Politische Einflussnahme auf das OLG Koblenz: ein Überblick

Wie die Zivilgesellschaft ihr Oberlandesgericht in Koblenz rettet OLG Koblenz


Dass sich Bürger für verkehrsberuhigte Strassen, mehr Kindergärten stark machen oder sich gegen Fluglärm wehren, der ihnen die notwendige Nachtruhe raubt, ist verständlich. Dass sich Menschen für ein „Oberlandesgericht“ (OLG) einsetzen, mit dem sie entweder so gut wie nichts oder wenn doch, dann nur äußerst selten zu tun haben, ist vergleichweise ungewöhnlich.

In Rheinland-Pfalz ist genau das geschehen: Viele Einwohner haben in den Jahren 2006 bis 2012 letztlich eine Basta-Politik von oben herab letztlich zur Einsicht und Umkehr gezwungen. Die Pläne der politischen Macht in Gestalt zweier in absolutistischer Manier regierenden Justizminister (beide SPD), das OLG in Koblenz aufzulösen, wurden durch zivile Gegenwehr am 27. März 2012 endgültig obsolet.

Die Geschichte spielt sich in zwei Etappen ab, die parallel zu den Legislaturperioden des rheinland-pfälzischen Landtags laufen.

Sie handelt – in Etappe 1 zunächst - von einem Präsidenten des OLG Koblenz, der durch den mehrheitlichen Wahlerfolg der SPD im Jahr 2006 zum Justizminister gekürt wurde und in dieser Funktion alle seine früheren juristischen Ideale, als Richter für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen, aufgegeben hatte. Stattdessen avancierte er zum Machtpolitiker, der freiwerdende juristische Ämter mit SPD-Mitgliedern oder zumindest SPD-nahen Juristen besetzen wollte. Auch seine eigene freigewordene OLG-Präsidentenstelle.

Bei dieser Kandidatenkür setzte er einen ihm genehmen Bewerber durch. Der weitaus qualifiziertere Konkurrent, der deshalb auch das Vertrauen der künftigen Kollegen und Mitarbeiter besaß, unterlag, klagte aber dagegen.

Der Justizminister setzte bei seiner Strategie auf das, was in Deutschland „Ämterstabilität“ heißt. Bedeutet: Wer in ein Amt gekommen ist, egal wie, also rechtmäßig oder rechtswidrig, bleibt in seinem Amt – der „Stabilität“ des Amtes wegen. Der nicht zum Zug gekommene Bewerber kann dann nur noch auf Schadensersatz (z.B. auf die damit verbundene bzw. vorenthaltene Gehaltserhöhung) klagen.

Dieses in Deutschland flächendeckend verbreitete Prinzip bzw. die damit verbundene Mentalität der Öffentlichen Verwaltung nutzte der Justizminister aus und überreichte seinem ihm genehmen Kandidaten die Ernennungsurkunde für das OLG-Präsidentenamt

  • zu einem günstigen Zeitpunkt
  • und dies in einer Art „Blitzernennung“, wie die vor Ort ansässige Rhein-Zeitung das beschrieb.

Die Karlsruher Verfassungshüter bewerteten dieses Hau-Ruck-Verfahren kurz danach als „verfassungswidrig“.

Mit diesem ‚Urteil’ konnte der unterlegene, aber weitaus qualifizierte Bewerber, der als CDU-nah gilt, erneut vor den Verwaltungsgerichten klagen. Dabei entschieden in letzter Instanz die Richter am Bundesverwaltungsgericht, dass das bewusste Vorgehen des Justizministers Hans Georg BAMBERGER (SPD)

  • „verfassungswidrig“ war und deshalb
  • der per „Blitzernennung“ ins Amt gehievte OLG-Präsident, Ralf BARTZ (SPD-nah), seinen Stuhl wieder räumen
  • und die hohe Position erneut ausgeschrieben werden muss.

Ein Justizminister, der vorsätzlich Verfassungbruch begeht, um seine Günstlinge in hohe Ämter zu platzieren, ist – eigentlich – untragbar. Anders der rheinland-pfälzische Justizminister BAMBERGER: Er ist sich keiner Schuld bewusst, kann sich auf die absolute Mehrheit im Parlament verlassen und versucht sich deshalb mit fadenscheinigen Argumenten aus dieses misslichen Situation herauszureden, wie ihm der Deutsche Richterbund vorhält.

Die Landtagswahl 2011 bringt dann die Quittung: Die Stimmung im Land – u.a. auch wegen des rabiaten Vorgehens beim OLG – wird für die SPD zum Desaster, Sie stürzt um ganze 10-Prozentpunkte ab und liegt nun gleichauf mit der CDU. Zusammen mit den GRÜNEN, die zum ersten Male in den Landtag einziehen und dies gleich mit 15% der Stimmen, bildet sie eine Koalition und hievt einen neuen Justizminister (SPD) ins Amt.

Damit beginnt Etappe 2 direkt nach der Landtagswahl 2011.

Eigentlich stand nun die erneut notwendig gewordene Ausschreibung für das OLG-Präsidentenamt an. Der neue Justizminister Jochen HARTLOFF hatte einen anderen Plan: Er wollte das OLG Koblenz auflösen.

Konkret sollte dieses Gericht mit seinen 60 Richtern und über 80 sonstigen Justizbediensteten mit dem sehr viel kleineren OLG in Zweibrücken fusioniert werden. „Sparzwänge“ lautete das offizielle Argument.

In Rheinland-Pfalz, in dem sich die politische Stimmung zuungunsten der SPD gedreht hatte, ging jetzt ein Aufschrei durch das Land. Nicht nur Richter und Staatsanwälte, auch Bürger engagierten sich.

Als über 50.000 Unterschriften zusammen gekommen waren, lenkten die SPD und ihr „König“ Kurt BECK ein. (Erst) Jetzt war man bereit, die „Sparmöglichkeiten“ durch Fusionierung beider Gerichte nocheinmal zu prüfen. Das Ergebnis war absehbar: Ein unabhängige Kommission verwies die politisch motivierten Einsparoptionen ins Reich der Legende.

Ergebnis: Koblenz behält sein OLG und der neue Präsident dieses Gerichtes heißt seit Ende 2011 Hans-Josef GRAEFEN. So wie das bereits mehrere Jahre zuvor hätte sein können.

Der Umstand, dass dieser Vorgang die Menschen zusammengebracht, d.h. sie motiviert und engagiert hatte, war nicht nur Ergebnis des brachialen Politikstils der SPD und ihres Justizministers. Es war auch die kontinuierliche Berichterstattung der Rhein-Zeitung, insbesondere die nachhaltige Kommunikation aller relevanten Vorgänge durch deren Chefreporterin Ursula SAMARY. Sie hat diese über sechsjährigen Vorgänge in weit über 200 Artikeln kleinerer und längerer Art sowie in Kommentaren und Interviews festgehalten. Wir dokumentieren diese Veröffentlichungen, die wir der besseren Übersicht in drei Gruppen eingeteilt haben - analog zu den unterschiedlichen Phasen dieser Geschichte:


Die gesamten Vorgänge haben wir ausführlich, aber kompakt dokumentiert in einer Chronologie aller Ereignisse von 2006 bis 2012.

In einem kleinen ABC der wichtigsten Akteure sind nochmals alle Namen gelistet, die bei dieser Geschichte eine Rolle spielen.

Wie die Chefreporterin der Rhein-Zeitung Ursula SAMARY diese Geschichte angegangen ist, hat sie selbst beschrieben: in einem Making-of Wie diese Geschichte zur Serie wurde

Und hier gibt es einige Informationen Über die Autorin, die das Thema am Laufen hielt.

Wie und warum sich der zivile Widerstand organisierte
, beschreibt der Pressesprecher von "Pro Justiz Rheinland e.V.".

Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken möchten, geht dies am einfachsten unter www.ansTageslicht.de/OLG 

(JL)

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

Die Menschen hinter dieser Geschichte: