Die Berichte der Rhein-Zeitung seit der Landtagswahl 2011 bis zum Einlenken der SPD, 30.04.2011

von Ursula SAMARY

Rot-grüner Murks unter Bambergers langem Schatten

Es klingt wie ein Stück aus dem Tollhaus: Justizbehörden, für deren Spitze sich kein Wunschkandidat findet, werden eingespart. Für dieses rot-grüne Schuldenbremsen-Modell steht zumindest indirekt Noch-Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD) Pate: Weil er kläglich gescheitert ist, rechtsstaatlich einen der SPD genehmen Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz zu ernennen, wird der Posten abgeschafft und der traditionelle Koblenzer Gerichtssitz mit kritischen Richtern zur Dependance des kleinen Pfälzischen Oberlandesgerichts in Zweibrücken.

Peng, mit dieser Klappe lässt sich noch ein anderes Problem lösen: Weil an einem OLG auch nur eine Generalstaatsanwaltschaft existieren kann, ist die monatelange Hängepartie um die Nachfolge von Generalstaatsanwalt Albrecht Pendt (Zweibrücken) auch vorbei und damit auch hier jeglicher unbequemer Bewerber ausgebremst. Und weil die Spitze des Koblenzer Verwaltungsgerichts im August frei wird, kann man sich mit der Auflösung eines Verwaltungsgerichts auch einer dritten Personalsuche gleich mit entledigen.

Nicht nur die Betroffenen, zu denen beileibe nicht nur gut bezahlte Anwälte und Notare oder renitente Richter zählen, werden von dieser Nachricht eiskalt erwischt. Auch ohne Kündigungen sieht Respekt anders aus. Rote und Grüne, die sich mehr Bürgernähe auf die Fahnen geschrieben haben, ignorieren dieses Gebot bei der Justiz eklatant, so nebenbei im Vorbeigehen von einem Termin zum anderen.

Können Bürger auf sachgerechte Entscheidungen in der Justiz in Rheinland-Pfalz noch vertrauen? Daran zweifeln sie schon seit der Bamberger-Affäre. Aber jetzt sind Rechtssuchende auch direkt betroffen, wenn sie künftig womöglich weite und teure Wege auf sich nehmen müssen. Eine bürgernahe Justiz ist ein sensibles Gut. Das haben schon viele Justizchefs bei Reformplänen erleben müssen, in den Ländern wie im Bund. Die Wogen werden noch hochschlagen.

Aber von Reform ist bei dieser durchsichtigen Hauruck-Aktion ja noch nicht einmal die Rede. Sicher wäre es mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung geboten, ohne Tabu in einem geordneten Verfahren mit Experten Justiz- Strukturen zu überprüfen. Denn es gibt vier kleine Bezirke im Süden. Es ist auch nur historisch begründet, dass zwei OLGs in Rheinland-Pfalz bestehen. Aber am Ende eines solchen Prozesses und mit einem Blick auf die Landkarte stünde vermutlich nicht die absurde Idee, plötzlich Zweibrücken zum Nabel der Justiz zu erklären – aus wirtschaftlichen wie sozial-ökologischen Gründen.

Überzeugende Argumente sind die rot-grünen Koalitionäre noch schuldig geblieben. Auf plausible Erklärungen darf man gespannt sein, wenn sie vertraglich das große OLG Koblenz mit auswärtigen Senaten zum Auslaufmodell erklären und ans neue Koblenzer Justizzentrum womöglich das Schild „Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken“ kleben.

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

Die Menschen hinter dieser Geschichte: