, dieser Rechtsgrundsatz nicht gelten muss. Folglich ein auf die Schnelle ins Amt gehievter Kandidat gegebenenfalls seinen Posten auch wieder räumen muss.
Wie im vorliegenden Falle bei Ralf BARTZ geschehen


BAMBERGER, Heinz Georg, SPD

Präsident des OLG in Koblenz von 1995 bis 2006. Ein ausgesprochen freundliches Portrait über den als liberal geltenden Richter hat die Chefreporterin der Rhein-Zeitung, Ursula SAMARY, anlässlich dessen Berufung zum Justizminister von Rheinland-Pfalz im Jahre 2006 gemacht: Krönung einer Richterkarriere.
Kaum im neuen Amt mutiert der ehemalige Richter mit dem liberalen Image zum absolu(tistisch)en Machtpolitiker und Parteisoldaten. Er versucht, SPD-Leute und SPD-nahe Richter zu (be)fördern und 'vergisst' dabei, sich an Recht und Gesetz zu halten. Den qualifiziertesten Bewerber um die Nachfolge seiner früheren OLG-Präsidentenstelle, der ihm zu CDU-nah ist, versucht er mit allen Tricks auszubremsen. Dabei handelt er offenbar bewusst "verfassungswidrig", wie ihm zuerst das Bundesverfassungsgericht und dann auch das Bundersverwaltungsgericht bescheinigen.
Für BAMBERGER, keinerlei Grund, solche Kritik ernst zu nehmen. Statt dessen versucht er sich mit fadenscheinigen Gründen herauszureden. In Justizkreisen gilt er zuletzt als untragbar, wird aber von "König Kurt" (Kurt BECK) bis zuletzt gestützt.
In der neuen Landtagswahl 2011 gibt es die Quittung: Die bis dahin mit absoluter Mehrheit regierende SPD stürzt ab und kann nur noch mit den GRÜNEN regieren. BAMBERGER ist jetzt als Justizminister endgültig 'out'. Als Richter auch. Er lebt inzwischen zurückgezogen als Pensionär und gilt auch in der SPD als 'verbrannt'.
Ursula SAMARY hat ihm im Mai 2011 nach der Landtagswahl einen kleinen Abgesang gewidmet


BARTZ, Ralf

Kann sich seines neuen Jobs als Präsident des OLG Koblenz nur kurze Zeit erfreuen, weil er - wie zuletzt das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat - nicht rechtmäßig in diese Position gekommen war. Der Justizminister hatte ihn in einer "Blitzernennung" trickreich dorthin positioniert. Dies geschah innerhalb weniger Minuten in einer recht dubiosen Aktion, die in der Chronologie unter dem Datum des 13. Juni 2007 beschrieben ist.
BARTZ selbst hat sich daran nicht gestört. Der Aufstieg vom Präsidenten des Landessozialgerichts zum Präsidenten des OLG war ihm offenbar so wichtig, dass er die merkwürdigen Umstände seiner Ernennung billigend in Kauf genommen hat. Per Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus diesem Amt wieder entlassen kommt BARTZ bei BAMBERGER einen auch finanziell attraktiven Posten im Justizministerium angeboten


Bundes-verfassungs-gericht, Karlsruhe

Allerhöchstes Gericht in Deutschland, dass die Verfassungsmäßigkeit vieler Dinge prüfen muss: Gesetze und Verordnungen sowie richterliche Urteile vieler Rechtsinstanzen. Im vorliegenden Fall waren Deutschlands höchste Verfassungshüter ziemlich 'sauer' ob des dreisten Verhaltens von Justizminister BAMBERGER, seinen ihm genehmen Kandidaten für die OLG-Präsidentenstelle durchzupowern und den unterlegenen Bewerber Hans-Josef GRAEFEN auszutricksen.
Ansonsten ist dieses Gericht die wichtigste Institution, die in Deutschland die Pressefreiheit und den Informantenschutz immer wieder als die zentralen Bausteine betont und entsprechend Recht spricht und Recht setzt


Bundes-verwaltungs-gericht, Leipzig

Deutschlands höchstes Gericht für alle Fragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Sitz in Leipzig. In ihrem 26seitigen Urteil (Az: BVerwG 2C 16.09 / OVG 10 A 10805/08) begründen Sie, weshalb es bei der sogenannten Ämterstabilität auch mal Ausnahmen geben kann. Die Richter waren offenbar richtig 'sauer' ob des Verhaltens von Justizminister BAMBERGER. Damit hat Hans-Josef GRAEFEN eine neue bzw. diesesmal faire Chance bei seiner Bewerbung auf das OLG-Präsidentenamt.
Die vorgelagerten bzw. vorinstanzlichen Gerichte heißen Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht


GRAEFEN, Hans-Josef

Ehemals Präsident des Landgerichts in Koblenz, der sich um das Präsidentenamt beim OLG (Oberlandesgericht) beworben hatte, aber von Justizminister BAMBERGER nicht gewollt wurde - wegen seiner angeblichen CDU-Nähe.
GRAEFEN klagt dagagen: gegen die ablehnenden Gründe im Allgemeinen und gegen die merkwürdigen Umstände der "Blitzernennung" seines Konkurrenten im Besonderen und gewinnt (erst) in letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht. Wird dann im Herbst 2011 Präsident des OLG Koblenz - vier Jahre nach der rechtswidrigen Besetzung dieses Amtes mit seinem Konkurrenten


HARTLOFF, Jochen, SPD

Während Ägide der mit abolut(istisch)er Mehrheit regierenden SPD zwischen 2006 und 2011 deren Fraktionsvorsitzender im Landtag von Rheinland-Pfalz. Auch er ein strammer Parteisoldat, der eigentlich nicht Justizminister werden wollte, aber aufgrund des Proporzes in der rot-grünen Koalition seit 2011 es dann doch werden musste. Außer dass er früher mal Rechtsanwalt in Kusel/Pfalz war, hatte er sonst nie etwas mit Justiz zu tun. Gilt als Kunstliebhaber.
Entsprechend rigide ist sein Ämterstil. Auch er versuchte, Hans-Josef GRAEFEN auszutricksen, nachdem das Bunderverwaltungsgericht klargestellt hatte, dass die Besetzung des Präsidentenpostens beim OLG "rechtswidrig" war. HARTLOFF's Idee: das OLG wegen "Sparzwängen" aufzulösen. Dann hätte es auch keines Präsidentenpostens mehr bedurft.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger BAMBERGER sieht er aber - in letzter Sekunde - ein, dass sich die SPD, Ministerpräsident Kurt BECK und er 'verrannt' haben und schafft es, zumindest nach außen hin, dies auch einzusehen. Jedenfalls gibt es sich bei der offiziellen Amtseinführung von GRAEFEN im Januar 2012 sehr moderat und freundlich


HILL-Kommission

Nachdem das Wahldesaster der SPD bei der Landtagswahl 2011 sowie die an Schwung zunehmende Unterschriftenaktion des Vereins "Pro Justiz Rheinland" die SPD letztlich doch zunächst zum Nachdenken und letztlich auch zum Einlenken gezwungen hatte (August 2011), hatte "König Kurt" (Ministerpräsident Kurt BECK) ein Expertengremium einberufen, das nochmals die angeblichen Einspar-Argumente durch Fusion der OLG Koblenz mit jenem in Zweibrücken überdenken bzw. nachrechnen sollte. Deren Ergebnis war absehbar: Eine Fusion macht keinerlei Sinn, wie in diesem Bericht des Expertengremiums zum Ausdruck kam.
Den Vorsitz der Experten hatte Prof. Dr. Hermann HILL, Verwaltungsfachmann aus Speyer


Pro Justiz Rheinland e.V.

Eingetragener Verein Pro Justiz Rheinland, der im Juni 2011 entstand, als das OLG Koblenz aufgelöst werden sollte. Vorläufer war zunächst der "Freundeskreis" am OLG, der sich u.a. im Zusammenhang mit der Unterschriftenaktion zwecks Erhalt des OLG in Koblenz dann erweitert und als Verein organisiert hatte - mit inzwischen mehr als 500 Mitgliedern. Auf deren Aktivitäten ist dann auch vor allem das gewachsene Engagement weiter Kreise der Bevölkerung zurückzuführen, die sich letztlich erfolgreich für den Fortbestand des Oberlandesgerichts Koblenz eingesetzt haben.
Auch in Bayern gibt es eine solche Vereinigung, die letztlich als Vorbild gedient hatte. Dort hatte man versucht, den von Edmund STOIBER beschlossenen Untergang des Obersten Bayerischen Landgerichts zu verhindern: in Bayern allerdings vergeblich. Siehe auch www.pro-justiz.de


(JL)

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

Die Menschen hinter dieser Geschichte: