Die Berichte der Rhein-Zeitung seit der Landtagswahl 2011 bis zum Einlenken der SPD, 25.05.2011

von Ursula SAMARY

Hartloff: OLG-Fusion nur, wenn das Land Geld spart

Der neue rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff (SPD) will „zügig“ auf die besorgten Mitarbeiter des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz zugehen. In welchem Volumen der Landeshaushalt entlastet wird, wenn es zu der umstrittenen Fusion mit dem OLG Zweibrücken am Standort Zweibrücken kommt, konnte Hartloff gegenüber unserer Zeitung noch nicht sagen. Er rechnet aber mit „substanziellen Einsparungen“. Sollten Prüfungen hingegen ergeben, dass kein Geld gespart wird, kommt die Grundsatzentscheidung noch einmal auf den Prüfstand. „Diese Reform ist kein Selbstzweck“, so Hartloff. Der geplante Personalabbau und das drohende Aus für das OLG Koblenz sorgen seit Wochen für Proteste. Hier das Interview:

Warum soll es künftig nur noch ein rheinland-pfälzisches OLG in Zweibrücken geben?


Wir wollen ein rheinland-pfälzisches Oberlandesgericht schaffen, um auch in diesem Bereich Spareffekte zu erzielen. Maßgeblich ist hier die einstimmig vom Landtag beschlossene sogenannte Schuldenbremse, die die gesamte Landesverwaltung zu harten Einschnitten zwingt. Auch die Justiz muss ihren Beitrag leisten. Der Sitz wird laut Koalitionsvertrag Zweibrücken sein. Dafür gibt es strukturelle und historische Gründe. Koblenz wie Zweibrücken sind gewachsene Standorte. Deswegen wird kein dritter, zentral gelegener Standort gewählt. Im Übrigen: Selbst wenn wir ein OLG in Rheinland-Pfalz haben, ist das kleiner als beispielsweise ein durchschnittliches OLG in Bayern.

Wie viel wird konkret gespart?


Was genau gespart und wie das Konzept gesetzlich umgesetzt wird, werden jetzt Facharbeitsgruppen im Ministerium erarbeiten.

Lagen die wesentlichen Fakten vor der Grundsatzentscheidung denn nicht auf dem Tisch?


Nicht in allen Details – wie bei allen anderen Grundsatzentscheidungen im Koalitionsvertrag auch. Aber natürlich haben wir unsere Justizstruktur mit der anderer Bundesländer verglichen, uns Zahlen angeschaut. Das konkrete Verfahren wird jetzt mit Fachleuten und den Betroffenen entwickelt.

Gilt die Vorgabe des Finanzministeriums, in der Justiz 1,5 bis 2 Millionen pro Jahr zu sparen?


Sparvorgaben gelten für alle Ministerien. Für die Justiz wurden sie sogar etwas vermindert, weil wir hier ganz hohe Bindungen in den Personalstrukturen haben.

Die Fusion von OLG Koblenz und OLG Zweibrücken soll also 1,5 bis 2 Millionen bringen?


Nein, einen derartigen Einspareffekt kurzfristig oder mittelfristig zu behaupten, wäre Spekulation. Die Einsparungen müssen auf vielen Feldern erbracht werden. Aber das OLG ist ein wichtiger Baustein.

Und wenn durch die Fusion nichts gespart wird? Was geschieht dann?


Man macht nicht willkürlich solche Reformen, sondern es geht einzig und allein um den Nutzen. Ich gehe davon aus, dass wir substanzielle Einsparungen erzielen. Wenn das allerdings wider Erwarten nicht der Fall sein wird, muss man natürlich neu denken.

Ein OLG im abgelegenen Zweibrücken zieht hohe Fahrt- und Übernachtungskosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe nach sich. Wie kann man so sparen?


Das Problem ist nicht so gravierend wie bisher dargestellt. Dennoch: Wir denken darüber nach, OLG-Senate, die stärker von Bürgern frequentiert werden, in Koblenz zu belassen. Richtig viel Publikumsverkehr gibt es beim OLG allerdings gegenüber anderen Gerichten nicht.

Was könnte in Koblenz bleiben?


Zum Beispiel die Senate, die sich mit Familienrechtsfragen beschäftigen.
Werden Sie den Rechnungshof als unabhängige Instanz in die Prüfung einbeziehen?
Wir arbeiten mit dem Rechnungshof auf vielen Feldern zusammen. Ob wir ihn hier einbeziehen, das muss man sehen.

Bleibt es bei den 50 bis 100 einzusparenden Stellen?


Welcher Personalabbau mittelfristig möglich und notwendig ist, müssen wir dann sehen. Fest steht: Niemand wird entlassen. Und das alles geschieht auch nicht von heute auf morgen.

Bei den vier Verwaltungsgerichten in Rheinland-Pfalz stehen derzeit alle zur Disposition bis auf das in Koblenz?


Vom Grundsatz her kommen alle vier Standorte infrage. Aber wir sehen schon, dass Koblenz bereits bei der Entscheidung zum OLG und der Generalstaatsanwaltschaft betroffen ist.

Wann werden Sie mit den Betroffenen reden?


Ich rede zügig mit den Betroffenen. Wir machen gerade die Terminpläne. Mit dem Koblenzer Oberbürgermeister habe ich schon gesprochen.

Selbst die SPD und die Grünen in Koblenz verlangen vehement eine ergebnisoffene Prüfung. Wie viel Offenheit ist denn überhaupt noch möglich?


Die politische Vorgabe, also die Standortentscheidung, steht fest. Es sei denn, wir würden damit keine substanziellen Einspareffekte erzielen. Diese Reform ist kein Selbstzweck.

Verstehen Sie den Vorwurf, die aufsässige Koblenzer Justiz werde abgestraft?


Ich weiß, das Argument wird bemüht. Aber ich weise es zurück. Als langjähriger Rechtsanwalt liegt mir die Unabhängigkeit der Justiz am Herzen. 

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2012

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