Die Berichte der Rhein-Zeitung seit der Landtagswahl 2011 bis zum Einlenken der SPD, 30.04.2011

von Ursula SAMARY

Richter: Angriff auf die Bürgernähe

In der Justiz kocht es, seit aus heiterem Himmel die rot-grüne Entscheidung gefallen ist, den Justizstandort Koblenz massiv zu schwächen: Das Oberlandesgericht (OLG) soll aufgelöst werden und damit – der bisherigr Logik folgend – auch die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz an den kleinen OLG-Standort Zweibrücken abwandern. „Das wäre so, als würde man den UN-Sitz nach Timbuktu verlegen“, sagt ein Jurist mit Galgenhumor. Es wird auch „über einen Racheakt“ der SPD spekuliert, weil OLG-Richter den Rücktritt von Justizminister Heinz Georg Bamberger gefordert hatten.

Geschockt reagieren nicht nur Richter, sondern vor allem Mitarbeiter, die die Entscheidung ohne Vorwarnung trifft. „Sozis stehen mit Gewerkschaften vor Werkstoren, wenn ein Konzern einen Standort über Nacht schließt. Jetzt rasieren sie uns, preisen am 1. Mai aber die Solidarität“, ereifert sich ein Mann. „Das ist die Arroganz der Macht“, ergänzt ein anderer wütend vor der spontanen Personalversammlung beim OLG. Tief verunsicherte Mitarbeiter sind „um ihre Zukunft besorgt“, heißt es danach offiziell. Vizepräsident Bernd Sator erklärt, dass die Pläne auch Landgerichte und Amtsgerichte sowie die Notar- oder Rechtsanwaltskammer Koblenz massiv betreffen.

Justizrat Norbert Westenberger (Mainz) stellt sofort klar: „Die Rechtsanwaltskammer mit 3500 Mitgliedern wird sich energisch gegen einen Umzug wehren“, wenn der erzwungen werden sollte. Für Westenberger wie auch für den Ex-OLG-Präsidenten Karl-Heinz Kroell steht fest: „Die Entscheidung ist indiskutabel“ und habe wohl nur den tieferen Sinn, sich Personalquerelen („Bamberger-Affäre“) zu entledigen. Bamberger hat am OLG Koblenz in fünf Jahren rechtstaatlich keinen Präsidenten installieren können.

Ralf Bartz musste auf höchstrichterlichem Befehl den Posten wieder räumen. Und für die Spitze der Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken fand er auch keinen Chef, der der SPD passte.

Für Ex-Generalstaatsanwalt Norbert Weise (Koblenz) ist der Plan völlig unausgegoren. Eine OLG-Fusion ist für ihn seit Langem zwar denkbar, aber nur in Koblenz, dem größten Sitz, und nicht an der mit Bahn und Auto schwer erreichbaren Peripherie des Landes.

Über den „Angriff auf die rheinland-pfälzische Justiz“ empören sich der Richterbund wie der Bund Deutscher Rechtspfleger. Sie vermissen auch Untersuchungen, ob mit den Schließungen überhaupt Geld gespart wird. Da auch ein Verwaltungsgericht schließen soll, sind für sie der Verlust von Bürgernähe aber schon Fakt.

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

Die Menschen hinter dieser Geschichte: