Die Berichte nach dem Einlenken von Rot-Grün, 28.03.2012

von Ursula SAMARY

Es dauerte, aber am Ende hat die Politik doch verstanden

Die Koblenzer Juristen sind unbequem, aber sie haben auch überzeugende Argumente, die Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und seinem Justizminister Jochen Hartloff (SPD) fehlten. Deshalb kämpfte auch Volkes Stimme sofort lautstark und mit an die 70 000 Unterschriften für eine bürgernahe Justiz, als die Landesregierung das große Koblenzer Oberlandesgericht auflösen und ins weit entfernte Zweibrücken verfrachten wollte. Beck, der immer so nah bei den Leuten sein will, hatte diesen Konflikt völlig verkannt, als er sich beim Oberlandesgericht Koblenz verrannte und erst nach Monaten des Protests die Hill-Kommission als Schlichter berief.

Jetzt erklären Sachverständige: Alle Argumente von Richtern, Staatsanwälten, Anwälten und Notaren gegen die Fusion in der Pfalz stimmen. Die Hill-Kommission folgt den Vorschlägen der Praxis und zerpflückt die des Ministeriums. Dies war allerdings so schwer auch nicht, da Hartloff eben mit zu vielen Unbekannten rechnete. Aber die Deutlichkeit, mit der die Kommission die Argumente seziert, ist von besonderer Qualität: Auf elf Seiten liefert sie eine ganze Serie von Ohrfeigen für den politischen Schuss aus der Hüfte, mit dem sich Beck auch bundesweit nur Häme eingehandelt hatte.

Die Kommission erinnerte die Regierung abseits der Zahlen auch an die Verantwortung für das Gemeinwohl. Denn die Bürger, die mit den Juristen auf die Straße gegangen waren, kämpften um die Garantie des Rechtsstaats, in Wohnortnähe ihr Recht suchen zu können. Ist es denn gerecht und sozial, wenn es Luxus für eine ums Sorgerecht kämpfende Mutter oder den um Werklohn streitenden Handwerker wird, vor das weit entfernte OLG Zweibrücken zu ziehen? Zudem gehört die Justiz zur Kernaufgabe des Staates und des Landes, das am Nürburgring mit 330 Millionen Euro umstritten geklotzt hat. Bei der Fusion ging es um 1,7 Millionen Euro. All dies hätte Beck wissen und kein Renommee verspielen müssen, zumal die Fusion nicht bei der ersten Koalitionsverhandlung auf den Tisch kam und es aus der Partei früh viele Warnungen gab. Aber nun bereiteten Beck und Hartloff der Fusion immerhin eine Beerdigung erster Klasse. Sie kehren zur Politik der Vernunft zurück, zumal die SPD ganz andere Probleme vor der Brust hat.

Keine Frage: Sparen kann und muss auch die Justiz, ohne Emotionen auch rational-effizient und vor allem glaubwürdig. Dies können die neuen Arbeitsgruppen der Justiz auch leisten. Aber die Justiz ist nicht der große Goldesel, zumal sie an bundesgesetzliche Vorgaben gebunden ist und schwer kalkulieren kann, wie viele Leute klagen oder im Gefängnis landen. Die eigentliche Strukturreform ist aber eine politische Aufgabe. Um dem Ansehen einer unabhängigen Justiz nicht wieder durch Streit zu schaden, sollten sich Regierung, Parlament und Justiz wenigstens in diesem Fall nüchtern-geräuschlos an reiner Sachpolitik orientieren – ob im Landtag, in einem Konvent oder auf anderer Plattform. Aber möglichst im Bewusstsein, dass es um ein Verfassungsorgan geht.

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

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